Antikörper zur Migräneprophylaxe – nur neu oder auch ein Therapiedurchbruch?

Im vergangenen Jahrkam der erste CGRP-Antikörper auf den deutschen Markt, ein weiterer ist bereitszugelassen. Sie sind die ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse, die spezifisch für die Migräneprophylaxe entwickeltwurde. Doch stellen die Antikörper auch einen therapeutischen Durchbruch dar,gab es hier ungedeckten Bedarf? Wir haben mit dem Bonner Pharmazeuten ProfessorGerd Bendas gesprochen, der auf der Interpharm 2019 diese Wirkstoffklasse vorstellenwird.

DAZ.online: In Ihrem Interpharm-Vortragwird es um CGRP-Antikörper gehen, die zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden.Es handelt sich dabei um ein völlig neues Wirkprinzip. Stellen die Antikörperihrer Meinung nach auch aus therapeutischer Sicht einen Durchbruch dar? Gab es hiereinen ungedeckten Bedarf?

Bendas: Angesichts der hohen Prävalenz der Migräneerkrankungvon über 10 Prozent und des Leidensdrucks der betroffenen Patienten existiertohne Zweifel ein ungedeckter Bedarf in der Optimierung der Pharmakotherapie,insbesondere der medikamentösen Prophylaxe. Die hierfür bisher eingesetzten leitliniengerechtenWirkstoffe sind unter anderem bestimmte Betablocker, der Calciumantagonist Flunarizinoder die Antiepileptika Topiramat oder Valproinsäure, die aber eben nicht fürdiese Indikation entwickelt wurden. Trotz einer evidenzbasierten Wirksamkeit weisensie diverse Anwendungsbeschränkungen für bestimmte Patienten und verschiedeneNebenwirkungen auf. Daraus resultiert eine bisher geringe Akzeptanz dermedikamentösen Prophylaxe, Fachkreise sprechen von nur circa 20 Prozent derbehandlungsbedürftigen Migränepatienten in der Prophylaxe. Auch die Adhärenzder Patienten in der Prophylaxe ist sehr gering. Dies könnte sich grundlegenddurch die CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide)-Antikörper ändern. Durch diefunktionelle Blockierung des CGRP wird erstmals eine Struktur gehemmt, dieunmittelbar in die Migränepathologie eingebunden ist. Daher zeigen dieAntikörper eine sehr gute Verträglichkeit und eine ausgesprochen geringeNebenwirkungsrate. Durch die nur einmal monatliche subkutane Applikation durchdie Patienten selbst resultiert hieraus eine wesentlich bessere Akzeptanz undAdhärenz der Patienten. Realistisch muss man aber feststellen, dass dertherapeutische Erfolg etwas hinter den erhofften Erwartungen der Studienzurückblieb und die bisherigen Wirkstoffe in der Prophylaxe nicht überflügelt. Für den direkten Vergleichfehlen aktuell aber auch Studiendaten. Also, ist dies nun ein therapeutischerDurchbruch? Hinsichtlich der therapeutischen Wirksamkeit eigentlich nurbedingt; aber absolut in Hinblick auf eine akzeptierte und nebenwirkungsarmeProphylaxe der Patienten bei hoher Adhärenz.

Am 15. und 16. Märzfindet in Stuttgart die Interpharm statt. Ein Themenblock deswissenschaftlichen Kongresses befasst mit den Wirkmechanismen innovativer Therapiekonzepte,unter anderem den CGRP-Antikörpern.

Das volle Programm und weitere Informationen finden Sie hier.

DAZ.online: Preislichspielen die Antikörper in einer ganz anderen Liga als andere, zum Teil auch guterprobte Arzneimittel zur Migräneprophylaxe. Sollen die also erst zum Einsatzkommen, wenn alle anderen Möglichkeitennicht wirksam waren? In der Zulassung gibt es so eine Einschränkung ja nicht.

Bendas: Das ist ein sehr entscheidender Punkt, derzweifelsohne die zukünftige therapeutische Anwendung der CGRP-Antikörperdeutlich limitieren wird. Vergleicht man den ersten zugelassenen AntikörperErenumab mit Propranolol oder Metoprolol hinsichtlich der Kosten in derMigräneprophylaxe, wird es in Anbetracht der bis zu 100fach höheren täglichenTherapiekosten des Antikörpers zwingend notwendig sein, über Preise zu reden.Aus der therapeutischen Zulassung ergeben sich diese Anwendungsbeschränkungennicht. Entscheidend für eine mögliche Kostenerstattung und damit Anwendung inbestimmten Patientengruppen wird das gegenwärtig Bewertungsverfahren durch den GemeinsamenBundesausschuss sein. Der Hersteller hat hierfür eine vorerst zeitlichlimitierte Erstattung der Therapiekosten für solche schwer betroffenenMigränepatienten beantragt, bei denen vorangegangene vier beziehungsweise fünf Therapieversuche der Prophylaxe (episodischebeziehungsweise chronische Migräne) erfolglos verlaufen sind. 

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