Schon im Vorfeld der Proteste am 14. Juni sind in der deutschen Presse zahlreiche Beiträge zur Situation der Apothekerschaft zu finden. Wenig überraschend sind sie zum Teil sehr unterschiedlich. Vor allem in der Lokalpresse findet man viel Verständnis, klar ist aber auch: Die „Fakten“ aus dem Hause Lauterbach sind in den Medien ebenfalls angekommen. Die DAZ warf einen Blick auf die Vorberichterstattung zur Bambule am Mittwoch.
„Retaxation“, „Fixhonorar“, „Apothekenabschlag“ und „Rabattverträge“: Wer hätte gedacht, dass man diese Begriffe irgendwann einmal so geballt in den Medien zu lesen bekommt? Die für den Mittwoch angekündigten Proteste und Schließungen haben einigen Staub aufgewirbelt – bereits jetzt findet man in der Presse zahlreiche Berichte über die Situation der Apotheken. Zu Wochenbeginn sorgte aber noch einmal der Bundesgesundheitsminister für Schlagzeilen. Es war klar: Wenn das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sich die Mühe macht, ein „Faktenblatt“ in den Umlauf zu bringen, dann wird es nicht bei dieser einen Wortmeldung bleiben.
Nachdem Karl Lauterbach (SPD) vergangene Woche auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nachgelegt hatte und sich dann in der „Tagesschau“ relativ versöhnlich zu Wort meldete, wollte er offenbar auch das Wochenende nicht untätig verstreichen lassen. Die Bild am Sonntag (BamS) zitierte den Minister mit den Worten: „Die gesetzlichen Krankenkassen klagen über Finanzprobleme, der Finanzminister kürzt die Mittel. Unter diesen Umständen ist für höhere Honorare im Moment kein Raum.“
„Klare Profiteure der Pandemie!“
In dem Beitrag kommen auch der Präsident der Bundesapothekenkammer, Thomas Benkert, und ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zu Wort. Aber mit dem Hinweis, die Apotheken hätten während der Pandemie circa 3,5 Milliarden Euro Umsatz gemacht, kommt das Springer-Blatt zu dem Schluss „Klare Profiteure der Pandemie!“ – und es wird klar, dass die „Fakten“ aus dem Hause Lauterbach bei den Medien verfangen. Aufgegriffen wurde der Kommentar Lauterbachs aus der BamS von der Deutschen Presseagentur und dann im Anschluss von vielen weiteren Medien, beispielsweise Spiegel Online – unter der Schlagzeile „Lauterbach lässt Apotheker auflaufen“.
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Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist nicht sonderlich begeistert von den Apothekenschließungen. In einem Kommentar werden am Freitag die Forderungen der Apothekerschaft aufgezählt, Hintergründe der wirtschaftlichen Entwicklung und das Problem des Nachwuchsmangels erläutert, um dann schulmeisterlich zu erklären: „Korrelationen sind keine Kausalitäten“. Die konservative Tageszeitung kritisiert das „Schwarze-Peter-Spiel“ zwischen Ministerium und ABDA und präsentiert als Lösung zum einen Niederlassungsanreize für Apotheken auf dem Land und fordert: Die Gewinne der Apotheken müssten „transparent“ gemacht werden, „um zu sehen, wie gut oder schlecht es den Apotheken wirklich geht“. Ansonsten entstünde „der Eindruck eines Klagens auf hohem Niveau“. Der Kommentar schließt mit den Worten: „Entsprechend gering ist das Verständnis für die Arbeitsniederlegung am Mittwoch.“
77 Prozent der Bevölkerung unterstützen Streikforderungen
Das mag in der FAZ-Redaktion so sein – die Tageszeitung hat sich schließlich noch nie dadurch hervorgetan, dass sie sich allzu sehr für die Belange von Streikenden einsetzt –, warum sie aber daraus auf den Rest der Republik schließt, ist schleierhaft. Der sieht das nämlich ganz anders. Zumindest hat der Arzneimittelhersteller Engelhard in einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, dass mehr als 77 Prozent der Befragten die Streikforderungen der Apothekerschaft unterstützen. Mehr als 72 Prozent erachten die Vor-Ort-Apotheke als unverzichtbar für ihre Gesundheitsversorgung. Die Umfrageergebnisse wurden am Montag in einer Pressemitteilung verbreitet.
Anders zieht die Süddeutsche Zeitung die Geschichte auf. Am Sonntag berichtete sie unter der Schlagzeile „Wenn Apotheker auf die Straße gehen“ ausführlich über die Dresdner Apothekeninhaberin Sylvia Trautmann. „Ich habe die Nase voll“, sagt sie und bekommt viel Raum zugestanden, um zu erklären, warum sie am Mittwoch protestieren wird. Auch Rechtsanwalt Morton Douglas kommt zu Wort in der Frage, ob die Apothekerschaft überhaupt streiken darf. Douglas ist überzeugt davon.
Aufreger in der Lokalpresse
Während die großen Medienhäuser des Landes sich bislang mit Berichten zu den Apothekenschließungen aber im Wesentlichen zurückgehalten haben, zeigt sich: In der Lokalpresse hingegen sind sie ein Aufreger. Neben den Hintergründen für den Protest und Hinweisen, welche Apotheken in der jeweiligen Region geschlossen sein werden, und welche Notdienste schieben, findet man detaillierte Artikel über die Situation der jeweiligen Apotheken in der Gegend. Allein auf der Webseite der Märkischen Allgemeinen Zeitung aus Brandenburg sind acht Beiträge (Stand mittags 12.6.2023) zu verschiedenen Städten in der Region. Am Montag berichtet die Zeitung aus Brandenburg an der Havel und zitiert Ariane Schönmuth von der Mozart-Apotheke mit den Worten: „Die Bundesregierung hat diesen Protesttag provoziert. Wir erleben zu viel Bürokratie, Lieferengpässe und eine Unterfinanzierung. So geht es nicht weiter.“ In dem Ort machen von zwölf Apotheken neun dicht, zwei überlegen noch, die Easy-Apotheke will offenbleiben.
Bereits am Freitag berichtete beispielsweise der Münchener Merkur über die St.-Ulrich-Apotheke in Peißenberg und Inhaber Philipp Kircher. Der hat die Apotheke vor drei Jahren von seinem Vater übernommen und klärt in dem Bericht unter anderem über „das Ärgernis Retaxation“ auf. Aber auch in diesem Bericht taucht das „Faktenblatt“ auf und nach einer Darstellung der Position des BMG folgt die Frage: „Wird sich hier also womöglich auf hohem Niveau beklagt?“ Kircher wird zumindest Raum eingeräumt, die „Fakten“ beispielsweise zu den Umsätzen in der Pandemie einzuordnen.
Man darf davon ausgehen, dass die Berichte zu den Schließungen und Protesten im Lauf der Woche zunehmen werden. „Es kommt selten vor, dass Apotheker streiken“, heißt es schließlich auch in dem bereits erwähnten Beitrag der Süddeutschen Zeitung. Dass nun bereits so viel über das zu lesen war, was die Apothekerschaft bewegt, über die katastrophale Situation, die auch die Arzneimittelversorgung in Deutschland gefährdet, ist sicherlich ein kleiner Erfolg. Aber die Frage ist natürlich, was kommt am Ende dabei heraus? Kann der Protest am 14. Juni die Menschen überzeugen und Druck auf die Regierung erzeugen? Das BMG zumindest hat wiederholt klargemacht, dass es so schnell nicht auf die Forderungen der Apothekerinnen und Apotheker eingehen wird.
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