Süßstoffe geraten immer mehr in Verruf. Jetzt belegen Forscher der Universität in München, dass die Einnahme des Zuckerersatzes auch die Genaktivität und die Produktion von Botenstoffen verändert. Dies könnte zu stärkeren Reaktionen auf Immunreize und Bakterien führen.
Schon ein paar Gläser eines Light-Getränks können die Aktivität unserer Immunzellen beeinflussen, wie ein Experiment belegt. Demnach kann die Einnahme des für solche Getränke typischen Süßstoff-Cocktails das Verhalten der Weißen Blutkörperchen verändern: Sie modulieren ihre Genaktivität und auch die Produktion bestimmter Immunbotenstoffe. Dies könnte die Reaktion dieser Immunzellen auf Erreger, aber auch körpereigene Reizstoffe beeinflussen.
Süßstoffe galten lange als gesunde weil kalorienarme Alternative zu Zucker. Doch inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, dass auch Stevia, Aspartam oder Saccharin nicht ohne sind: Die Zuckerersatzstoffe können Diabetes fördern, den Appetit anregen und die Darmflora aus dem Gleichgewicht bringen. Der Süßstoff Erythrit steht zudem unter Verdacht, Blutgerinnsel zu verursachen und damit das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle zu erhöhen.
Süßstoffe verändern Genaktivität und Botenstoffproduktion
Welchen Effekt gängige Süßstoffe auf unser Immunsystem haben, haben nun Thomas Skurk von der Technischen Universität München und seine Kollegen untersucht. Dafür testeten sie zunächst in vitro, wie sich der Zusatz von Saccharin auf menschliche Weiße Blutkörperchen in Kultur auswirkt. Dabei zeigte sich, dass die Neutrophile in Reaktion auf den Süßstoff das Ablesen von mindestens 14 ihrer Gene signifikant erhöhten.
Betroffen waren davon auch einige Gene, die Immunbotenstoffe kodieren. „Die stärkste Erhöhung der Transkription zeigte sich bei drei Chemokinen, CCL26, CCL2 und CXCL1“, berichtet das Team. „Diese Botenstoffe sind chemische Lockstoffe für eine breite Spanne von weißen Blutkörperchen, darunter die Neutrophilen.“ Auch die Gene für einige Süß- und Immunrezeptoren auf der Zelloberfläche waren unter Süßstoffeinfluss hochreguliert. Ein ähnlicher Effekt zeigte sich, wenn die Neutrophile einer Mischung gängiger Süßstoffe ausgesetzt wurden.
Effekte halten stundenlang an
Die entscheidende Frage ist jedoch, ob solche Effekte auch dann auftreten, wenn ein Mensch die Süßstoffe mit der Nahrung oder mit Getränken zu sich nimmt. Auch das haben Skurk und seine Kollegen getestet. Dafür tranken fünf Testpersonen eine Süßstofflösung, die pro Liter einen getränketypischen Mix aus ca. 76 mg Saccharin, 228 mg Cyclamat und 53 mg Acesulfam-K enthielt. Diese Mengen nimmt man in etwa auf, wenn man einen Dreiviertelliter Light-Limonade trinkt.
In Abständen von vier, acht und 14 Stunden nach Aufnahme dieses Testgetränks entnahmen die Forschenden ihren Testpersonen Blut und analysierten die Genaktivität und das Verhalten der Weißen Blutkörperchen.
Das Ergebnis: Etwa vier Stunden nach dem Trinken der Testlösung zeigten sich auch im Blut deutlich erhöhte Süßstoffkonzentrationen. Die Transkription der Weißen Blutkörperchen war dadurch ähnlich wie schon in den Laborversuchen verändert. „In dieser frühen Phase der Süßstoff-Versuchs war dies vor allem an den Cytokinen ablesbar“, berichtet das Team. Diese Immunbotenstoffe spielen unter anderem eine Rolle für die Erregerabwehr und Entzündungen. 24 Stunden nach der Süßstoff-Einnahme zeigte sich die veränderte Genregulation dagegen an verschiedenen Rezeptoren der Neutrophilen.
Stärkere Reaktion auf Bakterien und Immunreize möglich
„Unsere Resultate weisen darauf hin, dass bereits eine durchschnittliche Süßstoffaufnahme Immunzellen im Blut beeinflussen kann“, sagt Seniorautor Dietmar Krautwurst vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie in Freising. „Ob dies gesundheitlich gut oder schlecht ist, können wir zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht sagen.“ In jedem Fall legen die Ergebnisse aber nahe, dass auch Weiße Blutkörperchen über ihre Rezeptoren auf die ins Blut gelangten Süßstoffe reagieren.
Den Analysen zufolge könnte das modulierte Transkriptionsprofil die Immunzellen dazu bringen, zumindest in Gegenwart der drei untersuchten Süßstoffe stärker auf Bakterien und andere Immunreize zu reagieren. „Unsere Daten lassen uns annehmen, dass diese Modulation die Immunzellen in einen Zustand versetzt, der sie empfindlicher auf Immunstimuli reagieren lässt“, sagt Krautwurst. „Hierzu bedarf es weiterer Forschung.“ (Nutrients, 2023; doi: 10.3390/nu15051260)
Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
Von Nadja Podbregar
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Das Original zu diesem Beitrag „Umstrittene Süßstoffe beeinflussen unsere Immunzellen“ stammt von scinexx.
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