Covid-19 ist harmloser als die Grippe? Warum man die Todeszahlen nicht miteinander vergleichen kann

Den einen gehen sie nicht weit genug, andere empfinden sie als maßlos übertrieben: Die im Zuge der Coronavirus-Pandemie verhängten Beschränkungen werden von der Bevölkerung sehr kontrovers bewertet, die Fronten verhärten sich. Gegner der Schutzmaßnahmen argumentieren unter anderem, dass durch die echte Influenza wesentlich mehr Menschen sterben würden als an Covid-19, es selbst bei schweren Grippewellen jedoch noch nie derartige Einschnitte in den Alltag gegeben habe.

Um diese Sichtweise zu untermauern, kursieren in den sozialen Netzwerken seit Wochen diverse Postings, in denen die Anzahl der Grippetoten der Saison 2017/18 mit den bisherigen Corona-Todesfällen verglichen werden. Das Problem: Beide Werte werden völlig unterschiedlich erhoben und lassen sich daher nicht miteinander vergleichen.

Eine Zahl ist (fast) korrekt, das war es aber auch schon

Auch in diesem Facebook-Post vom 13. April wird genau diese Gegenüberstellung – ob bewusst oder unwissend der Fakten – vorgenommen. Die Aussage des inzwischen mehr 8800 Mal geteilten und hundertfach kommentierten Beitrags (Stand: 23. April) ist eindeutig: Das, was in Deutschland von der Regierung verordnet wurde, hat völlig das Maß verloren.

Dieses Posting ist weiterhin online, wurde von Facebook jedoch mit dem Vermerk versehen, dass die verbreiten Informationen teilweise falsch sind

Tatsächlich gab es bis zum 13. April laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom selben Tag 2799 bestätigte Corona-Todesfälle in Deutschland. Der Wert beinhaltete sowohl Fälle, wo Covid-19 die Todesursache war („gestorben an“), wie auch die Fälle bestätigt Infizierter mit Vorerkrankungen, bei denen das Virus jedoch nicht nachweislich die Todesursache bildete („gestorben mit“). Wie das RKI Covid-19-Todesfälle erfasst, können Sie hier nachlesen. Die vom Account-Inhaber ausgewiesenen 3000 Corona-Toten waren zum damaligen Zeitpunkt also fast korrekt.

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Die 25.100 Grippetoten sind nur eine Schätzung

Anders verhält es sich jedoch mit den angeblich 25.100 Grippetoten in der Saison 2017/18, die tatsächlich eine schwere war. Aber: Beim vom RKI angegebenen Wert handelt es sich lediglich um eine statistische Schätzung der Todesfälle für den Zeitraum der Grippewelle, wie das Institut in seinem damaligen Saisonreport erklärte. Die Basis dafür bildet die sogenannte Exzess-Mortalität, bei der Experten „die der Influenza zugeschriebene Sterblichkeit mittels statistischer Verfahren“ schätzen, wie das Institut schreibt.

Dazu wird zunächst die sogenannte Hintergrundmortalität errechnet, also die erwartete Todesrate („Mortalität“) ohne Einfluss der Influenza. In einem zweiten Schritt wird dann überprüft, ob in der Grippesaison im Vergleich zu den anderen Monaten des Jahres mehr Menschen sterben. Wird ein Anstieg der Todesrate festgestellt, ordnen die Experten diese Todesfälle der Influenza zu. Dieser Wert wird als Exzess-Mortalität oder auch Übersterblichkeit bezeichnet, wie Sie unter anderem hier nachlesen können (Seite 34). Für die Saison 2017/18 wurde also nachträglich davon ausgegangen, dass es bis zu 25.100 Influenza-Tote gegeben haben könnte. Die Zahl der gemeldeten Grippetoten, also Fälle mit „laborbestätigter Influenza-Infektion“, belief sich jedoch auf „nur“ 1674 Fälle, wie das RKI schreibt. Zwischen Schätzung und bestätigten Fällen klafft also eine große Differenz. 

Influenza selten als Todesursache im Todesschein

Wie kann das sein? Wie unter anderem das Recherchezentrum „Correctiv.org“ unter Berufung auf RKI-Angaben schreibt, lassen sich die unterschiedlichen Zahlen auch damit begründen, dass Influenza häufig nicht als Todesursache in den Todesschein eingetragen wird, weil diese sich „hinter anderen Vorerkrankungen“ verberge. Ein Grund, warum das RKI die Mortalität schätzen muss und damit häufig auf deutlich mehr Todesfälle kommt, als es letztlich gegeben hat. 

Der im Facebook-Posting vorgenommene Vergleich hinkt also erheblich, irreführend ist er allemal. Man könnte auch sagen: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. 

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Wo sind die fehlenden 24.689 Grippetoten? 

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Beitrag einer Facebook-Seite, die mit rund 240.000 Abonnenten eine durchaus beachtliche Reichweite aufweist. Auch im nachfolgenden Posting werden die angeblich rund 25.000 Influenzatoten aus der Saison 2017/18 angeführt und in Bezug zu den 411 vom RKI gemeldeten Fällen für den Zeitraum zwischen Oktober 2019 und Anfang April 2010 gesetzt. Die Behauptung des Posts in Kurzfassung: Die fehlenden 24.489 Grippetoten im Vergleich zum Vorvorjahr werden jetzt einfach als Covid-19-Tote gezählt, um die Pandemie größer zu machen, als sie ist. 

Dieses Facebook-Posting ist inzwischen nicht mehr aufzufinden

Zu den Fakten: Das RKI bezifferte die Influenza-Todesfälle für den Zeitraum der 40. Kalenderwoche 2019 bis zum 3. April dieses Jahres tatsächlich auf 411 Fälle, wie es im Bericht zur Kalenderwoche 14/2020 heißt. Im Bericht für die Folgewoche ist von 434 Grippetoten die Rede. 

Die Facebook-Seite zieht also wie das obige Beispiel die Exzess-Schätzung für einen Vergleich heran. Richtigerweise müssten die 411 Fälle der aktuellen Saison jedoch mit den bereits erwähnten 1674 laborbestätigten Influenza-Todesfällen aus 2017/18 in Bezug gesetzt werden, wodurch man auf eine Differenz von 1263, nicht aber 24.689 Fällen kommt. Angesichts des Fakts, dass die Grippewelle 2017/18 eine ungewöhnlich schwere war, die aktuelle laut RKI jedoch bereits Mitte März abebbte und Deutschland seither kaum noch zu schaffen machte, ein nachvollziehbarer Wert.

Dieser passte aber wohl nicht ins Narrativ der Seite, die in diversen Beiträgen versucht, die derzeitige Situation als Panikmache verschiedenster Akteure darzustellen. Unter dem Posting selbst steht übrigens geschrieben: „Wer genau hinsieht, kennt die Antwort!“ Hätte der Autor das vor Veröffentlichung doch nur selbst einmal getan…

Quellen: Robert Koch-Institut / DPA-Faktencheck im Presseportal / „Pharmazeutische Zeitung“  / „correctiv.org“ / Facebook

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