Wie schlafen wir? Um das zu erklären, kann es helfen, sich mit den fünf Schlafphasen vertraut zu machen. Schlafexperte Hans-Günter Weeß erklärt, welche Phasen es gibt, wie sie sich wiederholen und welche Funktionen sie haben.
Der Schlaf stellt einen dynamischen und aktiven Prozess dar. Wer meint, im Schlaf würden wir wesentlich Energie einsparen, hat sich getäuscht. Lediglich 50 Kalorien weniger als in einer vergleichbaren Wach-Zeit werden während des Schlafs verbraucht. Seit Mitte der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts sind wir durch die Entwicklung des Elektroenzephalographen (EEG) in der Lage, den Schlaf standardisiert und replizierbar ohne bedeutsame Störung des Schläfers zu beschreiben. Auf Basis der elektrischen Gehirnaktivität lassen sich ab dem 6. Lebensmonat beim Menschen fünf Schlafstadien unterscheiden:
- Stadium Wach beschreibt den Wachzustand.
- Stadium 1 beschreibt den Übergang zwischen Wachen und Schlafen, eine Art Dösen.
- Stadium 2 charakterisiert den stabilen Schlaf.
- Stadium 3 den Tiefschlaf.
- Stadium REM kennzeichnet ein aktives Schlafstadium, in dem wir emotional beteiligt träumen und nahezu gelähmt sind.
Auch das Wachen in der Nacht wird vom Fachmann als ein Schlafstadium bezeichnet. Es wird benötigt, wenn wir im Schlaflabor feststellen wollen, wie gut das Schlafvermögen des Einzelnen ist oder beschreiben wollen, wie ausgeprägt Durchschlafprobleme sind. Das Schlafstadium Wach macht bei einem gesunden Schläfer im mittleren Lebensalter weniger als 5 Prozent an der Gesamtschlafzeit aus.
Stadium 1 repräsentiert keinen richtigen Schlaf. Es tritt vor allem am Übergang zwischen Wachen und Schlafen zu Beginn der Schlafperiode auf und kennzeichnet das Einschlafen. Umgangssprachlich könnte man das Stadium 1 als Dösen bezeichnen. In dieser Phase verlassen wir gedanklich und emotional die reale Welt. Wir haben uns zunehmend entspannt und den Alltag hinter uns gelassen. Unsere Gedanken und Vorstellungen entbehren zunehmend Realitätsbezügen. Wir können fliegen, schweben, und gelegentlich haben wir ein überraschendes Gefühl des Fallens, das uns schreckhaft wieder wach werden lässt.
Unser Gehirn ist mit unserer Umwelt noch recht gut verbunden. Schon das kleinste Geräusch im Zimmer, Haus oder auf der Straße kann uns wieder vollständig wach werden lassen. Vereinzelt sind wir auch noch in der Lage, auf einfache Fragen mit einer kurzen Antwort zu reagieren. Man sollte den Schläfer aber in diesem Zustand nicht mehr ernst nehmen.
FOL
Über den Experten
Hans-Günter Weeß beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit den Themen Schlaf und Schlafstörungen. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin sowie Leiter des interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster. Weeß hat mehrere Bücher zum Thema Schlaf geschrieben, unter anderem „Schlaf wirkt Wunder“ und „Die Schlaflose Gesellschaft“Schlaf . Zudem hat er das Online-Programm „Fit durch gesunden Schlaf“ entwickelt.
Nach nur wenigen Minuten im Stadium 1 gleitet der Schläfer in das Stadium 2. Es beschreibt den stabilen Schlaf. In diesem Schlafstadium verbringen wir als Erwachsene mehr als die Hälfte unserer Schlafenszeit. Im Stadium 2 ist der Mensch in Morpheus‘ Armen, im eigentlichen Schlaf angelangt und nicht mehr so leicht erweckbar, wie das noch in Stadium 1 der Fall war. Die Muskelspannung des Körpers nimmt ab. Würden wir den Schläfer wecken, würde er uns von sachlichen, emotional eher neutralen Träumen berichten, an die er sich, am nächsten Tag nachgefragt, wahrscheinlich schon nicht mehr erinnern könnte. Im Schlafstadium 2 verbringen wir vor allem in der zweiten Hälfte der Schlafperiode viel Zeit.
Der Tiefschlaf ist wichtig für die körperliche Erholung und tritt vor allem in der ersten Hälfte der Schlafperiode auf. Je länger wir schlafen, umso weniger Tiefschlaf haben wir. An den Tiefschlaf sind zahlreiche regenerative Prozesse unseres Organismus gekoppelt. So wird zum Beispiel während dieser Zeit das Wachstumshormon ausgeschüttet, das Kinder für das Körperwachstum und Erwachsene für Prozesse der körperlichen Erholung auf Zellebene benötigen. Kinder mit Schlafstörungen und einhergehendem Tiefschlafverlust neigen zu reduziertem Körperwachstum. Nach 30 bis 45 Minuten Tiefschlaf verlassen wir dieses Stadium wieder und gelangen in den REM-Schlaf.
