Das ursprünglich tropische West-Nil-Virus hat sich dank des Klimawandels in Deutschland etabliert. Es wird durch heimische Stechmücken übertragen und kann grippeähnliche Symptome hervorrufen. Wir klären die wichtigsten Fragen.
Bislang waren Mückenstiche vor allem lästig, nun scheint sich aber auch in Deutschland das von ihnen übertragene West-Nil-Virus zu verbreiten. Kein Grund zur Panik, sagen Experten. Doch in einzelnen Fällen kann das West-Nil-Virus auch gefährlich werden. Wir klären die wichtigsten Fragen.
Was ist das West-Nil-Virus?
Das West-Nil-Virus ist ein einzelsträngiges umhülltes RNA-Virus. Erstmals wurde es 1937 in der Region „West-Nil“ in Uganda entdeckt. Inzwischen ist der Erreger in weiten Teilen Afrikas, Asiens und im südlichen Europa heimisch.
Wie stark ist Deutschland und Europa betroffen?
Häufig betroffen sind laut Robert Koch-Institut Italien, Griechenland, Frankreich und weite Teile des Balkans, weiter nördlich auch Teile von Rumänien, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Österreich. Auch die Türkei ist betroffen. Eine Übersicht über die betroffenen Gebiete stellt das ECDC zur Verfügung.
In Deutschland wurden bislang lediglich Einzelfälle registriert. Nach Angaben des RKI erstmals im Jahr 2018 bei Vögeln und Pferden, im Spätsommer 2019 gab es dann erstmals durch Mücken übertragene Erkrankungsfälle bei Menschen. Auch in den darauffolgenden Jahren wurden Infektionen, insbesondere in Ostdeutschland, berichtet (2020: 22 Infektionen; 2021: 4 Infektionen; 2022: 17 Infektionen). Ein älterer männlicher Patient verstarb 2020.
Alle gemeldeten Fälle traten in Landkreisen mit zuvor dokumentierten West-Nil-Virus-Infektionen bei Vögeln und Pferden auf, die sich im Wesentlichen auf das mittlere Ostdeutschland konzentrierten, berichtet das Friedrich-Loeffler-Institut (Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit).
Das RKI geht von einer Dunkelziffer aus und davon, dass die Zahlen steigen werden. „Das Vorkommen von West-Nil-Virus-Erkrankungsfällen über mehrere Jahre zeigt an, dass das West-Nil-Virus auch in Deutschland überwintert und im Sommer ausreichend günstige klimatische Bedingungen vorfindet“, schreiben die Experten. „Es ist damit zu rechnen, dass sich das West-Nil-Virus in Deutschland weiter etabliert und es in den kommenden Jahren insbesondere in den schon bestehenden Gebieten, aber vielleicht auch in weiteren Gebieten, zu einem saisonalen Vorkommen von West-Nil-Virus-Erkrankungsfällen kommen wird.“
Wie wird das West-Nil-Virus übertragen?
Blutsaugende Stechmücken übertragen das Virus. Das müssen keine tropischen Tiere sein, wie etwa die asiatische Tigermücke. Auch alle heimischen Mücken können West-Nil-Viren weitergeben, wenn sie zuvor ein infiziertes Tier (meist Vögel) gestochen haben. Nach Deutschland wurde das West-Nil-Virus aller Wahrscheinlichkeit nach von Zugvögeln eingeschleppt, die sich irgendwo im Süden infiziert hatten.
Kann ich mich auch bei einem Infizierten anstecken?
Das Virus befällt vorwiegend Vögel, kann aber auch Pferde und Menschen infizieren. „Für eine Infektion braucht es allerdings immer den Weg über infizierte Mücken“, sagt Kristin Schalkowski vom Friedrich-Loeffler-Institut. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch gilt als ausgeschlossen.
Welche Symptome löst das West-Nil-Virus aus?
Eine Infektion mit dem West-Nil-Virus verläuft nach Angabe des Robert Koch-Instituts meist unauffällig. Nur etwa 20 Prozent entwickeln eine grippeähnliche Erkrankung mit Fieber („West-Nil-Fieber“) mit
- Fieber,
- Schüttelfrost,
- Kopf- und Rückenschmerzen,
- Abgeschlagenheit und
- Lymphknotenschwellungen.
