Die Coronazahlen steigen. Obwohl die meisten Infektionen glimpflich verlaufen, erreicht die Welle inzwischen die Krankenhäuser. Erste Mediziner berichten bereits von verschobenen Operationen, Personalausfälle verschärfen die Situation. Die Corona-Lage im Klinik-Zahlen-Check.
Die Omikron-Herbstwelle rollt gerade an, bestätigt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der Pressekonferenz am Donnerstag. Fast überall geht die Zahl der Neuinfektionen nach oben.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz mit 462 an. Zum Vergleich: Im Vormonat waren es noch 219. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer. Experten gehen seit einiger Zeit davon aus, dass bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen.
Wie ist die Lage also tatsächlich? Das lässt sich beispielsweise an den Kliniken ablesen.
Corona-Lage auf den Normalstationen der Krankenhäuser
Zwar kann die Lage auf den Normalstationen regional sehr stark variieren. Doch die Daten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zeigen einen deutschlandweit drastischen Anstieg.
Demnach stieg die Zahl von Corona-positiv getesteten Patientinnen und Patienten auf den Normalstationen im Vergleich zur Vorwoche um 51,7 Prozent (Stand: 5. Oktober). Der stärkste Anstieg wurde im Saarland (82,8 Prozent), in Bayern (70,1 Prozent) und Schleswig-Holstein (69,7 Prozent) gemeldet. Nur in Hamburg blieb der Anteil von Covid-19-Behandelten gleich. Mecklenburg-Vorpommern bleibt gewissermaßen ein weißer Fleck auf der Corona-Landkarte. Denn seit dem 1. Juni 2022 werden die Belegungszahlen dort nicht mehr erhoben und fließen somit nicht mehr in die bundesweiten Ergebnisse ein.
Corona-Lage auf den Intensivstationen
Auch die Zahl der Corona-Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, steigt merklich an. Hier hat sich die Zahl seit Mitte September deutschlandweit verdoppelt.
So werden derzeit gut 1300 Corona-Patienten intensivmedizinisch behandelt, vor einer Woche waren es noch 858, vor zwei Wochen 705 Patienten. Damit liegt die Zahl zwar immer noch deutlich unter den Werten von Januar, April oder März vergangenen Jahres.
Aber: Mit einem allgemeinen Wachstum von 54,3 Prozent gegenüber der Vorwoche ist die Dynamik auf den Intensivstationen sogar noch ein wenig höher als auf den Normalstationen. Am stärksten betroffen sind laut den Daten des DKG
- das Saarland (120,8 Prozent),
- Schleswig-Holstein (118,2 Prozent) und
- Brandenburg (87,0 Prozent).
In Bayern wurde zwar zuletzt „nur“ ein Anstieg von 48,2 Prozent gemeldet, seit Beginn des Oktoberfest sind es aber deutliche 144 Prozent. Hamburg konnte als einziges Bundesland einen Rückgang (13,0 Prozent) verzeichnen. Aus Mecklenburg-Vorpommern gibt es keine Daten.
Sorge macht der Blick auf die freien Intensivbetten
Sorge macht der Blick auf die noch verfügbaren Intensivbetten. In Bremen, Berlin und Hessen sind es weniger als zehn Prozent. Saarland, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt liegen nur knapp darüber.
Zur Erklärung: Im Durchschnitt verfügt eine Intensivstation über zehn bis zwölf Betten. Eine Verfügbarkeit von zehn Prozent bedeutet demnach ein freies Bett. Fällt der Anteil darunter, ist kein Bett mehr frei, um Notfälle wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, Unfallopfer oder auch Corona-Notfälle zu behandeln.
Corona-Lage in Kliniken: „Wunschdenken vom Ende der Pandemie löst sich hier gerade auf“
Auch erste Mediziner schlagen Alarm: „Die aktuelle Coronalage in München ist desaströs, die Zahl der Corona-Patienten steigt – wie es zu erwarten war – extrem schnell“, sagt Professor Bernhard Heindl von den Uniklinken in München auf Nachfrage zu FOCUS online. Auch die Zahl der erkrankten Mitarbeiter sei „hoch“. Heindl: „Es kommt zu Einschränkungen planbarer OPs und in Einzelfällen zu Stationsschließungen. Die Situation in den Notaufnahmen in München ist sehr angespannt.“
Lungenfacharzt Cihan Çelik vom Klinikum Darmstadt zeichnet ein ähnliches Bild: „Die Covid-Dynamik nimmt weiter Fahrt auf“, schreibt der Leiter der Corona-Normalstation auf Twitter und berichtet von einem Anstieg von 21 auf 70 stationäre Corona-Patienten innerhalb von nur zwölf Tagen. Planbares müsse bereits verschoben werden. „Das Wunschdenken vom Ende der Pandemie löst sich hier gerade auf“, resümiert der Mediziner.
Impfung bleibt bester Schutz
Was also tun? Die Impfung gilt weiter als bester Schutz gegen einen schweren Verlauf. Auch was neue Varianten betrifft. Aktuell warnen Experten insbesondere vor einer Ausbreitung von BQ.1.1. Zwar lassen sich bislang noch keine finalen Aussagen über die Wirksamkeit der Impfungen in Bezug auf BQ.1.1 treffen. Da es sich bei BQ.1.1 aber um einen BA.5-Nachkommen handelt, schätzen Experten das daran angepasste Vakzin als am sinnvollsten ein. „Der BA.5-Booster schützt also am besten“, schreibt etwa Biochemiker und Cambridge-Forscher Cornelius Römer.
Der an BA.1 angepasste Impfstoff sei immerhin besser als der gegen den Wildtyp, der wiederum besser als überhaupt keiner. Sprich: Die Impfung ist in jedem Fall sinnvoll, die neueren Vakzine bieten aber Römer zufolge den besten Schutz. „Sieht aus, als wäre jetzt ein ziemlich guter Zeitpunkt, um sich einen Booster zu holen.“
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