Das verschmähte Vakzin: Wird Johnson & Johnson jetzt doch zum Impfstoff-Liebling?

Die Nachfrage am Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson war bisher eher gering. Nicht einmal die Hälfte der gelieferten Dosen ist verimpft worden. Doch nun könnte der Wirkstoff plötzlich populär werden. Welche Gründe dahinterstecken.

Werden Personen gefragt, mit welchem Vakzin sie geimpft wurden, ist die Antwort in den wenigsten Fällen Johnson & Johnson. Nach Angaben des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung wurden im Bundesdurchschnitt bis dato lediglich 47 Prozent der zur Verfügung stehenden Impfdosen verimpft, während die Quote bei AstraZeneca, ebenfalls ein Vektorimpfstoff, bei 84 Prozent lag.

Die gelieferten Dosen des Impfstoffs von Biontech wurden derweil fast gänzlich unter die Menschen gebracht (99 Prozent).

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Doch die Zeiten, in denen die Bestände von Johnson & Johnson nur sehr zögerlich verimpft wurden, könnten nun vorbei sein.

Zwar betont Henriette Hoburg, Pressesprecherin der Janssen-Cilag GmbH, Tocherfirma von Johnson & Johnson, im Gespräch mit FOCUS Online: „Da wir allerdings ausschließlich zentral an die Bundesregierung liefern und keine Direktbelieferung möglich ist, ist die Nachfrageentwicklung nicht so leicht einzuschätzen.“

Allerdings würden aktuell einige Firmen oder Privatpersonen Direktlieferungen des Impfstoffs beim Unternehmen erbeten. Den generellen Bedarf könnten jedoch die Ärzte am besten beurteilen. „Die Rückmeldung, die wir von Ärzten erhalten, ist sehr positiv“, sagt sie.

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Nachfrage nach Johnson & Johnson steigt – dafür gibt es vor allem drei Gründe

Das liegt zum einen an der am Montag aufgehobenen Impfpriorisierung. Seither dürfen sich alle Bürger unabhängig ihres Alters, Berufs und ihrer Vorerkrankungen um einen Impftermin bemühen und gegen Corona immunisieren lassen. Bis zu 40 Millionen Menschen könnten in den kommenden Monaten in die Arztpraxen und Impfzentren drängen.

Schließlich ist mit einer vollständigen Impfung nicht nur der Schutz vor dem Coronavirus gegeben – auch lockt wieder mehr Lebensqualität. Immerhin entfallen für Geimpfte diverse Einschränkungen und Corona-Maßnahmen, der Vorweis eines negativen Tests für den Besuch von Einrichtungen oder Restaurants ist dann nicht mehr nötig.

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Zudem entfällt die Quarantänepflicht nach Reisen, was angesichts der anlaufenden Urlaubssaison ebenfalls einen Grund für die erhöhte Nachfrage darstellen dürfte. Der Impfstoff von Johnson & Johnson mutet dabei wie der perfekte Sommerurlaubs-Impfstoff an.

Zur vollständigen Immunisierung muss er nur einmal verabreicht werden; teils monatelange Wartefenster wie beispielsweise bei AstraZeneca entfallen somit. Dank des einfacheren Impfvorgangs würde "Johnson & Johnson" vielen den Urlaub erleichtern.

Knapper Impfstoff im Juni: Liefermengen sinken

Neben den Reisegelüsten vieler Bürger spielt jedoch auch die geschrumpfte Verfügbarkeit weiterer Vakzine in die gestiegene Nachfrage mit rein. imago images/NurPhoto

So werden die Impfzentren nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in den kommenden drei Wochen statt der rund bislang 1,7 Millionen Dosen nur noch 1,5 Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech pro Woche erhalten.

Auch bei den Hausarztpraxen sinken die Liefermengen in der kommenden Woche leicht von 2,6 Millionen auf 2,4 Millionen Dosen, derweil sich bei AstraZeneca ähnliche Tendenzen abzeichnen.

Viele Biontech-Dosen für Erstgeimpfte reserviert

Der Eindruck, dass das das Angebot für noch Ungeimpfte nicht allzu sehr verknappen werde, ist trügerisch: Viele der verfügbaren Dosen sind bereits für Zweitimpfungen reserviert. Wie der „Spiegel“ berichtet, werden allein in der zweiten Juni-Woche rund 3,4 Millionen Erstgeimpfte ihre zweite Biontech-Impfung bekommen, sodass nur noch ein Drittel der gelieferten Dosen für Ungeimpfte übrigbleibt.

Im Umkehrschluss könnten sich angesichts des Engpasses viele Bürger für den Impfstoff von Johnson & Johnson erwärmen. Zwar werden sich die Liefermengen an die Hausarztpraxen in der kommenden Woche im Vergleich zur Vorwoche auf 240.000 Dosen mehr als halbieren – allerdings stehen diese Dosen den Ungeimpften schier uneingeschränkt zur Verfügung, da diese nicht für Zweitimpfungen reserviert sind.

„Mehr als 1000 Patienten haben manche Kollegen auf der Warteliste für einen Termin“

Dass die Bürger den Impfstoff von Johnson & Johnson in nächster Zeit verstärkt nachfragen, erwartet auch Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes. Es sei ungerechtfertigt, dass sowohl Johnson & Johnson als auch AstraZeneca bislang verschmäht worden seien. „Die beiden Vektorenimpfstoffe bieten beide nach der ersten Dosis bereits einen hohen Schutz“, sagt er zur „Wirtschaftswoche“.

Die allgemein gestiegene Nachfrage an Impfstoff mache sich bereits jetzt bemerkbar. „Mehr als 1000 Patienten haben manche Kollegen jetzt auf der Warteliste für einen Termin“, sagt Weigeldt. Das sei aus seiner Sicht nicht überraschend – und auch zu bewältigen.

"Ich komm mir manchmal vor wie im Wettbüro"

Schließlich könne eine Hausarztpraxis bis zu 12.000 Patienten in der Kartei haben. „Bei uns mangelt es aber nicht an Terminen, sondern an Impfstoff“, sagt der Verbandschef.

Dass die Liefermengen wöchentlich variierten und sich kurzfristig änderten, kritisierte Weigeldt. „Ich komm mir manchmal schon vor wie im Wettbüro“, sagt er. „Leider ist die Gewinnchance beim Gesundheitsministerium aber so gering wie in den echten Buden.“

Mit welchen Liefermengen von Seiten Johnson & Johnsons in nächster Zeit gerechnet werden könne – dazu äußerte sich das Unternehmen nicht. Generell kommuniziere die Firma nach außen hin keine Details, sagt Henriette Hoburg zu FOCUS Online. Allerdings gibt sie einen Ausblick: „Wir erwarten, dass unsere Liefermengen Schritt für Schritt zunehmen werden, da die Produktionsstätten im Laufe des Jahres vollständig aktiviert werden sollen. Wir stehen weiter zu unserer Vereinbarung, 200 Millionen Dosen unseres Impfstoffs in die EU sowie nach Norwegen und Island im Jahr 2021 zu liefern.“

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