Vielversprechende Daten: Corona-Impfstoff soll 90-prozentigen Schutz bieten

Erstmals gibt es zu einem für Europa maßgeblichen Corona-Impfstoff Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase.

Wie das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech am Montag mitteilte, bietet seine Impfung diesen Daten zufolge einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19.

Weiter hieß es, Biontech und der Pharmariese Pfizer wollten voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Fortschritte des Mainzer Unternehmens Biontech und des Pharmakonzerns Pfizer bei einem Corona-Impfstoff als „sehr ermutigend bezeichnet“. 

Spahn sagte, die Ergebnisse zeigten, „dass dieser Impfstoff einen Unterschied macht“. Es freue ihn sehr, dass ein deutsches Unternehmen zu den ersten mit solchen Erfolgen zähle.

Gleichwohl müssten natürlich weitere Erfahrungen abgewartet werden. „Das heißt noch nicht, dass morgen die Zulassung erfolgt.“

Spahn erläuterte, eine Zulassung bei der FDA wäre zuerst einmal eine Zulassung in den USA. „Es kann dadurch eine zeitliche Differenz entstehen zwischen amerikanischer und europäischer Zulassung.“

Doch gehe er von einer parallelen Beantragung bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA aus. Als deutscher Gesundheitsminister wolle er erreichen, dass ein Impfstoff eines deutschen Unternehmens „nicht zuerst in anderen Ländern zur Verfügung steht“.
 

Erste Corona-Impfungen noch in diesem Jahr?

Für den Fall der Zulassung macht Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing Hoffnung auf einen raschen Impfstart: „Wenn dieser Schritt erfolgen wird, könnte in der Tat bereits Ende 2020 eine Impfwelle anrollen.“

Die vorgestellten Ergebnisse seien ein „Silberstreifen an dem sonst so düsteren Horizont“. Der Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York nannte die Bekanntgabe die „beste Nachricht“ für ihn seit Beginn der Pandemie.

Biontech hatte den Impfstoff BNT162b2 im Projekt „Lightspeed“ (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Januar entwickelt. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern.

Bis Montag haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.

In der Studie wurden demnach bis Sonntag insgesamt 94 Fälle der Krankheit bestätigt. Die Ergebnisse werden nach Angaben von Biontech und Pfizer erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind.

Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.

Der Infektiologe Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln sprach von „großartigen und vielversprechenden Daten“. „Ich denke, das wird unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen, und ich hoffe, dass rasch große Mengen des Impfstoffes zur Verfügung stehen werden.“

Allerdings gaben Experten auch zu bedenken, dass die Daten zunächst nur aus einer Pressemitteilung stammen und nicht aus einer wissenschaftlichen Publikation.

So fehlten etwa Informationen zum Schutzeffekt in bestimmten Altersgruppen und dazu, wie lange ein Impfschutz anhält.
 

So wirkt der Corona-Impfstoff

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff, der auf einem bislang völlig neuen Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt.

Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Ein Vorteil von RNA-Impfstoffen ist, dass sie wesentlich schneller als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitzustellen, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen.

Die EU-Kommission verhandelt bereits seit einiger Zeit mit Biontech/Pfizer über einen Rahmenvertrag zur Lieferung des Impfstoffs an alle EU-Staaten. Dazu gebe es aber nichts Neues, sagte ein Kommissionssprecher am Montagmittag.

Bereits im September hatte die Kommission mitgeteilt, sie wolle bis zu 300 Millionen Impfdosen von Biontech bestellen. Unterzeichnet hat sie Rahmenverträge bisher mit den Pharmafirmen Johnson&Johnson, Astrazeneca und Sanofi.

Für Corona-Impfstoffe gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der Ema können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen.

Das bedeute allerdings nicht, „dass die Anforderungen gesenkt werden“, versicherte Spahn. Der Prozess könne so aber schneller gehen.

Ein solches Rolling-Review-Verfahren hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca für seinen Impfstoff-Kandidaten gestartet. Astrazeneca hat bisher keine Phase-III-Daten veröffentlicht. Zum Zeitplan dafür lasse sich noch nichts sagen, teilte eine Sprecherin am Montag mit.

Zwar haben schon Länder wie Russland, China und kürzlich erst Bahrain Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung.

Aber wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist derzeit weitgehend offen.

Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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