Autorin Birgit Bulla über das Tabuthema Blase – und wie oft pinkeln normal ist

Irgendwie laufen wir bei dem Thema „Blase“ schnell rot an und wenn sie drückt, „müssen wir mal kurz ums Eck“. Dabei ist die Blasenentzündung eine Volkskrankheit. Deshalb sollten wir lauter darüber sprechen, wie Entzündung, Inkontinenz oder Reizblase behandelt werden können und welche Ursachen dahinter stecken. Genau das macht Birgit Bulla: Die freie Journalistin und Autorin hat seit neun Jahren eine Reizblase und dokumentiert ihre Erfahrungen damit auf ihrem Blog Pinkelbelle.

All die Facts und Tipps, die niemand zu kennen scheint, und über die sie bei ihrer eigenen Recherche und der Auseinandersetzung mit dem tabuisierten Organ gestolpert ist, hat Birgit jetzt in einem Buch gesammelt. Ein paar ihrer Erkenntnisse aus „Noch ganz dicht? Alles Wissenswerte über die Blase“ hat sie jetzt glücklicherweise mit uns – und euch – geteilt…

Wieso ist die Blase gerade für viele Frauen so ein großes Thema?

Birgit Bulla: „Zum einen, weil Frauen ganz oft Probleme mit der Blase haben. Man muss sich mal überlegen: Die Blasenentzündung ist der zweithäufigste Grund, wieso Frauen überhaupt zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Das liegt daran, dass die Harnröhre von Cis-Frauen ganz kurz ist, also dass Bakterien total einfach in den Harnapparat gelangen können. Das passiert ganz schnell und lässt sich eigentlich gar nicht vermeiden. Und dann ist es natürlich auch so, dass Inkontinenz ein Thema ist, das uns alle irgendwann mal ereilen wird. Die Einen früher, die Anderen später. Es ist einfach eine Volkskrankheit und deswegen finde ich es ganz wichtig, dass man jetzt schon anfängt, sich mal mit diesen Gedanken auseinanderzusetzen.“

Also würdest du sagen, dass das Buch auch etwas für Nichtbetroffene ist?

Birgit Bulla: „Ja! Einerseits beschreibe ich in meinem Buch ganz allgemein, wie die Blase funktioniert – mit Niere, Harnleiter und so weiter. Außerdem wie der normale Klogang aussieht, quasi wie Pinkeln richtig geht, was auch wichtig ist, weil man seiner Blase tatsächlich schaden kann, wenn man sein Leben lang falsch zur Toilette geht.“

Und wie pinkle ich falsch?

Birgit Bulla: „Ganz schlecht ist es zum Beispiel, wenn du den Klogang schnell hinter dich bringen willst und viel drückst. Das kann auf Dauer den Beckenboden ausleiern und dazu führen, dass die Blase absinkt. Das wiederum kann dann zu einer sogenannten Belastungsinkontinenz führen. Der Beckenboden ist also zu schwach und dann kann eben etwas daneben gehen, wenn du beispielsweise niest, hustest oder lachst – was ganz viele Frauen nach der Schwangerschaft haben. Deswegen ist es wichtig, dass du dir Zeit lässt und du das smooth rauslaufen lässt, ohne groß nachzudrücken. Das kann die Blase alles ganz alleine.“

Was meinst du, wieso es noch so tabuisiert ist, über die Blase zu sprechen?

Birgit Bulla: „Die Blase ist eben das Organ, das – unter anderen – die Abfälle des Körpers ausleitet und dieser ganze Klogang ist ja immer noch total schambehaftet. Das fängt schon bei den ganzen Synonymen an, die wir dafür haben. Die Periode wird mittlerweile ein bisschen entstigmatisiert, aber über die Blase wird nur ungern gesprochen und sie hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Wenn man eine Blasenentzündung hat, kommt direkt die Frage: Wohl zu viel Sex gehabt in letzter Zeit?“

Du hast ja selbst eine Reizblase – was bedeutet, dass man besonders häufig zur Toilette muss. Wie oft pinkeln ist denn normal?

Birgit Bulla: „Normal ist so fünfmal am Tag. Ab achtmal sprechen Expertinnen und Experten von einer Reizblase. Aber es kann natürlich auch sein, dass, wenn du jetzt mal mehr getrunken hast oder deine Blase leicht gereizt ist, du öfter als achtmal aufs Klo musst. Das heißt nicht sofort, dass du eine Reizblase hast. Eben nur, wenn es über einen längeren Zeitraum so ist.“

Woran erkenne ich außerdem, dass ich eine Reizblase habe?

Birgit Bulla: „Ich muss beispielsweise nicht nur oft auf Toilette, sondern auch wahnsinnig dringend. Das fühlt sich dann so an, als ob die Blase zum Bersten voll wäre, ist sie aber gar nicht. Das liegt daran, dass sich der Blasenmuskel, der auf dem Blasendach liegt, zusammenzieht. Das tut er eigentlich erst, wenn die Blase voll ist. Bei mir aber eben schon viel früher.“

Welche Therapien gibt es?

