Wie gut helfen Antidepressiva? Diese Frage wird selbst in Fachkreisen immer wieder kritisch diskutiert. Nun hat Stiftung Warentest gängige Wirkstoffe unter die Lupe genommen und bewertet die meisten als geeignet bei mittelschweren bis schweren Depressionen.
In der Januarausgabe des Jahres 2023 widmet sich Stiftung Warentest dem Thema Antidepressiva. Nebst allgemeinen Informationen rund um Depressionen und die medikamentöse Therapie wurden 25 verschreibungspflichtige Wirkstoffe bei mittelschweren und schweren Depressionen sowie verschreibungsfreie Johanniskrautpräparate untersucht. Nach Angaben des Verbraucherschutzmagazins haben Fachleute hierzu Studien hinsichtlich der Aspekte Wirksamkeit sowie Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgewertet. Da diese Kriterien auch bei der Arzneimittelzulassung eine wichtige Rolle spielen, überrascht nicht, dass keiner der untersuchten Wirkstoffe als „wenig geeignet“ durch den Test fällt.
Beste Bewertungsstufe für 15 von 25 untersuchten Wirkstoffen
In den Gruppen der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) erhalten beinahe alle Vertreter die Einschätzung „geeignet“ bei mittelschweren bis schweren Depressionen. Fluoxetin wird aufgrund der langen Halbwertzeit des Wirkstoffes selbst sowie seines Metaboliten Norfluoxetin als „mit Einschränkungen geeignet“ eingestuft. Dieses Testergebnis erhält auch Milnacipran, hier ist Stiftung Warentest die Datenlage zu dünn für ein besseres Testergebnis. Die untersuchten Trizyklischen Antidepressiva werden ebenfalls als „geeignet“ eingestuft. Hierbei wird, ganz im Sinne der PRISCUS-Liste, auch auf die weniger gute Eignung für geriatrische Patient:innen hingewiesen.
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Schlechter schneiden hingegen die Tetrazyklischen Antidepressiva ab: Lediglich Mirtazapin erhält die Bewertung „geeignet“. Bei Maprotilin kritisiert Stiftung Warentest die lange Halbwertszeit, bei Mianserin die seltene, aber gefährliche Nebenwirkung der Blutbildveränderung. Auch bei den Monoaminoxidase-Hemmern gibt Stiftung Warentest das zurückhaltende Urteil „mit Einschränkungen“ bzw. „auch geeignet“. Als Grund wird die mögliche Interaktion mit tyraminreichen Nahrungsmitteln, wie beispielsweise Käse, aufgeführt. Agomelatin, Bupropion, Tianeptin und Trazodon werden ebenfalls als „eingeschränkt geeignet“ bewertet. Grund an dieser Stelle: die nicht ganz so üppige Studienlage. Der vollständige Testbericht kann bei Stiftung Warentest nachgelesen werden.
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Wenn bei leichten bis mittelschweren Depressionen ein Therapieversuch mit rezeptfreien Johanniskraut-Präparaten unternommen wird, so rät die Verbraucherorganisation zu einem Gang in die Apotheke. Mehrere Präparate aus der Drogerie waren bereits in Ausgabe 11/20 untersucht und als „wenig geeignet“ befunden worden.
Serotonin-Hypothese wackelt
Auch die Fachwelt beschäftigt die Frage nach der Bedeutung der medikamentösen Therapie der Depression immer wieder. An der in den 1960er Jahren aufgestellten Monoamin-Mangel-Hypothese, also der Vermutung, dass Depressionen durch einen Mangel bestimmter Neurotransmitter im Gehirn ausgelöst werden, bestehen mittlerweile ernste Zweifel. Da die Mehrzahl der verfügbaren antidepressiven Wirkstoffe mechanistisch auf eine Erhöhung eben dieser Neurotransmitter abzielt, liegt es nahe, den Einsatz dieser Medikamente ebenfalls kritisch zu prüfen. Auch die Autor:innen der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depressionen“ erkennen diese Kritikpunkte als gerechtfertigt an. Eine klinische Relevanz der Arzneimitteltherapie sehen sie nach wie vor jedoch gegeben, „wenn auch die Wirkung zu Teilen auf Placebo- und unspezifische Effekte zurückzuführen und die Wirkungsdifferenz zu Placebo eher klein ist. Eine allein auf medikamentösen Ansätzen beruhende Behandlung“, so die Autor:innen „erscheint jedoch als nicht ausreichend.“
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