Sorgen die Covid-19-Maßnahmen dafür, dass unser Immunsystem schwächelt?

Um dem Coronavirus möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und Ansteckungen zu vermeiden, läuft das öffentliche Leben derzeit auf Sparflamme. Andere Menschen werden auf Abstand gehalten, Nase und Mund vor unerwünschten Eindringlingen mit Masken geschützt und die Hände regelmäßig geschrubbt. Das Odeur von Desinfektionsmitteln gehört seit Monaten zum Alltag. Das kommt mit einem Nebeneffekt, denn auch andere Infektionskrankheiten, Grippe und Co, werden durch die Covid-Maßnahmen gleich mit abgewehrt. Das Immunsystem hat derzeit wenig zu tun – und genau das bereitet Experten auch Sorgen.

Sie befürchten, dass das Immunsystem in der Pandemie an Abwehrkräften einbüßt. Für die Zeit nach dem Lockdown und bei einer Rückkehr zu mehr Schmuddeligkeit, könnte das zu bösen Überraschungen führen. Die Befürchtung: Bestimmte Erreger lauern nur darauf, dass Mensch wieder nachlässiger wird. Dabei sind auch Erreger, die sich um Schutzmaßnahmen ohnehin nicht scheren – und diese einfach umgehen.

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Große Ausbrüche nach Schulöffnungen

Beobachtet wurde das beispielsweise in Hongkong. Nachdem die Kinder nach Monaten des Homeschoolings im Oktober zurück an die Schulen und in die Kindertagesstätten kamen, schoss die Anzahl der Infektionskrankheiten in die Höhe – und das, obwohl sich sowohl Lehrer als auch Kinder weiterhin an Covid-Schutzmaßnahmen hielten. Das berichten Forscher in einer Analyse, die in der Fachzeitschrift "Emerging Infectious Diseases" veröffentlicht wurde.

Demnach kam es in Hong Kong bis Ende November zu insgesamt 482 Infektionsausbrüchen, dabei handelte es sich um Infektionen der oberen Atemwege. Am häufigsten betroffen waren Grundschulen (308), 149 Ausbrüche wurden in Kindergärten, Kindertagesstätten und Vorschulen gezählt, der Rest an weiterführenden Schulen. Ende November mussten die Schulen aufgrund des Ausbruchsgeschehens landesweit wieder schließen.

Immunsystem weniger widerstandsfähig?

Doch es waren weder Coronaviren noch Influenzaviren, die den Kindern zu schaffen machten. Stattdessen fanden die Wissenschaftler im Labor Hinweise auf Rhino- und Enteroviren. Diese sind eigentlich als eher harmlos einzustufen und verantwortlich für Erkältungen und weitere eher milde Infektionskrankheiten. 

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Dass diese Erreger es schafften, solche weitreichenden Ausbrüche auszulösen, lässt die Forscher annehmen, dass die Immunabwehr der Kinder den Viren geholfen haben könnte. Die Hypothese: Das Social Distancing zwischen Januar und September des vergangenen Jahres könne dazu geführt haben, dass die Widerstandsfähigkeit des Körpers gegen Krankheitserreger nachgelassen habe. 

Weniger Kontakte, größere Anfälligkeit

In Hongkong hatte man in dieser Zeit strikte Eindämmungsmaßnahmen ergriffen, das öffentliche Leben stark gedrosselt. Soziale Kontakte waren auf ein Minimum reduziert worden. In dieser Zeit gingen auch die Erkältungsfälle und die Zahl der grippeähnlichen Erkrankungen stark zurück. Das aber könnte, vermuten die Forscher, dazu geführt haben, dass "die Anfälligkeit der Bevölkerung für Rhinoviren und andere Atemwegsviren, einschließlich Influenzaviren, im Laufe der Zeit zugenommen" habe. 

Da die Menschen während des harten Lockdowns den Viren wahrscheinlich weniger ausgesetzt gewesen seien, habe sich "das Übertragungspotenzial erhöht, als der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde". Kinder gelten als Hauptüberträger der Viren. Die Forscher kommen aufgrund ihrer Ergebnisse zu dem Schluss, dass vor allem an Orten, an denen Schulen über einen längeren Zeitraum geschlossen waren, ein erhöhtes Risiko für die Ausbreitung von Erkältungsviren vorliege. 

Hartnäckige Rhinoviren

Auch in Großbritannien war es etwa zwei Wochen, nachdem die Kinder im September wieder in den Präsenzunterricht zurückgekehrt waren, zu einem Anstieg von Erkältungsfällen gekommen, darauf verweisen die Forscher. Allerdings ist ein Anstieg der Fallzahlen dort zu diesem Zeitpunkt nichts Ungewöhnliches. 2019 wurde ein ähnlicher Anstieg verzeichnet, damals lagen die Fallzahlen noch höher. In der Arbeit, welche britische Wissenschaftler bereits im Oktober im Fachblatt "The Lancet" veröffentlichten, stellten aber auch sie fest, dass die Corona-Maßnahmen in Schulen die Übertragung von Rhinoviren nicht wirksam verhinderten. 

Warum aber helfen die Corona-Maßnahmen zwar gegen Sars-CoV-2 und Influenzaviren, nicht aber gegen Erkältungsviren? Die Übertragungswege der verschiedenen Viren sind die gleichen. Doch Rhinoviren sind hartnäckiger. Sie lassen sich laut Forschern von einem Mund-Nasen-Schutz nicht abwehren, zudem seien sie robuster und könnten auch Desinfektionsmitteln besser standhalten. Unklar sei auch, welche Rolle die Übertragungswege für die Verbreitung der jeweiligen Viren spiele. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass sich die Wirksamkeit der eingesetzten Maßnahmen je nach Virenart unterscheiden könne. 

 Quellen: CDC,  The Lancet, Arstechnica

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