Wann Fluorchinolone und wann nicht? 

Aufgrund von Nebenwirkungen wurde die Anwendung von Fluorchinolonen bereits vor Jahren eingeschränkt. Doch die Mittel werden weiterhin außerhalb der empfohlenen Anwendungsgebiete verordnet. Mit einem Rote-Hand-Brief haben daher die Zulassungsinhaber kürzlich an die Anwendungsbeschränkungen erinnert. Anlass genug, sich anzusehen, in welchen Indikationen diese Wirkstoffgruppe noch ihre Berechtigung hat. 

Fluorchinolone zählen zu den Breitbandantibiotika, da sie überwiegend gegen grampositive und gramnegative Bakterien sowie Anaerobier wirken. Ihr Hauptangriffspunkt sind bakterielle Topoisomerasen und somit En­zyme, welche an der DNA-Replikation beteiligt sind. Dadurch verhindern sie die Vermehrung und Ausbreitung der Bakterien. Der im Juni 2023 veröffentlichte Rote-Hand-Brief zu Fluorchinolon-Antibiotika zur systemischen und/oder inhalativen Anwendung bezieht sich auf die folgenden Wirkstoffe:

  • Ciprofloxacin (z. B. Ciprobay®)
  • Delafloxacin (in D nicht erhältlich)
  • Levofloxacin (z. B. Tavanic®, Quins­air®)
  • Moxifloxacin (z. B. Avalox®)
  • Norfloxacin (z. B. Norflohexal®)
  • Ofloxacin (z. B. Oflox Basics)

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Aufgrund von sehr seltenen, aber potenziell lebenslang beeinträchtigenden Nebenwirkungen sollte die Behandlung mit Fluorchinolonen nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung initiiert werden. In Deutschland sind Fluorchinolone u. a. für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

  • intraabdominale Infektionen
  • untere Atemwegsinfektionen ver­ursacht durch gramnegative Bakterien, z. B. Pneumonie
  • akute Verschlechterung der chronischen Sinusitis, insbesondere wenn sie durch gramnegative Bakterien verursacht ist
  • Harnwegsinfektionen, z. B. komplizierte Harnwegsinfektionen oder akute Pyelonephritis
  • akute und chronische bakterielle Prostatitis
  • Infektionen des Genitaltraktes, z. B. Gonokokken-Urethritis und -Zerviz­itis verursacht durch empfindliche Neisseria gonorrhoeae
  • Infektionen der Knochen und Gelenke

Anwendung stark beschränkt

Hierbei ist zu beachten, dass Fluorchinolone vor allem bei schweren bakteriellen Infektionen eingesetzt werden sollen oder wenn andere Antibiotika als ungeeignet erachtet werden. Beispielsweise gelten Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und Trimethoprim als Mittel der ersten Wahl bei einer unkomplizierten Zystitis. Ciprofloxacin und Levofloxacin werden hingegen ebenso wie Ceftriaxon und Cefotaxim als Mittel erster Wahl bei einer unkomplizierten Pyelonephritis mit schwerem Verlauf empfohlen. Auch werden Infektionen mit Fluorchinolonen behandelt, für die nur wenige Antibiotika zur Verfügung stehen, wie eine akute bakterielle Prostatitis.

Systemische oder inhalative Fluorchinolone sollten laut dem aktuellen Rote-Hand-Brief nicht verordnet werden zur Behandlung von:

  • nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen, z. B. Tonsillitis, Pharyngitis, akute Bronchitis,
  • leichten bis mittelschweren Infektionen, darunter unkomplizierte Zyst­itis, akute bakterielle Rhinosinusitis, akute Otitis media, akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), es sei denn, andere üblicherweise ein­gesetzte Antibiotika werden als ungeeignet erachtet,
  • nicht bakteriellen Infektionen, z. B. nicht bakterielle (chronische) Prostatitis,

und auch nicht zur Prävention von:

  • Reisediarrhö oder
  • rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege.

Patienten, die bereits mit schwer­wiegenden Nebenwirkungen auf Chinolon- oder Fluorchinolon-Antibiotika reagiert haben, sollen ebenfalls keine systemischen oder inhalativen Fluorchinolone erhalten.

Sehr seltene, schwerwiegende Nebenwirkungen

Die Anwendung der Fluorchinolone wurde bereits 2019 beschränkt, nachdem die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in einer Risikobewertung schwerwiegende und langanhaltende (über Monate bis Jahre), die Lebensqualität beeinträchtigende und möglicherweise irreversible Nebenwirkungen festgestellt hat. Diese betreffen insbesondere den Bewegungsapparat und das Nervensystem. Die schwer­wiegenden Nebenwirkungen umfassen: Tendinitis, Sehnenruptur, Arthralgie, Schmerzen in den Extremitäten, Gangstörungen, Neuropathien mit Parästhesien, Depressionen, Fatigue, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, Psychosen, Schlafstörungen sowie Beeinträchtigungen der Sinne (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken). Sehnenschäden können innerhalb von 48 Stunden nach Behandlungsbeginn, aber auch noch Monate nach Behandlungsende auftreten. Die Häufigkeit dieser schwerwiegenden Nebenwirkungen liegt bei 1 zu 10.000 (sehr selten). Ein erhöhtes Risiko für Fluorchinolon-­induzierte Tendinitis und Sehnenruptur haben ältere Patienten, Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Organtransplantierte und Patienten, die mit Corticosteroiden behandelt werden. Bei diesen Patienten sollten Fluorchinolone mit besonderer Vorsicht angewendet werden. Eine gleichzeitige Behandlung mit Corticosteroiden und Fluorchinolonen sollte unterbleiben.

Praktisches Beratungsbeispiel

Ein praktisches Beispiel, wie Sie in der Apotheke vorgehen können, wenn ein Rezept über ein Fluorchinolon vorgelegt wird, finden Sie in der aktuellen DAZ. 


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