Jeder Zweite mit Grippe-Symptomen entwickelt zudem einen Hautausschlag , der sich über den ganzen Körper ausbreiten kann. Er erinnert an Masern. In der Regel heilt die Infektion ohne Komplikationen aus. Die Abgeschlagenheit kann allerdings längere Zeit anhalten.
Problematisch kann eine Infektion vor allem für ältere Menschen und welche mit einer Vorerkrankung werden. In seltenen Fällen kann es zu hohem Fieber und einer Hirnhautentzündung (Meningitis) kommen, die aber meist gutartig verläuft. Schlimmstenfalls droht vereinzelt eine Gehirnentzündung (Enzephalitis), die zu bleibenden neurologischen Schäden und sogar zum Tode führen kann. Studien zeigten, dass in neu befallenen Gebieten die Rate der schweren Erkrankungen bei 1 zu 1000 Infizierten liege, sagte Virologe Christian Drosten in einem Interview mit der Funke Mediengruppe.
Zwischen Infektion und den ersten Symptomen können zwei bis 14 Tage liegen. Bei einem Verdacht sollten Sie immer Ihren Hausarzt aufsuchen.
Wie wird eine Infektion mit dem West-Nil-Virus behandelt?
Es gibt bislang kein Mittel und auch keine Impfung gegen das West-Nil-Virus. Entsprechend erfolgt die Behandlung über die auftretenden Symptome, zum Beispiel durch ein fiebersenkendes Mittel. Gerade gefährdete Personen sollten sich entsprechend gut vor Stichen schützen.
Wie kann ich mich schützen?
Eine Impfung gibt es bisher nicht. Bei Reisen in betroffene Gebiete ( Auswärtiges Amt informiert ) bleibt nur der übliche Schutz vor Mücken wie Moskitonetz oder Repellent. Experten empfehlen ein Mückenspray, wie es auch für Reisen in die Tropen geeignet ist.
Möglicherweise werde es demnächst einen Impfstoff gegen das West-Nil-Virus geben, stellte Drosten in Aussicht. Die Forschung dazu laufe. Drosten wies darauf hin, dass es für eine eng verwandte Erkrankung bereits einen Impfstoff gebe: für die von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
Asiatische Tigermücke, Gelbfiebermücke – auch vermehrt tropische Mückenarten in Europa
Neben den zunehmenden Gefahren durch heimische Mückenarten, breiten sich in Europa durch den Klimawandel auch vermehrt tropische Tiere aus. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte kürzlich vor einem steigenden Risiko für durch Mücken übertragene Krankheiten.
Eine von ihnen ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Sie ist in Südeuropa schon länger heimisch, seit einiger Zeit breitet sie sich auch in Deutschland aus. Sie kann Dutzende Viren übertragen, darunter potenziell tödliche Erreger wie Dengue-, Chikungunya- und Zika-Virus. In Deutschland gibt es bisher keinen bekannten Fall einer solchen Ansteckung, in benachbarten Ländern allerdings schon: In Südfrankreich zum Beispiel wurden mehrfach Zika-Infektionen durch dort heimische Tigermücken gemeldet. Nachgewiesene Dengue-Infektionen gab es etwa auf Madeira sowie in Kroatien und Frankreich. Auch Chikungunya-Ausbrüche gab es im Mittelmeerraum bereits.
Die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) hat sich demnach seit vergangenem Jahr auf Zypern etabliert und könnte sich auch auf andere europäische Länder ausbreiten. Sie überträgt unter anderem Dengue-, Gelbfieber- und Zika-Viren.
In den vergangenen Jahren habe man eine geografische Ausbreitung invasiver Mückenarten in zuvor nicht betroffene Gebiete in der EU und dem EWR beobachtet, erklärte die deutsche ECDC-Direktorin Andrea Ammon. „Wenn das so weitergeht, können wir mit mehr Fällen und möglicherweise Todesfällen durch Krankheiten wie Dengue-, Chikungunya- und West-Nil-Fieber rechnen.“ Man müsse den Fokus darauf legen, die Mückenpopulationen zu kontrollieren, die Überwachung zu verbessern und persönliche Schutzmaßnahmen durchzusetzen.
Mehr Infos: Gesundheit – Asiatische Tigermücke breitet sich in Europa weiter aus
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