Im REM-Schlaf zeigt unser Gehirn eine starke Aktivierung. Trotzdem sind wir im Vergleich aller Schlafstadien am schwersten weckbar. Deswegen wird der REM-Schlaf auch als paradoxer Schlaf bezeichnet. In diesem Stadium träumen wir intensiv mit starken emotionalen Inhalten. Ängste, Panik und intensive Glücksgefühle wechseln sich ab. Damit wir unsere Träume nicht ausagieren und uns oder andere durch unkoordinierte Bewegungen gefährden, hat es die Natur sinnvollerweise so eingerichtet, dass wir während des REM-Schlafs wie „querschnittsgelähmt“ sind. Wir können unsere Skelettmuskeln nicht bewegen. Diese „Lähmung“ haben auch Tiere. Allerdings häufig nicht so perfekt, wie es beim Menschen der Fall ist.
Wer Hund oder Katze zu Hause hat, konnte vielleicht schon einmal beobachten, wie im Schlaf der Hund den Hasen verfolgt hat oder die Katze einer imaginären Maus hinterhergeschlichen ist. Der REM-Schlaf hat verschiedene Funktionen für den Menschen: Er ist wichtig für das Lernen und die Gedächtnisbildung und ebenso für unser emotionales Gleichgewicht am Tage verantwortlich. Zuviel davon kann depressiv machen und zu wenig eine kleine Manie hervorrufen und uns das Gefühl von Omnipotenz verleihen. Die erste REM-Phase in der Nacht ist meist von eher kürzerer Dauer. REM-Phasen nehmen im Verlauf – je länger wir schlafen – an Zeitdauer zu. Das Ende der ersten REM-Phase kennzeichnet einen Schlafzyklus, und wenn wir nachts wach werden, ist dies am Ende einer REM-Phase am wahrscheinlichsten.
Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens – Dr. Hans-Günter Weeß
Ein Schlafzyklus dauert beim Menschen ungefähr 90 Minuten. Je nach Schlafdauer durchläuft der Mensch nachts zwischen vier und sieben dieser Zyklen. Zu Beginn der Nacht steht die körperliche Erholung mit Tiefschlaf und seinen langsamen Wellen im Vordergrund. Je länger der Schlaf andauert, umso mehr REM-Schlaf tritt auf. Jetzt findet quasi die emotionale Erholung und auch ein Teil der Gedächtnisbildung statt. In der zweiten Schlafhälfte nimmt der Anteil des Tiefschlafs ab und stabiler Schlaf in Form von Stadium 2 wird häufiger.
Wach werden gehört zum Schlafen dazu!
Über die gesamte Schlafperiode treten altersabhängig Weckreaktionen auf. Dabei gilt: Je älter der Mensch, desto mehr Weckreaktionen. Kurze Weckreaktionen mit einer Dauer um die 3 Sekunden treten altersabhängig bei Schlafgesunden zwischen 15 und 25 mal pro Stunde auf. Längere Weckreaktionen bis zu 20 mal pro Nacht. Auch Menschen, die subjektiv den Eindruck haben durchzuschlafen, werden nachts wach. Es liegt daran, dass der Mensch mindestens eine Minute wach sein muss, damit diese Information in sein Langzeitgedächtnis übertragen werden kann.
Schläft der Mensch in weniger als 1einer Minute wieder ein, zerfällt die Information, bevor sie ins Langzeitgedächtnis gelangen konnte. Sie wird nicht abgespeichert und der Mensch kann sich am nächsten Morgen nicht mehr daran erinnern, dass er wach war. Er hat vergessen, dass er wach war. Die wichtige Botschaft an dieser Stelle ist aber: Wach werden gehört zum Schlafen dazu.
Würde der Mensch während des Schlafes nicht immer wieder wach werden, wäre die Spezies Mensch längst ausgestorben. Wir müssen nämlich immer wieder nachschauen, ob sich der Tiger oder andere Fressfeinde anschleichen und wir rasch auf den nächsten Baum flüchten müssen. Dieses Schlafverhalten steckt noch immer in unseren Genen. Kein Wunder, im Vergleich zur Geschichte der Menschheit leben und schlafen wir erst einen Wimpernschlag lang in geschützten Häusern.
Nur wer dies nicht akzeptieren kann und sich über das Wachsein ärgert oder frustriert ist, bekommt ein (Schlaf-)Problem. Wer schlafen will, bleibt wach! Auch wer im Bett bleibt, sich gedanklich und emotional aber schon im Alltag befindet, ebenso. Die Entspannung und damit das Schlafvermögen gehen verloren. Durch die Anspannung wird das erneute Einschlafen verhindert. Derartige innere Fehlverhaltensweisen oder Fehleinstellungen sind ein Quell vieler Schlafstörungen.
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