Ist das Vertragsmodell im Hilfsmittelbereich gescheitert? Das Bundesamt für soziale Sicherung kommt zumindest in einem Sonderbericht zu dem Schluss, dass es keine positiven Effekte mit sich bringt. Die Bundesoberbehörde stellt infrage, ob sich die Hilfsmittelversorgung der Bevölkerung überhaupt als Wettbewerbsfeld eignet – sie empfiehlt, das Modell zu kippen und Verträge wieder einheitlich auf Landesebene abzuschließen.
In den vergangenen 15 Jahren hat der Gesetzgeber gleich mehrfach an den gesetzlichen Grundlagen der Versorgung von Kassenpatienten mit Hilfsmitteln geschraubt – zu nennen sind etwa das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (2007), das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (2009), das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (2017) sowie das Terminservice- und Versorgungsgesetz (2019). Ziel war stets, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Versorgungsqualität zu verbessern oder zumindest konstant zu halten.
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Diese Quadratur des Kreises ist jedoch nicht gelungen, lautet jetzt das Urteil des Bundesamts für soziale Sicherung (BAS): Die Bundesoberbehörde sieht inzwischen so viele Baustellen auf diesem Feld, dass sie rät, die Uhr auf Null zurückzudrehen und das aktuelle Vertragsmodell einzustampfen. Das geht aus einem Sonderbericht hervor, den das BAS am gestrigen Montag veröffentlicht hat.
Wie das Bundesamt zu dieser Einschätzung kommt, legt es in dem 76-seitigen Papier dar. Basis ist demnach eine Umfrage unter allen Kassen, für die die Behörde zuständig ist – also etwa die Ersatzkassen, die Betriebskrankenkassen und die Innungskrankenkassen. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) sind hingegen nicht dabei: sie unterstehen der Aufsicht der Länder.
Mit Blick auf die Umfrageergebnisse, schreibt das BAS, sei festzuhalten, dass die Kassen ihren gesetzlichen Verpflichtungen „nicht durchgehend in einem ausreichenden und zufriedenstellenden Maße nachkommen“. Es bemängelt etwa die Vertragsdichte: „Während einzelne Krankenkassen eine hohe Anzahl von Leistungserbringern zu den meisten Produktarten vertraglich gebunden haben, gibt es zahlreiche Krankenkassen, die zu einzelnen Produktgruppen entweder mit keinem oder mit nur wenigen Leistungserbringern Verträge zur Hilfsmittelversorgung abgeschlossen haben“, ist im Bericht zu lesen.
Zudem informierten viele Kostenträger ihre Versicherten nicht angemessen über ihre Vertragspartner und die Inhalte der getroffenen Vereinbarungen. Und die Überprüfung der Leistungserbringer lasse ebenfalls zu wünschen übrig. „Festzustellen ist auch, dass für die Krankenkassen vor allem der Preis und weniger die Versorgungsqualität im Mittelpunkt ihres Verwaltungshandelns steht.“ Gleichzeitig sei es zu einer Angleichung des Preisniveaus bei Verwendung eines fast einheitlichen Vertragsmodells gekommen; von der beabsichtigten Vielfalt an Verträgen sei die Praxis also weit entfernt. „Insgesamt führen diese Faktoren dazu, dass keine großen Unterschiede in der Versorgung bestehen. Zudem spielt das Kriterium der Hilfsmittelangebote keine signifikante Rolle für Versicherte für die Wahl ihrer Krankenkasse.“
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In der Gesamtschau folgert das BAS, dass die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Instrumente „nicht im Sinne des intendierten, zum Wohle der Versicherten sinnvollen Wettbewerbs zwischen den Trägern wirken. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Krankenkassen gerade durch das Vertragsmodell mit einem deutlich erhöhten Bürokratieaufwand zu kämpfen haben.“ Aus Sicht der Behörde liegt daher die Frage nahe, ob sich die Hilfsmittelversorgung der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt als Wettbewerbsfeld eignet. „Zumal gesellschaftspolitisch auch die Frage der gleichberechtigten Teilhabe aller Versicherten unabhängig von ihrer Krankenkassenzugehörigkeit berührt ist.“
Dass es gelingen wird, diese Defizite zu beheben, glaubt die Behörde nicht: Selbst wenn die Kassen sich noch so sehr streckten, ist es aus Sicht des Bundesamts kaum möglich, unter den gegebenen Voraussetzungen „mittelfristig befriedigende Ergebnisse für eine insgesamt bessere Gesamtversorgung“ zu erreichen. Die Konsequenz: Nach Einschätzung des Bundesamts sollte der Gesetzgeber vom Vertragsmodell in der Hilfsmittelversorgung abrücken. Stattdessen schlägt es vor, Leistungserbringer wieder kassenartenübergreifend zur Versorgung zuzulassen und Versorgungsverträge auf Landesebene gemeinsam und einheitlich abzuschließen. „Hierdurch würde der Verwaltungsaufwand für die Krankenkassen deutlich reduziert und ein einheitliches Versorgungsangebot für alle Versicherten erreicht“, schreibt das BAS in seinem Sonderbericht.
Den vollständigen Bericht finden Sie hier auf der Website des BAS zum Download.
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Von Petra Dietlmeier
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