Drei Tage lang kein Essen oder Kaffee, stattdessen nur Saft, Saft, Saft: Ein Erfahrungsbericht

Auch wenn die Feiertage pandemiebedingt anders aussahen als in den Jahren zuvor, blieb eines gleich: es wurde geschlemmt, was das Zeug hält. Unmengen an Wein, Fleisch und Süßkram, die ich mir einverleibte und letztendlich zu Augenringen und engen Hosen führten. Alle Jahre wieder rufen dann im Januar sämtliche Diäten, Kuren und Sportprogramme meinen Namen. In diesem Jahr war es die dreitägige Saftkur eines Hamburger Herstellers, die mir von top-gestylten, durchtrainierten Influencern empfohlen wurde, deren Ruf ich erhörte.  

Obwohl die Jahreswende coronabedingt nur im kleinsten Kreis gefeiert werden konnte, wusste ich, dass die dennoch feuchtfröhliche Silvesterparty der Endgegner meiner ungesunden Eskapaden sein würde. Aus diesem Grund hatte ich mich vorbereitet und die Saftkur bereits vorher bestellt, sodass ich direkt im neuen Jahr mit der Entgiftung beginnen konnte. Jeden Tag standen sechs unterschiedliche Säfte auf dem Speiseplan – Sorten und Abfolge wiederholten sich sich dann täglich. Hochmotiviert und nach überwundenem Kater startete ich am Samstag, den 2. Januar. Ich hatte beschlossen, die Saftkur während meiner freien Tage zu absolvieren. Zu einem aus Angst vor meiner Laune und damit zum Schutz meiner Mitmenschen und zum anderen konnte ich ausschlafen und saß nicht bereits um acht Uhr morgens mit Hunger am Schreibtisch und musste mich durch den Vormittag quälen.

Tag eins der Saftkur:

Es war bereits zwölf Uhr. Gespannt drehte ich den Deckel meiner ersten Flasche ab. Auf mich wartete eine Mischung aus Apfel-, Gurken-, Ananas-, Zitronen- und Minzsaft. Für meinen Geschmackssinn ist der Saft in Ordnung. Direkt nach dem Trinken meldete sich jedoch mein Magen. Dass im Anschluss an den Saft kein Kaffee, Frühstücksei und Brötchen mit dickem Belag folgten, hatte mein Magen offenbar nicht erwartet. Er beschwerte sich mit Geknurre.

Ich hatte mich mental auf das Schlimmste vorbereitet: Wutanfälle, Heißhungerattacken, Futterneid, Schwächeanfälle und was sonst noch drohte. Eine Freundin erzählte mir zuvor von ihren Erfahrungen mit der dreitätigen Saftkur. Am zweiten Tag stritt sie mit ihrem Freund, weil er spät abends noch ein Brot mit Salami zu sich nahm. Nach dieser Geschichte konnte ich auch meinem Freund die zunehmende innerliche Panik anmerken. Mit harmlosem Magenknurren war ich an meinem ersten Tag der Saftkur also noch gut aufgestellt. Da ich 80 Euro für die Getränke ausgegeben hatte, stand für mich fest: Ich werde es durchziehen.

"Für Saft? 80 Euro einfach nur für Saft?", empörte sich mein Freundeskreis. Zugegeben: Das wirkte auf mich auch ziemlich teuer. Ich bekam 18 Flaschen mit je 320 Millilitern frischgepresstem Saft aus Gemüse und Obst und einem umgerechneten Stückpreis in Höhe von rund 4,40 Euro. Nach Abschluss der Saftkur ließ ich mich von Heike Niemeier, Ökotrophologin aus Hamburg und Autorin des Buches "Essen gut, alles gut", über Sinn und Unsinn der Maßnahme informieren. Der Preis schockiert auch sie. "Das Unternehmen scheint eine erfolgreiche Marketing-Strategie zu haben", sagt sie. 

Niemeier erklärt, worauf beim Kauf und der Durchführung von Saftkuren tatsächlich ankommt: "Es ist wichtig, dass die Säfte nicht erhitzt werden, ansonsten gehen die Vitamine verloren. Außerdem sollte der Hersteller dunkle Flaschen verwenden, denn Vitamine mögen kein Licht." In meinem Fall verwendete ich zwar kaltgepresste Säfte, allerdings wurden diese in lichtdurchlässigen Flaschen geliefert.

