Was versteht man eigentlich unter einem Verdauungstee?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat im November die finale Monographie des HMPC (Herbal Medicinal Products Committee) zu Verdauungstees (Species digestivae) veröffentlicht. Da zwischen den Jahren einem das Essen gerne mal schwer im Magen liegt, hat sich die DAZ die neue Monographie genauer angeschaut: Welche Teedrogen sind in Verdauungstees üblich und wie viele werden sinnvollerweise miteinander kombiniert? Gibt es Nebenwirkungen?

In der Apotheke gibt es eine breite Palette von Tee-Sorten und verschiedenen Anbietern. Einen „Verdauungstee“ bieten zahlreiche Marken an. Zum Beispiel Sidroga einen „Verdauungs- und Gallentee“, der als Wirkstoffe

  • Löwenzahnkraut mit Wurzel,
  • Schafgarbenkraut und
  • Pfefferminzblätter enthält.

Außerdem ist Kümmel enthalten. Das Anwendungsgebiet laut Hersteller lautet: „Traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Anregung der Gallenfunktion zur Linderung leichter Beschwerden von Verdauungsstörungen wie Völlegefühl und Blähungen bei Erwachsenen.“

Von H&S gibt es beispielsweise einen „Magen- und Darmtee“ für „Magen- und Darmbeschwerden wie Völlegefühl, Blähungen und leichte krampfartige Magen-Darm-Störungen“ sowie nervöse Herz-Magen-Beschwerden. Als wirksame Bestandteile werden 

  • Kamillenblüten 40 Prozent,
  • Pfefferminzblätter 40 Prozent und
  • Süßholzwurzeln 15 Prozent angegeben.

Ansonsten sind noch Melissenblätter enthalten. Währenddessen bietet Aurica eine Kräuterteemischung speziell mit dem Namen „Verdauungstee“ an. Dabei handelt es sich allerdings um ein Lebensmittel und kein Arzneimittel. Salus hingegen führt einen Arzneitee mit dem Namen Verdauungstee – „zur Unterstützung bei der Behandlung von nichtentzündlichen Gallenblasenbeschwerden und bei Störungen im Bereich des Gallenabflusses; Beschwerden im Bereich von Magen und Darm wie Völlegefühl, Blähungen und Verdauungsbeschwerden“.  Als wirksame Bestandteile sind 

  • Javanische Gelbwurz,
  • Löwenzahn,
  • Pfefferminzblätter und
  • Schafgarbenkraut enthalten.

Bitterer Fenchel, Kamillenblüten, Süßholzwurzel und Wermutkraut sind weitere Bestandteile. Es gibt also offensichtlich nicht den einen „Verdauungstee“ und entsprechend beschreibt auch eine neue HMPC-Monographie dazu verschiedene Kombinationsmöglichkeiten von Teedrogen, die im Magen-Darm-Bereich wirken.

Welche Teedrogen sind in Verdauungstees üblich?

Im Fazit der HMPC-Bewertung heißt es, dass für die folgenden pflanzlichen Stoffe eine EU-Monographie erstellt wurde und jene traditionell in Tee-Kombinationen eingesetzt werden – mit der Indikation „traditionell pflanzliches Arzneimittel zur symptomatischen Behandlung von milden dyspeptischen / gastrointestinalen Beschwerden wie Blähungen und Flatulenz“. Die fett markierten Arzneidrogen sind in den oben genannten Beispielpräparaten enthalten. 

Absinthii herba (Wermutkraut), Althaeae radix (Eibischwurzel), Anisi fructus (Anisfrüchte), Boldi folium (Boldoblätter), Carvi fructus (Kümmelfrüchte), Centaurii herba (Tausendgüldenkraut), Cinnamomi cortex (Zimtrinde), Curcumae xanthorrhizae rhizoma (Javanischer Gelbwurzelstock), Foeniculi amari fructus (Bittere Fenchelfrüchte), Foeniculi dulcis fructus (Süße Fenchelfrüchte), Fumariae herba (Erdrauchkraut), Gentianae radix (Enzianwurzel), Hyperici herba (Johanniskraut), Liquiritiae radix (Süßholzwurzel), Marrubii herba (Andornkraut), Matricariae flos (Kamillenblüten), Melissae folium (Melissenblätter), Menthae piperitae herba (Pfefferminzkraut), Menyanthidis trifoliatae folium (Bitterkleeblätter), Milefolii herba (Schafgarbenkraut), Rosmarini folium (Rosmarinblätter), Salviae officinalis folium (Salbeiblätter) und Taraxaci radix cum herba (Löwenzahnkraut mit Wurzel) und Verbenae citriodorae folium (Zitronenverbenenblätter)

