Macht Covid-19 impotent? Mediziner finden immer mehr Daten für einen Zusammenhang

Immer mehr Daten deuten darauf hin, dass das Coronavirus Erektionsstörungen auslösen kann. Wie Experten vermuten, ist das Virus jedoch nicht immer direkt dafür verantwortlich. Was wir bislang über den Zusammenhang wissen.

Dass eine Infektion mit dem Coronavirus Langzeitfolgen haben kann, ist bekannt. Die meisten Menschen denken dabei an Atemprobleme, womöglich Müdigkeit und Erschöpfung. Immer mehr Studien zeigen jedoch, dass auch die männliche Potenz darunter leiden kann.

Erklärungsversuche, warum das Coronavirus zu Erektionsstörungen führen kann, gibt es viele. Zahlreiche Studien stellten bereits einen Zusammenhang her. Die einen vermuten Gefäßstörungen als Auslöser. Andere gehen hingegen davon aus, dass ein abnehmender Testosteron-Spiegel eine Rolle spielt. Und wieder andere konnten nachweisen, dass Coronaviren selbst tatsächlich in Hoden und Penis gelangen.

US-Forscher: Pandemie bietet perfekte Grundlage für Erektionsstörungen

Geht es nach dem US-Wissenschaflter Joseph Katz, ist es jedoch womöglich das Zusammenspiel all dieser Faktoren, welches die Erektionsstörungen auslöst – kombiniert mit den Begleiterscheinungen, welche die Pandemie mit sich bringt. "Sie brauchen eine gute Durchblutung, sie brauchen funktionierende Nervenzellen und Sie brauchen gute Hormonlevel, besonders Testosteron", fasst er im Gespräch mit der " New York Times " die körperlichen Voraussetzungen zusammen. "Aber Sie müssen auch gut drauf sein", betont er. Wenn einer dieser genannten Faktoren nicht stimme, könne es zu Erektionsproblemen kommen.

Die Pandemie, welche viele Menschen auch psychisch belaste, stelle somit das "perfekte Zusammenspiel" zahlreicher Faktoren dar, um erektile Dysfunktionen auszulösen . Die Infektion wäre demnach also gar nicht unbedingt direkt verantwortlich für die Erektionsstörungen.

Forscher verfolgen verschiedene Theorien

Bislang hatten Forscher vor allem die körperlichen Vorgänge untersucht. Wissenschaftler vermuten etwa, dass die Tatsache, dass das Coronavirus die Blutgefäße angreift ein Auslöser sein könnte. Denn gerade Gefäßentzündungen können zu Erektionsproblemen führen. Zwar ist dieser Zusammenhang bislang nicht eindeutig bewiesen, erste Untersuchungen in diese Richtung gibt es allerdings – und ebenso weitere Theorien.

  • Viruspartikel in Hoden und Keimzellen: So haben beispielsweise Mediziner tatsächlich schon Viruspartikel in den männlichen Geschlechtsteilen nachgewiesen, etwa in China. In einer Studie, die im Dezember 2020 in „ Nature “ veröffentlicht wurde, berichten Reproduktionsmediziner davon, Viruspartikel in den Hoden sowie in den Keimzellen, aus denen sich die Spermien bilden, gefunden zu haben. Darunter auch das Spike-Protein, mit dem sich das Virus Zugang zu den Zellen verschafft.
     
  • Viruspartikel im Penis: Doch nicht nur in den Hoden und in den Keimzellen wurde das neue Corona-Virus bereits nachgewiesen, sondern auch im Penis. In einer kleinen Pilotstudie der Universität von Miami in Florida untersuchten Urologen zwei Patienten, die in Folge einer Covid-19-Erkrankung eine erektile Dysfunktion entwickelten. Diese war so schwerwiegend, dass die Männer sogar eine Penisprothese erhalten sollten. Bei der Gewebeentnahme stellten die Mediziner erstmals fest, dass sich Viruspartikel mit Spike-Protein in der Nähe der vaskulären Endothelzellen des Penis befanden. Endothelzellen kleiden das Innere von Blutgefäßen aus. In der Pilotstudie, die in PubMed im Juli 2021 veröffentlicht wurde, folgern die Mediziner daraus, dass eine weitverbreitete endotheliale Dysfunktion aufgrund einer Covid-19-Infektion zu Impotenz führen kann.
     
  • Mangelndes Testosteron: Auch könnte das Testosteron eine Rolle spielen. Schon seit längerem wissen Mediziner, dass männliche Covid-19-Patienten über einen niedrigeren Spiegel verfügen. Da Testosteron das wichtigste Sexualhormon des Mannes ist, wirkt sich dies negativ auf Potenz und Libido aus.
     
  • Geruchs- und Geschmacksverlust: Eine weitere These brachten drei Wissenschaftler aus Italien auf: Wie die "New York Times" berichet, schrieben diese einen wissenschaftlichen Brief in dem sie erklärten, dass Gerüche relevant für die Erregung seien. Litten Personen unter Geruchsverlust, könne es ebenfalls schwerer fallen, erregt zu werden. Dieser Zusammenhang wurde bislang aber nicht größer untersucht.

Welcher der genannten Vorgänge nun aber tatsächlich für die Erektionsstörungen verantwortlich ist, ist bislang nicht belegt. Auch, welche Rolle die psychische Belastung durch die Pandemie spielt, wurde bisher nicht ausreichend untersucht. Um hier finale Aussagen treffen zu können, sind weitere Studien notwendig.

  • Mehr zum Thema lesen Sie hier: Coronavirus in Penis und Hoden: Macht Infektion impotent und unfruchtbar?

Immer mehr Studien zeigen Zusammenhang von Erektionsstörungen und Corona – Beweislage "sehr deutlich"

Dass es aber einen Zusammenhang gibt, dafür gibt es immer mehr Belege. Eine große Studie veröffentlichten etwa Wissenschaftler der Universität Florida vor wenigen Monaten. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine Covid-Infektion das Risiko einer erektilen Dysfunktion um 20 Prozent erhöhe. Anfangs hätten die Wissenschaftler noch geglaubt, betroffene Männer litten unter Stress, sagte Studienautor Ranjith Ramasam der „New York Times“. Doch als die Patienten rund sechs Monate nach der Infektion wieder gesund waren und weiterhin unter den Erektionsstörungen litten, wurden sie stutzig. Auch die Anzahl der Spermien sei bei Betroffenen niedriger gewesen als gewöhnlich.

Andere Studien wiesen ebenfalls einen deutlichen Zusammenhang zwischen erektiler Dysfunktion und Covid-19 nach. Das Risiko sei bei ehemaligen Covid-Patienten rund sechs mal so hoch, sagte Mediziner Emmanuele Jannini ebenfalls der „New York Times“. Die Beweislage sei „sehr deutlich“.

Angst vor Long-Covid? So reduzieren Sie Ihr Risiko schon während der Infektion


Quelle: Den ganzen Artikel lesen