Copsy

Copsy-Studie: Die psychische Belastung von Kindern ist weiterhin hoch, aber leicht rückläufig (Symbolbild)

Justin Paget / Getty Images

Sie sitzen frierend in gut gelüfteten Klassenzimmern oder auch allein zu Hause in Quarantäne: Corona bestimmt das Leben von Kindern und Jugendlichen in Deutschland immer noch stark. Wie es ihnen in der Krise psychisch geht, zeigt die groß angelegte Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Sie erfasst in regelmäßigen Abständen die Gemütslage der 7- bis 17-Jährigen. Jüngster Zwischenstand: Die psychische Belastung der jungen Menschen ist weiterhin hoch, aber leicht rückläufig.

Genauer gesagt war dies die Lage im vergangenen Herbst. Da hatten sich mehr als 1100 Kinder und Jugendliche und 1600 Eltern an der dritten Befragungsrunde der Copsy-Studie (Corona und Psyche) beteiligt. Die Ergebnisse, die an diesem Mittwoch vorgestellt wurden, bilden also die seelische Verfassung der Jüngsten mit einigen Monaten Verzögerung ab.

Im September 2021 hatte das Schuljahr gerade weitgehend normal begonnen, die Hoffnung war insgesamt groß, Deutschland könne sich aus der Pandemie »herausimpfen«, und von Omikron redete noch kaum einer. All das wirkte sich offenbar positiv auf die Psyche aus. Gleichzeitig lösten sich trotz der vergleichsweise lockeren Bedingungen nicht alle Knoten sofort auf, die sich zuvor gebildet hatten.

»Nach einer langen Phase der Belastung zu Beginn der Pandemie haben sich die Lebensqualität und das psychische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen im Herbst 2021 leicht verbessert«, so fasste die Leiterin der Studie, Ulrike Ravens-Sieberer, die Lage zusammen. Allerdings fühlten sich auch eineinhalb Jahre nach Pandemiebeginn mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt.

Belastung pendelt sich auf hohem Niveau ein

Hatte sich im ersten Pandemiewinter noch fast jedes dritte Kind psychisch auffällig gezeigt, gab es hier nun einen ganz leichten positiven Trend. Im Herbst 2021 wiesen den Angaben zufolge etwas weniger Kinder psychische Auffälligkeiten auf. Es war aber immer noch deutlich mehr als jedes vierte Kind, vor Corona war es nicht einmal jedes fünfte. Konkret seien Ängstlichkeit und depressive Symptome leicht zurückgegangen.

Trotz dieser leichten Verbesserungen fühlten sich immer noch acht von zehn Kindern und Jugendlichen durch die Coronapandemie belastet. Dieses »Belastungserleben« habe im Pandemieverlauf zunächst zugenommen und sich nun in der dritten Befragung auf hohem Niveau stabilisiert.

Psychosomatische Stresssymptome wie Gereiztheit, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit würden weiterhin deutlich häufiger auftreten als vor der Krise, teilt die Studienautorin mit. Kopf- und Bauchschmerzen hätten sogar noch einmal leicht zugenommen im Vergleich zu den beiden früheren Befragungen. Die erste hatte im Frühjahr 2020 stattgefunden, nach dem ersten Lockdown, die zweite während des zweiten Lockdowns im Winter 2020/21.

Die Zahlen aus dem Herbst seien im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten zwar immer noch hoch, sagte Ravens-Sieberer, aber sie sieht keinen Grund für Alarmismus. »Wir wissen auch, dass nicht alle Kinder, die belastet sind, mit einer Angststörung oder Depression reagieren.« Aus den psychischen Auffälligkeiten müssen sich also nicht zwingend psychische Erkrankungen entwickeln.

In der COPSY-Studie untersuchen Forscherinnen und Forscher die Auswirkungen und Folgen der Coronapandemie auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Dafür befragten sie nach den Sommerferien von Mitte September bis Mitte Oktober 2021 mehr als 1.100 Kinder und Jugendliche und mehr als 1.600 Eltern mittels Online-Fragebogen.

Fast 75 Prozent der befragten Kinder und Eltern hatten bereits an der ersten Befragung nach dem ersten Lockdown im Mai/Juni 2020 und an der zweiten Befragung während des zweiten Lockdowns im Dezember 2020/Januar 2021 teilgenommen. Die 11- bis 17-Jährigen füllten ihre Fragebögen selbst aus. Für die 7- bis 10-Jährigen antworteten die Eltern. Auch dieses Mal bilden die Befragten die Bevölkerungsstruktur von Familien mit Kindern im Alter von 7 und 17 Jahren ab.

Kinder lebten wieder etwas gesünder und entspannter

Insgesamt war der Copsy-Studie zufolge im vergangenen Herbst wieder ein wenig mehr Normalität in Kindheit und Jugend zurückgekehrt als im Verlauf der ersten beiden Befragungen, und die 7- bis 17-Jährigen lebten wieder etwas gesünder und entspannter.

  • Zwar aß noch jedes fünfte Kind mehr Süßigkeiten als vor der Pandemie, aber der Medienkonsum war etwas zurückgegangen, und Kinder und Jugendliche machten wieder mehr Sport als bei den ersten beiden Befragungen.

  • Kinder und Jugendlichen berichteten weniger über Streit in der Familie und weniger über schulische Probleme. Sie hatten zudem nach eigener Einschätzung wieder ein besseres Verhältnis zu ihren Freunden im Vergleich zu den beiden früheren Befragungen.

  • Schülerinnen und Schüler, die sich selbst gut strukturieren und gut planen können, kamen mit den schulischen Anforderungen besser klar. Rund die Hälfte der Kinder und Jugendlichen empfand jedoch Schule und Lernen weiterhin als anstrengender im Vergleich zu vor Corona.

  • Auch die Mehrheit der Eltern (etwa 80 Prozent) fühlte sich weiterhin durch die Pandemie belastet, signalisierte aber, den Alltag besser organisiert zu bekommen. Mütter und Väter gaben außerdem weniger depressive Symptome an.

Alles in allem zeigt sich die Studienautorin angesichts der Ergebnisse optimistisch, betont aber auch, wie wichtig Normalität und ein stabiles Umfeld für junge Menschen sind.




»Die meisten Kinder und Jugendlichen werden die Krise vermutlich gut überstehen«, sagte Ravens-Sieberer. Das gelte vor allem für diejenigen Kinder aus stabilen Verhältnissen. »Familie ist und bleibt eine der wichtigsten Ressourcen, um gut durch die Pandemie zu kommen«, betont die Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE.

Man habe in dieser dritten Befragungsrunde aber auch gemerkt, dass das Ende der strikten Kontaktbeschränkungen, die Öffnung der Schulen sowie der Sport- und Freizeitangebote zum psychischen Wohlbefinden und zur Steigerung der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen beigetragen hätten. Wie sich die aktuelle Situation auf die Gemütslage von Kindern und Jugendlichen auswirkt, müssen weitere Forschungen zeigen.

Flächendeckende Schulschließungen gibt es derzeit nicht. Regional sind einige Schulen aber wegen hoher Infektionszahlen oder Krankheitsfällen zumindest teilweise geschlossen. Etliche Schülerinnen und Schüler sind in Quarantäne; in Bundesländern wie Berlin ist die Präsenzpflicht aufgehoben.

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