Grundsätzlich rät Niemeier jedoch von Kuren aus Fruchtsäften ab. "Säfte sind Fruchtzucker-Tsunamis", sagt sie. Bei einer Entgiftungskur gehe es darum, die Leber zu entlasten und zu reinigen. In diesem Fall habe die Leber jedoch mit jeder Menge Zucker zu kämpfen. Man fühle sich zwar leichter, aus gesundheitlicher Sicht, seien derartige Kuren jedoch bedenklich. Der Entgiftungsprozess finde nicht im vollen Umfang statt. Stattdessen solle man besser eine zuckerarme, eiweißhaltige Kur verwenden. "Eiweiß sättigt und sorgt dafür, dass die Muskeln erhalten bleiben", erklärt sie.

„Ich kämpfe mich durch die nächsten zwei Stunden“

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Zurück zu Tag eins der Kur: Ich kämpfte mich durch die nächsten zwei Stunden, schaute andauernd auf die Uhr und versuchte mich mit einem Spaziergang abzulenken ­– erst dann folgte Saft Nummer Zwei, bestehend aus Apfel- Karotten- und Zitronensaft. Ich gewöhnte mich etwas an das unangenehme Leeregefühl im Magen. Die Ablenkung tat gut. Auf diese Art versuchte ich dann schließlich den ersten Tag verfliegen zu lassen. Netflix-Serien, Wohnungsputz und Spaziergänge hielten mich auf Trab.

Die Zeit zwischen den Säften verging immer schneller – allerdings wurden die Fruchtbomben geschmacklich auch immer unangenehmer. Der dritte Saft bestand aus Avocado, Spinat und Birne, der vierte aus Rote Beete, Ingwer und Karotte und der fünfte aus Staudensellerie, Gurke und Blattspinat – dieser entpuppte sich als mein persönlicher Hass-Saft. Der sechste und letzte Saft des Tages überraschte mich dann plötzlich positiv. Die Mischung aus Mandel, Erdbeere, Dattel und Salz schmeckte wie ein gelungenes Dessert, das mir diesen wenig kulinarischen Tag dann doch noch versüßen sollte. Nun wusste ich, was in den nächsten zwei Tagen zumindest geschmacklich auf mich zukommt. "Machbar", dachte ich mir und ging mit einem Hungergefühl ins Bett.

Tag zwei der Saftkur:

Als ich am nächsten Tag wach wurde, fühlte ich mich wie jeden Morgen: müde. Die Versprechen meiner Saftkur-erfahrenen Freundinnen ließen auf sich warten: "Du wirst dich total fit fühlen, einfach energiegeladen". Davon merkte ich am zweiten Tag noch nichts. Mein Hungergefühl hatte sich allerdings in Luft aufgelöst und die Waage zeigte ein Kilo weniger an. Heike Niemeier erklärt das Phänomen: "Durch das Kaloriendefizit beginnt der Körper Wasser auszuschwemmen und Muskeln abzubauen, da die Eiweißzufuhr fehlt. Das ist jedoch nicht das Ziel einer guten Entgiftungskur." Weitere Nebenwirkungen können Kältegefühl, Durchfall und Schlappheit sein.

Anstatt mein Energielevel wie gewohnt mit Kaffee auf Hochtouren zu bringen, trank ich grünen Tee. Überraschenderweise war das sogar OK. Gegen späten Vormittag stand dann wieder ein Saft auf dem Speiseplan. Im Gegensatz zum Vortag schaute ich nicht andauernd auf die Uhr und hoffte, dass die zwei Stunden schnell vorübergehen und ich endlich den nächsten Saft trinken konnte –  die Säfte wurden mir egal. Ich dachte nur daran, mich abzulenken und den Tag zu überstehen. Mein Magen erinnerte mich kein einziges Mal daran, dass er leer war – das hat den zweiten Tag wesentlich angenehmer gemacht als den ersten.

Ich versuchte mich mit Netflix-Serien, Online-Shopping und Spaziergängen auf Trapp zu halten. Hart wurde es nur plötzlich, als mein Freund neben mir auf der Couch eine perfekt gebackene, nach Käse riechende Pizza aß. Das Einzige, das mich davon abhielt, ein Stück zu essen, war der Gedanke an die 80 Euro, die ich für die Saftkur bezahlt hatte.

