Diäten, Muskelaufbau, Waagen: Mit all dem kennt Heike Niemeier sich aus. Die Hamburgerin ist Ernährungsexpertin, berät und begleitet Menschen auf Ihrem Weg zur Wunschfigur und schrieb das Buch "Essen gut, alles gut: Wie wir wieder lernen, auf unseren Bauch zu hören". Warum Niemeier ein Verfechter von Protein Shakes ist, wie früh unser Körper beginnt abzubauen und wie Sie das aufhalten können, erklärt die Expertin im stern-Gespräch.
Frau Niemeier, sind Protein Shakes nicht nur etwas für Bodybuilder?
Der Muskelaufbau erfolgt erst dann, wenn wir einen Kalorienüberschuss haben. Und dieser Überschuss muss aus Proteinen kommen. Denn das ist das Baumaterial der Muskeln. Und da alle Menschen ein Interesse an Muskeln haben sollten, sind Protein Shakes nicht nur etwas für Bodybuilder. Muskeln schützen und geben wichtige Hormone frei. Und mit zunehmendem Alter baut der Körper Muskeln ab. Um diesem Abbau entgegenzuwirken, helfen Proteine. Shakes bieten eine schnelle, unkomplizierte Proteinversorgung und sind im Grunde für jeden geeignet.
In welchem Alter beginnt der Muskelabbau?
Im Alter von 20 bis 30 Jahren bereits. Und mit körperlichem Training wirkt man dem Abbau entgegen.
Protein Shake zum Abnehmen – geht das?
Einige Hersteller versprechen eine Gewichtsabnahme mithilfe von Protein Shakes. Aber nimmt man durch die Einnahme dann nicht sogar zu?
Jein. Wenn die Gewichtszunahme auf Basis von mehr Muskelmasse erfolgt, bekommt man bei uns in der Beratung den Applaus. Man muss bei der Gewichtsveränderung nämlich unterscheiden: Ist mehr Muskelmasse oder mehr Fett im Körper dazugekommen? Aber grundsätzlich eignen sich Protein Shakes auch zur Gewichtsabnahme. Denn Proteine haben den höchsten Sättigungseffekt. Der Magen ist länger damit beschäftigt. Zudem werden im Darm Hormone freigesetzt, die dem Gehirn signalisieren: Ich bin satt. Und dafür sind proteinreiche Lebensmittel und auch Protein Shakes gut. Viele Menschen reduzieren bei einer Diät die Kalorienzufuhr und nehmen automatisch weniger Proteine zu sich. Dann werden Muskeln abgebaut. Protein Shakes helfen, die Muskelmasse zu erhalten.
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Wie wird der Unterschied zwischen Muskelmasse und Fett messbar?
Wir verwenden in der Praxis eine sogenannte BIA-Waage. BIA steht für Bioelektrische Impedanz-Analyse. Sie macht sichtbar, was man von außen nicht sieht. Nämlich wie viel Fett und wie viel Muskeln im Körper vorhanden und verteilt sind. Das Gerät funktioniert mit Elektroden an den Füßen und Händen. Somit wird der ganze Körper vermessen. BIA-Waagen messen unterschiedlich genau. Präzise Geräte kosten mehrere Tausend Euro. Das ist der Unterschied zu Waagen für zu Hause.
Wie funktionieren die?
Das Messprinzip ist das gleiche. Man stellt sich auf die Waage, es läuft ein Strom durch den Körper und das Gerät spuckt Daten aus. Wenn aber nur die Füße auf der Waage stehen, dann wird nur der Unterkörper vermessen. Der Oberkörper wird geschätzt. In den Einstellungen solcher Waagen geben Sie vorher ihr Geschlecht, Alter und Körpergröße ein. Das Gerät verwendet dann für den Oberkörper einen Durchschnittswert, der zu Ihren Daten passt. Um ungefähr einen Überblick zu bekommen, sind solche Waagen in Ordnung. Präziser sind aber medizinische BIA-Waagen.
Um dann schließlich Muskelmasse aufzubauen und zu erhalten, helfen also Protein Shakes. Geht es auch ohne?
Ich bin grundsätzlich im Team Lebensmittel. Man braucht nicht zwangsläufig Protein Shakes. Quark, Hüttenkäse, Fleisch in Bioqualität, Eier, Soja, Tofu, Erdnüsse und Kürbiskerne sind sehr gute Proteinquellen. Shakes sind allerdings praktisch, wenn man wenig Zeit hat, um etwas zuzubereiten. Es ist allerdings keine gute Idee, sich auf Dauer nur von Protein Shakes zu ernähren. Denn die Nährstoffversorgung ist bei Produkten aus dem Handel nicht ausreichend.
Protein Shakes sollten also keine Mahlzeiten ersetzen?
Nur wenn man keine Zeit hat, Mahlzeiten vorzubereiten und zu essen. Ich würde Protein Shakes als Nahrungsergänzung ansehen. Wer längere Zeit zu Protein Shakes greifen möchte, sollte dies unter ärztlicher Kontrolle machen und darauf achten, dass sie auch eine ausreichende Menge an Mineralstoffen und Vitaminen haben, sogenannte Formula-Diäten.
