Coronavirus: Infektionen durch kontaminierte Gegenstände bisher unterschätzt? – Heilpraxis

SARS-CoV-2: Virenübertragung über Oberflächen

Mittlerweile haben sich weltweit mehr als 75 Millionen Menschen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 angesteckt. Der Großteil der Infektionen erfolgt über die Luft. Doch laut Fachleuten können die Viren auch über kontaminierte Gegenstände übertragen werden. Forschende aus Deutschland haben nun untersucht, was die Anhaftung von Viren an Oberflächen begünstigt.

Es ist bekannt, dass die Übertragung beziehungsweise Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 über die Luft (Aerosole) und insbesondere über Tröpfchen erfolgt. Doch auch eine Weiterverbreitung des Erregers über kontaminierte Oberflächen ist nicht ausgeschlossen.

Anhaftung von Viren an Oberflächen

Wie die Universität Paderborn in einer aktuellen Mitteilung betont, stellt die anhaltende COVID-19-Pandemie weltweit eine Bedrohung für die Gesundheit von Millionen von Menschen dar. Atemwegsviren, zu denen auch das Virus SARS-CoV-2 zählt, können sowohl über die Luft als auch durch den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen übertragen werden.

Forschende vom Lehrstuhl für Technische und Makromolekulare Chemie der Universität Paderborn haben deshalb untersucht, was die Anhaftung von Viren an Oberflächen begünstigt. Dafür erforschten die Wissenschaftler die Proteine der Virushülle.

Die Ergebnisse könnten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von COVID-19 leisten und wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Advanced NanoBiomed Research“ veröffentlicht.

Übertragung in erster Linie über die Luft

„Es ist allgemein bekannt, dass Coronaviren in erster Linie über die Luft übertragen werden. Mehrere Studien haben inzwischen aber auch die Übertragung durch kontaminierte Oberflächen als wichtigen Faktor identifiziert“, so der Physiker Dr. Adrian Keller, der an der Universität Paderborn die Arbeitsgruppe „Nanobiomaterials“ leitet.

„Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass sie eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Virusinfektionen spielen können. Bislang ist jedoch wenig über die physikalisch-chemischen Mechanismen der Wechselwirkungen bekannt und darüber, wie diese Interaktionen die Lebensfähigkeit und Infektiosität der Viren beeinflussen“, erklärt der Wissenschaftler.

Keller zufolge sind entsprechende Kenntnisse nicht nur im Hinblick auf die Entwicklung antiviraler Beschichtungen wichtig, sondern auch für die Anpassung von Sterilisations- und Desinfektionsprotokollen, wenn es zum Beispiel zu Engpässen bei Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln kommt.

SARS-CoV-2-Proteinuntereinheit spielt eine Rolle

Mithilfe der Hochgeschwindigkeits-Rasterkraftmikroskopie können die Forschenden die sogenannte Adsorptions-, Diffusions- und Interaktionsdynamik – im Grunde das Bewegungsverhalten – verschiedener Biomoleküle visualisieren.

„Konkret geht es um die Adsorption von Viruspartikeln auf abiotischen, also nicht lebendigen Oberflächen. Dabei spielt eine besondere SARS-CoV-2-Proteinuntereinheit eine wichtige Rolle. Sie stellt den äußersten Punkt der charakteristischen Stachelhülle des Erregers dar, man spricht hier auch von Spikes“, erläutert Keller.

Den Angaben zufolge handelte es sich bei den Oberflächen in den Experimenten um Oxid-Einkristalle, die unterschiedliche Keimträger imitieren sollten und in Kontakt mit proteinhaltigen Elektrolyten gebracht wurden. Letztere ähnelten in ihren Eigenschaften menschlichen Schleimhautsekreten.

„Die Elektrolyte dienten dabei als Trägerflüssigkeit für die isolierten Proteine. Ihre Salzkonzentrationen und pH-Werte wurden so eingestellt, dass sie denen von Speichel oder Schleim ähnelten. Die Adsorption der Proteine an den Oberflächen findet aus diesen Medien heraus statt und soll die Situation simulieren, wenn abgehustete virenbeladene Tröpfchen auf Oberflächen landen“, so Keller.

Weitere Studien nötig

Eines der zentralen Ergebnisse: Die Adsorption des Spike-Proteins an den Oxidoberflächen wird durch elektrostatische Wechselwirkungen gesteuert. „Dies führt unter anderem dazu, dass das Spike-Protein auf Aluminiumoxid weniger stark adsorbiert als auf Titanoxid“, erklärt Keller.

„Unter gleichen Bedingungen und Inkubationszeiten weist die Titanoxidoberfläche also mehr Proteine auf als die Aluminiumoxidoberfläche. Elektrostatische Wechselwirkungen lassen sich allerdings relativ einfach unterdrücken, z. B. in konzentrierten Salzlösungen“, so der Wissenschaftler.

„Wir gehen davon aus, dass diese Korrelationen zwischen der Oberfläche und dem Spike-Protein auch bei der initialen Anhaftung kompletter SARS-CoV-2-Viruspartikel an den Oberflächen eine wichtige Rolle spielen. Nach diesem ersten Kontakt könnten jedoch weitere Prozesse, die durch andere Proteine vermittelt werden, an Bedeutung gewinnen.“

Keller zufolge bedarf es aber noch weiterer Studien: „Um die Hierarchie der beteiligten Wechselwirkungen vollständig aufzuklären, sind Untersuchungen auf molekularer Ebene unter Verwendung verschiedener isolierter Hüllkomponenten sowie kompletter SARS-CoV-2-Viruspartikel notwendig.“ (ad)

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