Birgit Bulla: „Der klassische Vorgang ist, dass man erstmal eine Medikamenten-Therapie beginnt. Es gibt verschiedene Medikament-Typen, die die Blase entspannen und sich auf die Blasenrezeptoren auswirken. Dann gibt es Botox – das ist auch mein sogenannter „Goldstandard“. Ich habe mir schon zum dritten Mal Botox in die Blase spritzen lassen. Das wird in diesen Blasenmuskel reingespritzt wie in die Stirn: Die Nerven werden lahmgelegt und der Muskel kann sich nicht mehr zusammenziehen. Klar, muss man da ein bisschen aufpassen, dass man nicht zu viel und nicht zu wenig spritzt. Aber für mich funktioniert das total gut. Dann gibt es noch einen Blasenschrittmacher, den man sich einsetzen lassen kann. Der wird hinten über dem Kreuzbein angebracht und wirkt auf die Nerven, die sich von der Blase aus über die Wirbelsäule zum Gehirn ziehen. Liegt hier ein Fehler vor, kann der Schrittmacher die Arbeit übernehmen.“

Welche alltäglichen Hilfsmittel gibt es bei einer Reizblase?

Birgit Bulla: „Ich habe für mich ein paar Tipps für unterwegs herausgefunden: Vor dem Botox war es immer so, dass ich mich hingekniet hab, wenn ich pinkeln musste, und so getan habe, als würde ich meinen Schuh binden. So konnte ich meine Fersen ein bisschen in den Beckenboden reindrücken. Oder ich setze mich hin und mache ein Hohlkreuz. Dann ist ruhig Atmen ganz wichtig – dass man der Blase ein bisschen mehr Platz im Bauch gibt, damit sie sich etwas weiter ausbreiten kann. Dann gibt es noch so Spielereien, zum Beispiel auf den Fußballen umher zu tippeln, weil es Nervenpunkte an den Fußsohlen gibt, die mit der Blase verbunden sind. Oder mit der Zunge an den Gaumen drücken.“

Was sind die häufigsten Ursachen für eine Reizblase?

Birgit Bulla: „Die Reizblase ist eine urologische Krankheit, die am häufigsten psychosomatisch ist. Dann ist es auch wahnsinnig schwierig, herauszufinden, warum das so ist. Man muss in die Tiefe gehen: Ist in der Kindheit irgendwas passiert, was die Blase jetzt zum Ausdruck bringt? Man sagt ja auch oft: Die Blase weint – wenn Kinder zum Beispiel ganz lange nicht trocken werden. Wenn wir nervös sind, müssen wir ja auch viel pinkeln, weil die Blase von dem vegetativen Nervensystem gesteuert wird. Es kann aber auch eine verschleppte Blasenentzündung sein, die einfach nicht abheilt und die Bakterien länger drinbleiben. Auch eine Verletzung der Nerven am Rücken kann schuld sein – zum Beispiel eingeklemmte Nerven bei einem Bandscheibenvorfall. Es könnte theoretisch aber auch sein, dass du Zahnschmerzen oder eine Entzündung im Körper hast – das ist so ein breites Feld, das auch noch nicht ganz erforscht ist.“

Hattest du schon mal eine richtig peinliche Situation wegen deiner Blase?

Birgit Bulla: „Ja, mehrere. Die eine, die mir so im Gedächtnis geblieben ist, war zwar nicht peinlich, aber super nervig: Ich war in London zu einem Interview mit Chris Pratt. Das war ein Facebook-Live Interview – und wir haben den ganzen Tag gewartet und Kaffee getrunken. Dann sollte es in drei Sekunden losgehen, die Regieassistentin zählt runter und ich denke plötzlich: Oh nein, ich muss so dringend aufs Klo! Das war von null auf 100. Zum Glück saß ich auf einem Stuhl – sonst hätte ich mir wahrscheinlich echt bei diesem Live-Interview in die Hose gepinkelt. Ich habe mich einfach auf die Fragen konzentriert und es hat alles geklappt. Danach hat Chris Pratt mir dann die Hand geschüttelt – meine war schweißnass. Und ich habe mich verabschiedet und bin zur Toilette gerast. Das hat mich wahnsinnig geärgert: Da hatte ich einmal die Chance, ein cooles Foto zu machen und ein bisschen mit Chris Pratt zu plaudern, und die Blase kommt mir dazwischen.“

In deinem Buch hast du viele Tipps gesammelt, wie man die Blase richtig pflegt. Unter anderem mit der richtigen Kleidung. Was ist denn die richtige Kleidung?