Erzielt man schnellere Ergebnisse im Muskelaufbau, wenn man neben einer proteinreichen Ernährung zusätzlich Shakes zu sich nimmt?
Möglicherweise. Pro Kilogramm Körpergewicht sollte man mindestens 1,6 Gramm Eiweiß zu sich nehmen. Man multipliziert also das eigene Gewicht mit dem Faktor 1,6 und hat den benötigten Eiweißbedarf pro Tag errechnet. Um diesen Bedarf leichter zu decken, hilft es oft, zusätzlich Protein Shakes zu sich zu nehmen.
Was sollte man bezüglich Nähr- und Inhaltsstoffen von Protein Shakes beachten?
Es gibt zweierlei gute Proteinquellen. Die eine ist das Molkenprotein, das auch Whey-Proteingenannt wird. Und das andere ist das Casein-Protein. Whey ist schnell verfügbar. Das ist ein gutes Protein für Shakes, die man tagsüber zu sich nimmt. Casein wirkt langsamer. Das nimmt man eher abends als Gute-Nacht-Shake für den Muskelaufbau in der Nacht. Außerdem sollte der Proteingehalt mindestens 50 Prozent betragen, also 50 Gramm Protein auf 100 Gramm Shake, noch besser wären 70 Gramm. Menschen, die zu veganen Produkten greifen, sollten darauf achten, dass die Proteine aus verschiedenen pflanzlichen Quellen kommen. Zum Beispiel Erbse, Reis und Soja. Pflanzliche Eiweißquellen sind für sich allein nicht so hochwertig wie Molkenproteine. Deswegen mischt man sie. Die Relation der verschiedenen Aminosäuren aus Proteinen ist neben der Menge nämlich ebenfalls wichtig. Für den Muskelaufbau ist eine bestimmte Aminosäure besonders bedeutend, das sogenannte Leucin. Dieser Wert sollte im Protein Shake hoch sein. Man sollte auch darauf achten, dass wenig bis keine Zusatzstoffe im Pulver vorhanden sind. Und dass es in der EU zugelassen wurde.
Wann ist die beste Zeit für einen Protein Shake? Vor dem Sport, um genug Energie zu haben oder danach?
Den ganzen Tag über sollte man ausreichend Proteine zu sich nehmen. Also nicht nur nach dem Sport, sondern regelmäßig, da die Muskeln permanent abgebaut und durch die Zufuhr neuer Proteine erst wieder aufgebaut werden. Wenn man nach dem Sport schnell wieder Hunger hat, sollte die erste Mahlzeit Eiweiß enthalten, damit man nicht sofort so viele Kohlenhydrate und Fette zu sich nimmt. Das unterbricht die Fettverbrennung, wenn man abnehmen will. Mahlzeiten nach dem Sport sollten demnach fett- und kohlenhydratarm, dafür proteinreich sein.
Kann man auch zu viele Proteine zu sich nehmen?
Ja. Ein natürlicher Schutz-Mechanismus ist jedoch, dass uns sehr übel wird. Menschen, die diesen Mechanismus ignorieren und getrieben sind vom Muskelaufbau, können auch eine Essstörung entwickelt haben. Ab etwa drei Gramm Eiweiß pro Kilokörpergewicht spricht man von einem Zuviel. Bei dieser Menge ist den meisten Menschen aber schon sehr übel. Außerdem sollte man ausreichend Wasser trinken. Mindestens zwei Liter. Zudem werden durch den Abbau von Proteinen im Körper überschüssige Säuren im Körper gebildet, die nur durch Mineralstoffe ausgeglichen werden. Und die findet man im Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten. Ein Steak ist deswegen immer mit einem Salat zu begleiten.
Wie sieht ein passendes Sportprogramm aus, wenn man Muskeln aufbauen und gleichzeitig Gewicht reduzieren möchte?
Ohne Training findet ein Muskelaufbau nicht statt. Das ist die Grundvoraussetzung. Ein passendes Sportprogramm beinhaltet Ausdauertraining wie Joggen, wobei Krafttraining größere Effekte erzielen kann. Für Übergewichtige ist zum Beispiel Joggen sehr anstrengend, weshalb hier erst mal Krafttraining effektiver sein kann. Deshalb beginnt man oft damit und ergänzt es durch Ausdauertraining. Selbst wenn man kein Bodybuilder werden möchte, sondern nur einen definierten Körper erzielt, ist eine progressive Steigerung der Muskelmasse wichtig, um sichtbare Erfolge zu erreichen und sie auch zu halten.
Wann werden Erfolge sichtbar?
Das kann man pauschal nicht sagen. Es ist wichtig, regelmäßig und progressiv zu trainieren. Die ersten sichtbaren Veränderungen hängen nicht nur vom Training, sondern auch von verschiedenen anderen Faktoren ab, wie Alter, Stresslevel, Schlafqualität, Alkoholkonsum und Medikamenten. Die gute Laune und Motivation sind jedoch entscheidend. Und wenn man dann die Wunsch-Muskelmasse oder Figur erreicht hat, muss man nicht unbedingt weiterhin progressiv trainieren, sondern kann einfach kontinuierlich weitertrainieren, ohne mehr Gewichte zu stemmen. Es ist wichtig, die Freude am Training zu behalten und sich nicht zu stark unter Druck zu setzen.
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