Für die Evidenz der einzelnen Teedrogen wird auf die jeweiligen Monographien verwiesen. Die Bewertung der Teekombinationen in Verdauungstees stütze sich auf in den europäischen Mitgliedstaaten im Handel befindlichen Produkte, auf Monographien in nationalen Arzneibüchern, auf Standardzulassungen und auf Veröffentlichungen. Um darzustellen, wie die einzelnen Teedrogen traditionell in welchem Verhältnis am besten kombiniert werden, wurde eine Tabelle erstellt. Auf Basis dieser Matrix könnten Anträge auf Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel bearbeitet werden. 

Welche Verdauungstee-Kombinationen sind sinnvoll?

Aus der Tabelle in der Monographie zu den Verdauungstees geht hervor, dass beispielsweise Pfefferminze, die in allen oben genannten Beispielpräparaten enthalten ist, mit allen im Kasten genannten Arzneipflanzen kombiniert werden kann – außer Zimtrinde, süßen Fenchelfrüchten und Enzianwurzel. Der Pfefferminzgehalt kann sich dabei zwischen 10 und 40 Prozent bewegen. 

Es gilt allgemein die Empfehlung, nicht mehr als vier Arzneipflanzen als wirksame Bestandteile der Tees miteinander zu kombinieren. Weitere Pflanzen dürfen aber als Hilfsstoffe hinzugefügt werden. Zahl, Menge und Funktion sollten begründet werden können. Entsprechend enthält keiner der oben genannten Beispiel-Tees mehr als vier wirksame Bestandteile. 

Beispielsweise Löwenzahn wird traditionell mit Pfefferminze kombiniert, die anderen in den Beispielpräparaten enthaltenen Bestandteile gehören laut Tabelle jedoch nicht zu den traditionellen Kombinationen mit Löwenzahn. Auch Kamillenblüten und Süßholzwurzel werden laut Tabelle traditionell nicht miteinander kombiniert. Ein klassischer Fenchel-Anis-Kümmel-Tee etwa scheint laut Tabelle insofern die bessere Variante für einen Verdauungstee zu sein.

Neben- und Wechselwirkungen von Verdauungstees

Ebenfalls interessant an der Monographie sind mögliche Neben- und Wechselwirkungen der pflanzlichen Bestandteile. Neben allgemeinen Überempfindlichkeitsreaktionen, die immer möglich sind, ist beispielsweise bei Süßholzwurzel darauf zu achten, dass sie nicht mit Diuretika, Herzglykosiden, Glucocorticoiden, stimulierenden Abführmitteln oder anderen Arzneimitteln zum Einsatz kommen darf, die ein Elektrolytungleichgewicht verschlimmern können. Patient:innen mit Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Nieren-, Leber- oder Herzerkrankungen oder Hypokaliämie sollen Süßholzwurzel nicht anwenden.

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Für Teekombinationen mit Kamillenblüten heißt es außerdem, dass eine längere und hochdosierte Anwendung (rund zwei Monate) bei Patient:innen nach Nierentransplantation zu Interaktionen im Zusammenhang mit CYP450 führen kann. Bei Kombinationen mit Melissenblättern wird geraten, kein Auto zu fahren. Bei Pfefferminze als Teebestandteil könnten sich zudem ein Reflux und Sodbrennen verschlimmern. Auch bei Löwenzahn werden mit unbekannter Häufigkeit Oberbauchschmerzen und Übersäuerung als Nebenwirkung angegeben. Überdies soll Löwenzahn nicht bei Patient:innen mit Nierenversagen, Diabetes und/oder Herzfehler angewendet werden, weil ein Risiko für eine Hyperkaliämie besteht.

Aber auch der gängige Anis-Fenchel-Kümmel-Tee sollte in Maßen genossen werden, weil in Anis und Fenchel Estragol enthalten sein kann. Die Substanz gilt als gentoxisch karzinogen

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