Birgit Bulla: „Also die perfekte Kleidung für die Blase ist ähnlich, wie wir uns für unsere Vagina anziehen sollten: keine synthetischen Stoffe, keine zu enge Kleidung – sexy Tangas am besten nicht jeden Tag, sondern nur zu bestimmten Anlässen – und am meisten mag die Blase wirklich lockere Baumwollunterwäsche, die nicht einschneidet. Weil es für die Blasengesundheit ganz wichtig ist, dass auch unser Intimbereich gut gepflegt ist, damit der Säurehaushalt stimmt und die Bakterien sich nicht im ganzen Vaginalgebilde festsetzen können. Deswegen auch keine zu engen Jeans.“

Wie sieht es mit der Ernährung für die Blase aus?

Birgit Bulla: „Es gibt diese typischen Trigger-Nahrungsmittel: Kaffee (also Koffein) lässt uns einfach häufiger auf die Toilette rennen. Ist nicht gefährlich, aber es stört eben einfach. Was auch auf die Blase schlägt ist Spargel. Jeder zweite hat den sogenannten Spargel-Urin – dank eines bestimmten Hormons riecht der Urin nach dem Spargelessen ein bisschen nach Ammoniak. Was super ist, ist natürlich: trinken, trinken, trinken. Wenn man eh ein bisschen anfällig für Blasenentzündungen ist, sind Blasen- und Nierentees ganz gut. Die spülen schön aus und sind entzündungshemmend – in meinem Buch sind auch zwei gute Rezepte drin.“

Stimmt der Mythos, dass man nach dem Sex pinkeln sollte, um eine Blasenentzündung zu vermeiden?

Birgit Bulla: „Ja, schon. 80 Prozent der Bakterien, die für die Blasenentzündung verantwortlich sind, sind die E.coli-Bakterien – also jene, die im After sitzen. Klingt ekliger als es ist. Weil bei uns Frauen After und Harnröhre näher zusammensitzen als bei Männern, haben die Bakterien einen kürzeren Weg. Wenn du Sex hast und das ganze Milieu – wenn alles gut läuft – schön feucht ist, rutschen die Bakterien total easy rüber. Außerdem steigen auch fremde Bakterien in unser System ein, was nichts mit der Hygiene des Partners oder der Partnerin zu tun hat.

Das sind einfach Bakterien, die unser Milieu nicht kennt, und es kann sein, dass die sich erstmal nicht verstehen und das zu einer Entzündung führt. Deshalb ist es schon gut, die Blase auszuspülen und am besten (etwas unsexy) vor dem Geschlechtsverkehr ein Glas Wasser zu trinken, um nachher aufs Klo gehen zu können. Und wenn man besonders anfällig für Blasenentzündungen ist, am besten nach dem Sex duschen.“

Gibt es auch Hausmittel, die bei einer Blasenentzündung helfen, oder muss man früher oder später Antibiotikum nehmen?

Birgit Bulla: „Da scheiden sich ein bisschen die Geister. Cranberry wird zwar nachgesagt zu helfen, aber viele Studien zeigen, dass wir gar nicht genug davon essen können, damit es wirkt. Es kann aber auch nicht schaden, vor dem Sex Cranberry-Präparate einzunehmen. Direkt bei einer kleinen Blasenentzündung zum Antibiotikum zu greifen, halte ich nicht für sinnvoll. Wir nehmen schon über das Grundwasser und tierische Produkte so viel Antibiotika zu uns. Es gibt auch Studien, die sagen, dass Ibuprofen genauso gut gegen eine leichte Blasenentzündung helfen soll.“

Wie kann ich meine Blase trainieren, um Krankheiten oder Inkontinenz vorzubeugen?

Birgit Bulla: „Man sollte nicht immer sofort auf die Toilette gehen, wenn sich die Blase ein bisschen meldet, sondern das Pinkeln ein bisschen hinauszögern. Wichtig ist aber auch, dass nicht gegen die Blase gearbeitet wird. D.h., wenn der Drang groß ist, auch nicht zu lange hinauszögern. Es gibt eine Krankheit namens 'Teacher‘s Bladder' (in England haben die Lehrkräfte scheinbar keine Zeit, um aufs Klo zu gehen, da sammelt sich der Urin in der Blase an und die leiert sich dann auf Dauer ein bisschen aus – sodass man Schwierigkeiten hat, die Blase vollständig zu entleeren.

Deswegen sollte man schon mit der Blase zusammenarbeiten und sie nicht zu irgendwas zwingen, was sie nicht möchte. Dann sind auch die richtige Kleidung und die richtige Intimpflege, also nicht zu viel und nicht zu wenig, wichtig. Ausreichend trinken und sichergehen, dass die Blase immer schön ausgespült wird. Es sollte sich auf keinen Fall so ein stehendes Gewässer bilden, wo sich Bakterien ansammeln, vermehren und an der Blasenwand andocken.“

Ganz lieben Dank an Birgit für das spannende Gespräch!

Wenn ihr auch Probleme mit der Blase habt, scheut euch nicht zum Arzt zu gehen. Der kann euch weiterhelfen!

Dieser Artikel wurde verfasst von Charlotte Eckardt

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*Der Beitrag „Wie oft pinkeln ist normal? Expertin erklärt, ab wann Sie an einer Reizblase leiden“ wird veröffentlicht von InStyle. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

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