Ein auf europäischer Ebene geplanter Rote-Hand-Brief könnte bald über anzupassende Impfzeitpunkte von Säuglingen informieren, wenn deren Mütter in der Schwangerschaft oder Stillzeit Infliximab erhalten haben. Lebendimpfstoffe sollten demnach dann erst nach bis zu zwölf Monaten verabreicht werden. Was sagt Embryotox dazu?
Der Pharmakovigilanz-Ausschuss der europäischen Arzneimittelagentur PRAC plant einen Rote-Hand-Brief zu Infliximab. Er werde nun an den Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP weitergeleitet, der über die Verbreitung des Rote-Hand-Briefs entscheiden wird, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Darin soll dann empfohlen werden, Impfungen mit Lebendimpfstoffen bei Säuglingen, die während der Schwangerschaft oder dem Stillen mit Infliximab in Kontakt gekommen sind, bis zu zwölf Monate nach Geburt zu verschieben.
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Betroffen sind davon zahlreiche Indikationen und damit wohl auch eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Müttern: Infliximab ist zugelassen zur Therapie von Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Spondylitis ankylosans, Psoriasis-Arthritis und Psoriasis. Auch Kinder zwischen sechs und 17 Jahren können Infliximab zur Therapie von schwerem aktiven Morbus Crohn oder schwer aktiver Colitis ulcerosa erhalten – wenn sie auf andere Arzneimittel oder Behandlungen nicht angesprochen haben oder diese nicht vertragen.
Infliximab bis zu zwölf Monate nach der Geburt nachweisbar
Zum Hintergrund der Empfehlung erklärt der PRAC, dass nach einer Behandlung mit Infliximab während der Schwangerschaft Infliximab offenbar die Plazenta durchdringen kann – und bei Säuglingen bis zu zwölf Monate nach der Geburt noch nachgewiesen werden kann. Daher lautet die Empfehlung: „Lebendimpfstoffe sollten Säuglingen bis zwölf Monate nach der Geburt nicht verabreicht werden, wenn sie während der Schwangerschaft Infliximab ausgesetzt waren.“ Sollten die Infliximab-Spiegel beim Säugling nicht nachweisbar sein, oder wenn die Verabreichung von Infliximab auf das erste Trimester der Schwangerschaft beschränkt war, könne jedoch ein Lebendimpfstoff auch zu einem früheren Zeitpunkt in Betracht gezogen werden – sofern ein eindeutiger klinischer Nutzen für den einzelnen Säugling bestehe, heißt es.
Beispielsweise bei der Rotavirus-Impfung handelt es sich um eine Schluckimpfung mit einem oralen Lebendimpfstoff, die ab dem Alter von sechs Wochen verabreicht wird.
Infliximab während der Stillzeit
Da Infliximab auch in niedrigen Konzentrationen in der Muttermilch nachgewiesen wurde, informiert der PRAC zudem darüber, dass auch dann die Impfung mit einem Lebendimpfstoff aufgeschoben werden sollte, wenn die behandelte Mutter das Kind während der Therapie stillt – es sei denn, die Infliximab-Serumspiegel des Säuglings sind nicht nachweisbar.
Es sei wichtig, dass mit Infliximab behandelte Frauen, die schwanger werden oder ihren Säugling stillen, das für die Impfung ihres Säuglings zuständige medizinische Fachpersonal über ihre Behandlung mit Infliximab informieren.
Impfungen in der Schwangerschaft sind für Mutter und Kind meist sicher und verträglich
Gut geschützt
Laut Embryotox muss Infliximab bei Kinderwunsch nicht abgesetzt werden, wenn die Krankheit damit gut therapiert ist. Jedoch: „Die Therapie in der späteren Schwangerschaft, insbesondere nach der 30. Woche, sollte wohlbegründeten Indikationen vorbehalten sein.“ Außerdem erklärt Embryotox aktuell noch, dass aus Vorsichtsgründen die in der zweiten Schwangerschaftshälfte exponierten Kinder laut Fachinformation erst sechs Monate nach der letzten Infliximab-Gabe eine Impfung mit Lebendimpfstoffen erhalten sollten.
Erhöhtes Risiko für kindliche Infektionen?
Der plazentare Transfer von Infliximab soll um die 37. Woche sein Maximum erreichen. Eine prospektive Studie mit 44 Infliximab-exponierten Mutter-Kind-Paaren soll „weitaus höhere Spiegel beim Neugeborenen als bei der Mutter“ gefunden haben, so Embryotox. Die mittlere kindliche Clearancezeit von Infliximab betrug 7,3 Monate, heißt es.
Infliximab ist ein chimärer monoklonaler Antikörper aus der Gruppe der IgG1-Antikörper und ein TNF-α-Blocker, erklärt Embrytox. Eine mütterliche Kombinationstherapie aus einem TNF-α-Inhibitor und einem Thiopurin (z.B. Azathioprin) soll zu einem mehr als zweifach erhöhten Risiko für kindliche Infektionen geführt haben. Jedoch seien die Kinder in der Regel klinisch unauffällig. Man verfügt allerdings nur über wenige Langzeitbeobachtungen.
Ein Fallbericht soll den Tod eines gesund geborenen Jungen nach Impfung im dritten Lebensmonat mit einem BCG-Lebendimpfstoff beschreiben, dessen Mutter während der ganzen Schwangerschaft mit Infliximab therapiert worden war. „Andererseits“, heißt es, „wird der komplikationslose Verlauf einer Windpockeninfektion bei einem drei Monate alten ehemaligen Frühgeborenen geschildert, dessen Mutter bis zwei Tage vor der Geburt 40 mg Adalimumab, auch ein IgG1-Antikörper und TNF-α Blocker, wöchentlich injiziert hatte.“
Die PRAC-Empfehlungen erscheinen also auch mit Blick auf die Erfahrungen von Embryotox plausibel zu sein. Was das Stillen angeht, so ist die orale Bioverfügbarkeit laut Embryotox gering.
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