Samstags geschlossen: Britische Apotheken machen am Wochenende gerne kurzfristig zu, vor allem solche, die von großen Ketten betrieben werden. Das sorgt nun für Streit.
In Großbritannien gibt es Streit um die Öffnungszeiten der Apotheken: Vor allem Filialen, die von großen Ketten betrieben werden, schließen samstags oft unvorhergesehen. Gerade in ländlichen Regionen droht die Versorgung dadurch gefährdet zu werden. Die Apotheken begründen die Schließungen mit Personalmangel. Das sei jedoch vorgeschoben, sagt die Pharmacists’ Defence Association (PDA), die Interessenvertretung der angestellten und selbstständig arbeitenden Apotheker. Vielmehr stecke finanzielles Kalkül dahinter, das Patientenwohl werde unnötig gefährdet. In einem Brandbrief hat sich die PDA nun an die Politik und den National Health Service (NHS) gewandt.
Das Problem, dass vor allem größere Ketten ihre Apotheken am Wochenende kurzfristig schließen, gibt es in Großbritannien schon länger und es spitzt sich in den Sommermonaten zu. Schon im vergangenen Jahr hatte die PDA immer wieder auf diesen Missstand hingewiesen. Die Non-Profit-Organisation repräsentiert mit rund 35.000 Mitgliedern neben den angestellten Apothekern auch die sogenannten „Locum Pharmacists“: So werden im britischen Gesundheitssystem selbstständige Apotheker genannt, die für wechselnde Auftraggeber tätig sind. Locum Pharmacists können bei Personalmangel oft auch kurzfristig einspringen. Der Umgang der großen Ketten mit ihnen ist dabei einer der Streitpunkte.
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Laut PDA werden die selbstständigen Apotheker von den großen Apothekenketten zunächst zu einem bestimmten Honorar beauftragt. Im Nachhinein versuchten die Auftraggeber dann häufig, das vereinbarte Honorar zu drücken. Werde das nicht akzeptiert, werde der Dienst annulliert und die Apotheke am entsprechenden Tag geschlossen. Gegenüber der Öffentlichkeit werde das dann mit einem Personalmangel begründet. „Solche Behauptungen sind ganz sicher unwahr, die Schließungen geschehen aus finanziellen Interessen und diese unethische Praxis gefährdet die Reputation des Berufsstands“, heißt es in dem Brief der PDA. Mitglieder der PDA hatten zum Beispiel berichtet, dass Tesco, eine der großen Supermarktketten in Großbritannien, die in ihren Filialen auch Apotheken betreibt, ihnen abgesagt hatte, als sie ein niedrigeres Gehalt als zunächst vereinbart nicht akzeptieren wollten.
Zuschüsse vom NHS
Versuche, etwas an der Situation zu ändern, hatte es bereits gegeben. Die meisten Apotheken in Großbritannien haben Verträge mit dem National Health Service und bekommen von diesem auch Zuschüsse. Der NHS erwartet dafür im Gegenzug, dass die Apotheken die Versorgung sicherstellen. Im vergangenen Jahr hatte sich der schottische NHS Lothian, der für die Region rund um die Hauptstadt Edinburgh zuständig ist, an die dort ansässigen Apotheken gewandt. Darin war in Bezug auf die kurzfristigen Schließungen von einer „fortbestehenden und eskalierenden Situation“ die Rede. Die Patientenfürsorge und der Zugang zu Medikamenten seien deutlich beeinträchtigt, hieß es. Der NHS erinnerte die Apotheke an ihre „klare Verpflichtung“, ihre Vertragsbedingungen mit dem NHS zu erfüllen. Bei einer unvorhergesehenen Schließung von länger als 30 Minuten müssten der NHS und die Arztpraxen in der Nähe benachrichtigt werden und es müssten Vorkehrungen für Methadon-Patienten und andere Personen gemacht werden, die verschriebene Arzneimittel abholen wollen.
Wie viele Apotheken diesen Verpflichtungen nachkommen, ist unklar. Der schottische NHS gab auf eine Parlamentsanfrage vom vergangenen Jahr an, die Zahlen der Schließungen würden „nicht zentral erfasst“. Die PDA hatte im vergangenen Sommer eine Umfrage in Schottland gestartet. Dabei wurde allein in einer Woche von 50 unvorhergesehenen halb- oder ganztägigen Schließungen berichtet, wobei die PDA nicht davon ausgeht, dass alle dem NHS gemeldet wurden.
In Wales drohen Konsequenzen
Ende Mai dieses Jahres drohte das Hywel Dda University Health Board, eine zum NHS gehörende Institution in Wales, den Apotheken in ihrer Region in einem Schreiben mit Konsequenzen: Seit mehreren Monaten sei die Zahl der kurzfristigen Schließungen so hoch wie noch nie. Zwar könnten Erkrankungen und Isolationen wegen COVID-19 sowie Personalmangel dazu beitragen, räumt das Health Board ein. Und wenn die Schließung außerhalb der Kontrolle der Apotheken liege, hätten diese grundsätzlich nichts zu befürchten. Es müssten aber drei Bedingungen erfüllt werden: Die Apotheken müssten den NHS so früh wie möglich über die Schließung informieren, nachweisen, dass sie diese nicht verhindern konnten und angemessene Anstrengungen unternehmen, so bald wie möglich wieder zu öffnen. Diese beiden letzten Bedingungen würden oft nicht erfüllt, so das Health Board, was einen Verstoß gegen die Vertragsbedingungen bedeute. Als letzte Möglichkeit behalte es sich nach einer Abmahnung Kürzungen bei der finanziellen Unterstützung der Apotheken vor. Das wurde aber offenbar bisher noch nicht umgesetzt.
Die PDA beklagt in ihrem aktuellen Brief, dass großen Ketten bisher keine echten Strafen drohen, wenn sie unvorhergesehen und aus Kalkül schließen. In Schottland soll der NHS laut PDA den Apotheken in einigen Regionen sogar in diesem Jahr erlaubt haben, im Juli und August samstags zu schließen. Kurzfristige Schließungen von Apotheken seien inzwischen weitverbreitet und würden instrumentalisiert. Das habe nicht nur ernsthafte Auswirkungen für die Patienten, deren Zugang zu Medikamenten beschränkt werde, sondern belaste andere Teile des National Health Service wie Ärzte, Notdienste und Notaufnahmen, die ohnehin schon unter Druck stünden, betont die PDA. Sie mutmaßt in ihrem Brief auch, große Ketten würden das Argument des Personalmangels benutzen, um die Regulierungen für Apotheken aufzuweichen. Vermutlich sei es ihr Ziel, die Regel abzuschaffen, dass Pharmazeuten in der Apotheke anwesend sein müssen. Der Brief endet mit einem nachdrücklichen Appell an die NHS und Politik: „Wir glauben, dass Sie in dieser Angelegenheit dringend und effektiv eingreifen müssen ohne weitere Verzögerung.”
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