COVID-19: Risiko für schweren Krankheitsverlauf bei Rheuma-Patienten erhöht – Heilpraxis

Erste Auswertung zu Rheuma und COVID-19

Sind Rheumapatientinnen und -patienten bei einer SARS-CoV-2-Infektion höheren Risiken ausgesetzt als gesunde Menschen? Beeinflussen Rheumamedikamente den Verlauf von COVID-19? Diesen Fragen ging ein deutsches Forschungsteam nach und werte Daten von Rheuma-Betroffenen aus, die an COVID-19 erkrankten.

Forschende der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) und der Universität Gießen analysierten Daten des online-Registers „Covid19-rheuma.de“. In dem Register werden seit Beginn der Coronavirus-Pandemie Fälle von Rheuma-Betroffenen gesammelt, die an COVID-19 erkranken. Die Auswertung der Registerdaten wurde nun im Fachjournal „RMD Open“ publiziert.

Rheumatische Grunderkrankung als COVID-19-Risikofaktor

Die Datenanalyse soll als Grundlage zur Risikoeinschätzung für den Zusammenhang zwischen rheumatischen Grunderkrankungen und schweren COVID-19-Verläufen dienen. „Entzündlich-rheumatische Erkrankungen stellen eine permanente Belastung für das Immunsystem der Patienten dar“, erklärt die Arbeitsgruppe in einer Pressemitteilung zu der Auswertung. Die krankheitstypische, gegen körpereigene Gewebe gerichtete Immunaktivität binde die Kapazitäten des Immunsystems und könne zu einer erhöhten Infektneigung führen, insbesondere wenn die Erkrankung aktiv sei und nicht behandelt werde.

Rheumamedikamente setzen die Abwehrkraft herab

„Andererseits können auch die Medikamente, die zur Rheumatherapie eingesetzt werden, die Abwehrkraft herabsetzen“, fügt Professor Dr. med. Hendrik Schulze-Koops hinzu. Er ist Präsident der DGRh und Leiter der Rheumaeinheit am Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu Beginn der Corona-Pandemie habe es daher sowohl bei den Rheuma-Betroffenen als auch bei dem medizinischen Fachpersonal eine große Verunsicherung gegeben. Ziel des Registers war es deshalb, diesen Unsicherheiten nachzugehen, um eine evidenzbasierte Empfehlung aussprechen zu können.

Daten von 468 Rheuma-Betroffenen ausgewertet

Über das Register wurden 468 Rheuma-Betroffene überwacht, die an COVID-19 erkrankten. „Von den insgesamt 468 registrierten Patienten mussten 136 hospitalisiert werden, 26 benötigten eine Beatmung“, fasst die korrespondierende Studienautorin Dr. med. Anne C. Regierer vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) zusammen.

Allgemeine Risikofaktoren von COVID-19

Die Auswertung zeigte, dass sich die bekannten Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe in der Allgemeinbevölkerung auch bei Rheuma-Betroffenen widerspiegeln. So hatten über 65-Jährige ein 2,24-mal höhere und über 75-Jährige sogar ein rund viermal so hohes Hospitalisierungsrisiko wie jüngere Patientinnen und Patienten. Auch zusätzliche Begleiterkrankungen beeinflussten den Verlauf der Erkrankung deutlich. „Besonders häufig waren Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Nierenerkrankungen oder Lungenerkrankungen wie einer ILD oder COPD von einem schweren Krankheitsverlauf betroffen“, so die Forschenden. Bei Asthma-Betroffenen konnte hingegen kein erhöhtes Hospitalisierungsrisiko festgestellt werden.

Zusätzliche Risikofaktoren bei Rheuma

„Daneben zeigten sich aber auch Risikofaktoren, die speziell mit einer rheumatischen Grunderkrankung und ihrer Therapie in Verbindung standen“, betont Dr. Regierer. Wie sich herausstellte, hatten vor allem die Rheuma-Betroffenen ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Veräufe, die täglich mehr als fünf Milligramm Glukokortikoide einnahmen. Diese Arzneien wirken auf das Immunsystem und erhöhten das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe in der Kohorte um den Faktor 3,67. Zudem war das COVID-19-Hospitalisierungsrisiko doppelt so hoch bei den Rheuma-Betroffenen, deren aktuelle Krankheitsaktivität als moderat bis hoch eingeschätzt worden war.

Empfehlung für Rheuma-Betroffene

„Der Zusammenhang zwischen einer erhöhten entzündlich-rheumatischen Krankheitsaktivität und einem schweren COVID-19-Verlauf ist hier zum ersten Mal dokumentiert“, unterstreicht Professor Dr. med. Christof Specker, Rheumatologe an den Kliniken Essen-Mitte und Leiter der „Ad hoc Kommission COVID-19 Register“. Aus der Auswertung der Registerdaten leiten die Forschenden die folgenden dringenden Empfehlungen ab: „Während der Pandemie ist auf eine möglichst gute medikamentöse Kontrolle der rheumatischen Grunderkrankung zu achten. Wo immer möglich sollte auf die dauerhafte Gabe höher dosierter Glukokortikoide verzichtet werden.“

Als Alternative zu Glukokortikoiden empfiehlt Dr. Specker eine Behandlung mit Biologika. Mit ihnen lasse sich die Krankheitsaktivität wirksam kontrollieren und zugleich die Glukokortikoiddosis senken. Die Registerdatenbank wird weitergeführt und ist monatlich aktualisiert einsehbar. (vb)

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