Bundesregierung legt Herbst-Plan vor: Das sagen Experten dazu

Um sich bestmöglich auf den nächsten Corona-Herbst vorzubereiten, stellte der Expertenrat der Bundesregierung jetzt einen Maßnahmen-Plan vor. Was andere Wissenschaftler davon halten.

Der kommende Herbst könnte erneut mit hohen Infektionszahlen einhergehen. Um Gesundheitssystem und Bevölkerung vor vielen schweren Covid-Verläufen und einer hohen Klinikbelastung zu bewahren, empfahl der Expertenrat der Bundesregierung am Donnerstag mehrere Maßnahmen. Die Stimmen von Experten außerhalb des Rates sind jedoch zwiegespalten.

Was hat der Expertenrat der Bundesregierung empfohlen?

Der Expertenrat empfiehlt ganz allgemein eine „vorausschauende Vorbereitung mit kurzen Reaktionszeiten“ für Herbst und Winter. In jedem Fall erfordere die Vorbereitung unter anderem „eine solide rechtliche Grundlage für Infektionsschutzmaßnahmen“. Genauer plant die Bundesregierung folgende Punkte:

Tests:

Bei stabiler Infektionslage sollen die Tests auf

  • symptomatische Fälle
  • begründete Verdachtsfälle sowie
  • auf den Schutz von Risikogruppen

begrenzt werden. Für den Herbst soll es nach dem Willen des Rats eine schnell reaktivierbare Testinfrastruktur geben. Für Krankenhäuser und Pflegeheime schlägt der Rat ein regelmäßiges Screening auf Corona- und Grippeviren vor.

Impfkampagne:

Innerhalb von sechs Monaten will der Expertenrat mehrere Maßnahmen umsetzen, um die Quote der Impfungen und Auffrischungsimpfungen zu erhöhen. Dazu zählen unter anderem folgende:

  • Aufsuchende Impfteams und die Etablierung eines Public-Health-Nurse-Konzepts (Impfung durch geschulte Pflegekräfte vor Ort) für Sars-CoV-2- und Influenzaimpfungen
  • Ein proaktives Angebot und eine Aufklärungskampagne zur Influenza- und Pneumokokkenschutzimpfung im Rahmen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) und Sicherstellung eines ausreichenden Impfstoffangebots
  • Impf- und Immunitätslücken für Covid-19 und Influenza bestimmen
  • Die Schaffung einer Grundlage und Struktur, die es erlaubt, jede versicherte Person mit Informationsmaterial, einer Einladung oder Aufforderung zum Impfen zu erreichen    
     

Maßnahmen:

Welche Infektionsschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, hängt dem Gremium nach davon ab, wie schlimm sich die Infektionslage entwickelt. Dazu spielten sie drei verschiende Szenarien durch:

  • Im „günstigen“ Szenario taucht eine neue, weniger krankmachende Virusvariante auf. Dann etwa wären keine Maßnahmen, allenfalls im Schutz für Risikogruppen notwendig.
  • Im „Basisszenario“ würde die hervorgerufenen Krankheitslast in etwa gleich bleiben. Hier könnten flächendeckende Maßnahmen wie Masken und Abstand in Innenräumen notwendig werden. Regional könnten hier auch Kontaktreduktionsmaßnahmen nötig werden.
  • Im „ungünstigen“ aber möglichen Szenario gebe es etwa eine neue Virusvariante – verstärkt übertragbar und mit erhöhter Krankheitsschwere. Schwere Covid-Verläufe könnten dann selbst bei Geimpften auftreten. Maskenpflicht und Abstandsgebote wären wohl wieder bis Frühjahr 2023 nötig. Bedarf für Kontaktbeschränkung wäre „denkbar“, aber nicht wahrscheinlich, sagte der Ratsvorsitzende Heyo Kroemer.

Gefordert werde zudem Einheitlichkeit – nämlich eine zentrale Koordination der Pandemiemaßnahmen zwischen Bund und Ländern und eine bundesweit möglichst einheitliche und schnelle Kommunikation aller bestehenden Regelungen und Empfehlungen. Die Experten plädieren auch dafür, dass Patienten ambulant früher als bisher antivirale Medikamente erhalten.

Wie schätzen unabhängige Experten den Herbst-Plan ein?

„Der Plan ist gut und spiegelt den aktuellen Kenntnisstand wider“, bewertet Epidemiologe Timo Ulrichs auf Nachfrage von FOCUS Online die vorgestellten Maßnahmen. Allerdings sei dieser Stand leider immer noch sehr begrenzt. „Während klar ist, dass eine weitere Pandemiewelle kommen wird, ist unsicher, welche Auswirkungen diese haben wird“, führt er aus. Etwa bestünden Unklarheiten bei der Frage zu schweren Erkrankungen und Todesfälle, sowie weiteren Long-Covid-Fällen und der direkten sowie indirekten Belastung des Gesundheitswesens.

„Wir wissen leider nicht, wie schwer die Auswirkungen sind, deshalb wäre eine bestmögliche und erfahrungsbasierte Vorbereitung ratsam“, erklärt Ulrichs. Genau das schlage der Plan auch vor. „Wir sollten alle Maßnahmen für eine schnelle Wiedereinsetzung vorbereiten, also Maskentragen, Abstandhalten und so weiter.“ Auch, dass der Kommunikation breiter Raum eingeräumt werde, findet er erfreulich.

Zu bemängeln hat Ulrichs eigentlich nur einen Punkt: „Dass der wichtigsten Vorbereitung im Vorfeld der Herbst- und Wintersaison zu wenig Aufmerksamkeit und Betonung zuteil wird: nämlich einer intensiven Impfkampagne für Erst- und Auffrischimpfungen.“

„Das klingt alles sehr sinnvoll“, äußerte sich auch der Hamburger Intensivmediziner Stefan Kluge positiv auf Twitter zu den vorgelegten Maßnahmen. Er sei „gespannt“, wie viel davon umgesetzt werden.

Doch es sind längst nicht alle Experten sind mit dem Plan zufrieden.

Etwa kritisierte Statisiker Gerd Antes auf Twitter die Vorbereitungen auf den Herbst. „Maßnahmen ins Gesetz schreiben zu wollen, ohne diese evaluiert zu haben, ist natürlich ein Offenbarungseid“, schrieb er dort. Damit spricht er einen Punkt an, den auch die Bundesärztekammer scharf kritisiert: Es fehlen Daten.

„Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren einen wahren Datenblindflug erlebt, der keine gute Grundlage für rationale Entscheidungen war“, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt der Funke-Mediengruppe am Donnerstag. Nur wenn Klarheit über das tatsächliche Infektionsgeschehen herrsche, könne die Belegung der Krankenhaus- und Intensivbetten realistisch prognostiziert werden. Die Bundesregierung sollte sich daher den Rat ihrer Experten zu eigen machen und endlich systematisch Daten zu Infektionsdynamik, Krankheitsschwere und zur Belastung des Gesundheitswesens erheben und auswerten, erklärte er weiter.

Ähnlich wie Reinhardt äußerte sich auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Die Politik rief er in der „Rheinischen Post“ und im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) auf, die Frage zu klären, wer die Kosten für die notwendigen IT-Investitionen übernimmt.

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