Als ich abends ins Bett ging, fiel mir das Einschlafen schwer. Nicht wegen eines knurrenden Magens oder Hungergefühl – ich wusste nicht, warum ich nicht müde wurde. War das vielleicht die von meinen Freundinnen versprochene Energie?

Tag drei der Saftkur:

Auch am dritten Tag meiner Saftkur bemerkte ich keine Veränderungen – keinen Energieschub, keine plötzliche Lust auf einen Marathonlauf, keine unglaublich gute Laune. Es war ein Tag, wie jeder andere – nur halt ohne feste Nahrung. Sichtbar veränderte sich nur wieder die Zahl auf der Waage: ein weiteres Kilo weniger. 

Ich startete den letzten Tag meiner Saftkur wieder mit grünem Tee. Dann begann ich mir auszumalen, was ich essen werde, wenn die Kur vorbei ist. Meine Gedanken kreisten sich nur noch um Pizza, Pasta und andere Leckereien. Ich plante allerdings, meine Ernährung in den kommenden Tagen gesund fortzuführen.

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Später fuhren mein Freund und ich an die Ostsee für einen kleinen Spaziergang. In meiner Handtasche befanden sich drei Säfte für die kommenden Stunden. Auf dem Hinweg erwartete mich eine Zerreißprobe. Meinen Freund überkam plötzlich das Hungergefühl. Schließlich fuhren wir durch den Drive-in einer Fast-Food-Kette. Als Mitfahrer stiegen nun also Pommes, Cheeseburger und Chicken Nuggets ein und saßen direkt neben mir. Ich lenkte mich mit einem Saft ab und schaute nervös aus dem Beifahrerfenster bis mein Freund alles aufgegessen hatte. 

Als wir abends wieder zu Hause waren, trank ich literweise Tee und Gemüsebrühe. Beim Kauf der Brühe achtete ich darauf, dass kein Zucker enthalten ist. Durch das ständige Trinken lenkte ich mich ab. Auch an diesem Abend fiel mir das Einschlafen schwer. Mir war sehr kalt, obwohl ich mich mit einer Wärmflasche und zwei Decken versuchte warm zu halten. Meine Gedanken kreisten auch im Halbschlaf um das Essen, dass am nächsten Tag auf mich wartete. Irgendwann schlief ich schließlich ein.

Der erste Tag nach der Saftkur:

Als der Wecker um halb acht klingelte, weil meine freien Tage vorbei waren, war ich genervt wie jeden Morgen und torkelte in die Küche, um mir einen grünen Tee zu kochen. Der Energieschub blieb nach wie vor aus – Hunger hatte ich allerdings auch nicht. Und auch nach dem dritten Tag zeigte die Waage wieder ein Kilo weniger an. 

Ich beschloss schließlich mit dem Essen zu warten, bis das Hungergefühl einsetzt. Bis dahin saß ich vor dem Laptop und arbeitete bis zur Mittagspause – immer noch keinen Hunger. So kannte ich mich gar nicht. Auch die makellose, reine Haut war mir neu. Scheint, als hätte die Saftkur neben Kältegefühl, Heißhunger und Futterneid auch etwas Positives bewirkt. Beim Einkaufen achte ich bis heute auf viel frisches Gemüse, wenig Kohlenhydrate und wenig Fett. Ich bin hochmotiviert, mich weiterhin gesund zu ernähren. 

Erfahrungsbericht


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Zusammenfassend gehören zu den positiven Ergebnissen, dass sich mein Hautbild deutlich verbessert hat, das angenehme Leichtheitsgefühl in meinem Körper, die Motivation meine Ernährung umzustellen und der Stolz, dass ich es durchgezogen habe. Ich kann mir vorstellen, einen zweiten Anlauf im Sommer zu starten, da ich während der warmen Tage vermutlich leichter auf feste Nahrung verzichten könnte und stattdessen kühle Säfte oder Shakes bevorzugen würde. Allerdings werde ich dann eiweißreiche Produkte verwenden und mich nicht von Influencern und Marketingsstrategien blenden lassen – es kommt schließlich auf den Inhalt an, nicht auf die Verpackung. 

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