Die Zahl der Probiotika-Präparate in den Apotheken scheint sich in den letzten Jahren vervielfacht zu haben – ein riesiger Markt. Entsprechend massiv wird auch geworben. Doch wie sieht es mit Wirksamkeitsbelegen aus? Gibt es die überhaupt? Wir haben die Apothekerin Margit Schlenk gefragt, die auf der Interpharm in Berlin einen Vortrag über sinnvolle Probiotika-Empfehlungen in der täglichen Beratungspraxis hält.
DAZ.online: Eine Flut von Probiotika zum Beispiel gegen Reizdarm, Stress, AAD oder für das Immunsystem landet derzeit in den Apotheken und wird natürlich auch entsprechend beworben. Ist das Humbug oder gibt es in einzelnen Bereichen tatsächlich Evidenz?
Schlenk: Die gibt es. Einige Präparate konnten ihre Wirksamkeit in randomisierten kontrollierten klinischen Studien belegen und finden sich auch in den entsprechenden Leitlinien. So werden zum Beispiel beim Reizdarmsyndrom Probiotika gegen alle vier Hauptsymptome als wirksame Option aufgeführt.
Am 13. und 14. März 2020 findet in Berlin die Interpharm statt. Ein Themenblock des wissenschaftlichen Kongresses befasst sich mit dem Thema „Geheimnisvolle Mitbewohner – Praxiswissen rund ums Mikrobiom“
Das volle Programm und weitere Informationen finden Sie hier.
DAZ.online: Da die entsprechenden Präparate ja meist NEM sind, darf nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen geworben werden. Aber gibt es Krankheiten, wo die Empfehlung von Probiotika sinnvoll sein kann?
Schlenk: Es gibt ja nicht nur NEM, sondern auch bilanzierte Diäten oder Arzneimittel. Die dürfen natürlich auch die entsprechenden Indikationen angeben. Bei den bilanzierten Diäten gibt teilweise Wirksamkeitsnachweise für Reizdarm, Clostridioides-difficile-Infektionen, Neurodermitis oder Colitis ulcerosa.
DAZ.online: Es gibt viele verschiedene Stämme, die Präparate unterscheiden sich je nach Hersteller und Anwendungsgebiet. Gibt es gesicherte Erkenntnisse darüber, dass sich in manchen Fällen bestimmte Stämme besser eignen als andere?
Schlenk: Ja, diese Erkenntnisse gibt es. So wie bei den Phytopharmaka immer der Gesamtextrakt der Wirkstoff ist, ist es bei Probiotika der Stamm. Ein Studie bezieht sich immer nur auf den verwendeten Stamm.
DAZ.online: Wie können Apotheker den Überblick behalten? Wo informieren sie sich am besten?
Schlenk: Es gibt etwa 5000 Fachpublikationen zu dem Thema. Apothekern bleiben nur Fort- und Weiterbildungen, wo die Erkenntnisse geclustert werden, z. B. der 5-tägige Zertifikatslehrgang zum Darmberater (IHK).
DAZ.online: Was erwartet die Kongressbesucher bei ihrem Interpharmvortrag?
Schlenk: Das Mikrobiom als ein Puzzleteil des Gesamtbildes von Gesundheit. Aber auch Sicherheit, also wem kann ich Probiotika empfehlen und wo gibt es Kontraindikationen, bei denen ich abraten muss. Vor allem soll der Vortrag aber Lust machen auf eigenständiges heilberufliches Handeln mit der Mikrobiomtherapie.
Geheimnisvolle Mitbewohner – Praxiswissen rund ums Mikrobiom
Probiotika: welche wann für wen und für wen nicht – Empfehlungen für die tägliche Beratungspraxis
Margit Schlenk
Freitag 13. März 2020, 14 Uhr; Wissenschaftlicher Kongress
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