Über psychische Gesundheit zu sprechen, ist heute kein Tabu mehr: Prominente berichten in den Medien von Depressionen, Angst-, Zwangs- und Essstörungen und in Unternehmen gibt es Schulungen zu Achtsamkeit und Stressbewältigung. Welche Auswirkungen hat das auf unseren Umgang damit? Mit dieser Frage beschäftigt sich Antonia Schmitz, BPhD-Beauftragte für Public Health, in der aktuellen DAZ-Kolumne des Verbands.
Durch die Fortschritte in der Forschung wissen wir heute mehr über die neurologischen, psychologischen und sozialen Faktoren, die zur Entstehung psychischer Erkrankungen beitragen können. Aber mehr wissenschaftliche Erkenntnisse bedeuten nicht gleichzeitig mehr Verständnis und gesellschaftliche Toleranz. Trotz der gestiegenen Aufmerksamkeit für psychische Gesundheit gibt es in der Gesellschaft noch immer viele Stigmata gegenüber psychisch kranken Menschen, welche regelmäßig zu sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung führen.
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BPhD-Kolumne
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Ein häufiges Vorurteil gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen ist das Selbstverschulden. Ihnen wird vorgeworfen, selbst verantwortlich für ihre Erkrankung zu sein und nicht genug dagegen zu unternehmen. Dieser Vorwurf hat oft als Ursache, dass bei Außenstehenden falsche Vorstellungen vorherrschen, was gegen eine psychische Erkrankung getan werden kann.
Nur nicht resilient genug?
Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, wird in den Medien heute oft als Lösung für psychische Probleme präsentiert und ist mit der Zeit zu einem Modebegriff avanciert. Resilienz ist sicher eine wichtige Fähigkeit, um schwierige Situationen im Leben zu bewältigen und sie kann auch bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen von Bedeutung sein. Sie ist jedoch keine alleinige Lösung für psychische Probleme. Dass dies in den Medien teilweise so vermittelt wird, kann psychisch kranke Menschen zusätzlich belasten. Zum einen dadurch, dass sie glauben, ihre Erkrankung einfach durch Resilienz bewältigen zu können oder gar zu müssen, denn das kann ein Gefühl von Versagen auslösen, wenn die Symptome nicht allein durch Resilienz bewältigt werden können. Zum anderen kann dadurch Stigmatisierung und Ausgrenzung ausgelöst werden, weil Außenstehende der Auffassung sind, psychisch Kranke seien nur zu wenig resilient.
Der Fokus muss von der Idee, Resilienz sei DIE Lösung für psychische Probleme, darauf verlegt werden, dass psychisch kranke Menschen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ihre Erkrankung bewältigen zu können. Dafür muss unter anderem die mediale Darstellung von psychischer Gesundheit und Resilienz verändert werden, beispielsweise durch das Einbeziehen von Expert*innen und Betroffenen in die Debatte, um eine differenzierte Sichtweise auf die Thematik zu ermöglichen. Außerdem sollte die Bedeutung einer umfassenden Behandlung psychischer Erkrankungen, zu der psychotherapeutische und gegebenenfalls medizinische Unterstützung gehört, hervorgehoben werden.
Anders als körperliche Erkrankungen?
Stigmata und Vorurteile beruhen oft auf einem Mangel an Verständnis und Aufklärung über psychische Erkrankungen. Es ist wichtig, zwischen der Person und der Erkrankung zu unterscheiden. Nehmen wir als Beispiel eine Person, die an einer Depression erkrankt ist. Diese Person könnte sagen „Ich bin depressiv“, aber es wäre viel treffender zu sagen „Ich habe eine Depression“. Die Depression ist keine Charaktereigenschaft, sondern eine Krankheit. Eine Krankheit ist per Definition eine Störung der normalen Funktion eines Organs oder Körperteils oder auch des geistigen, seelischen Wohlbefindens. Folglich ist auch eine psychische Erkrankung eine Krankheit und sollte als eine solche angesehen werden.
Psychische Erkrankungen äußern sich in verschiedenen Pathomechanismen und sind ebenso behandlungsbedürftig wie körperliche Erkrankungen. Statt Stigmatisierung brauchen psychisch kranke Menschen Akzeptanz und Unterstützung. Das kann erreicht werden durch eine breitere öffentliche Aufklärung und eine Verbesserung der Versorgungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen. Um sicherzustellen, dass ausreichend Ressourcen für die Behandlung und Betreuung psychisch kranker Menschen zur Verfügung stehen, muss die Bedarfsplanung für Einrichtungen der psychischen Gesundheitsversorgung reformiert werden. Die Bereitstellung von Dienstleistungen, die für eine qualitativ hochwertige und zugängliche Versorgung für Menschen mit psychischen Erkrankungen nötig sind, darf nicht aufgrund von finanziellen Beschränkungen eingeschränkt sein.
Was können wir tun?
Bei der Versorgung psychisch kranker Menschen kommt auch Apotheker*innen eine unverzichtbare Rolle zu, denn als erste Ansprechpersonen für Patient*innen, die Medikamente zur Behandlung ihrer psychischen Erkrankung benötigen, tragen sie eine entscheidende Verantwortung. Es ist ihre Pflicht, über die korrekte Einnahme der Medikamente und mögliche Nebenwirkungen aufzuklären. Diese können bei Psychopharmaka zum Teil stark sein, weshalb besonders hier die Aufklärung nötig ist.
Außerdem können Apotheker*innen dazu beitragen, die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen sowie der Einnahme von Psychopharmaka zu verringern, indem sie offen und unterstützend mit ihren Patient*innen umgehen, auf deren Bedürfnisse eingehen und einen sicheren Raum ohne Vorurteile schaffen. Dazu gehört auch das Ernstnehmen der Gefühle und Symptome der Betroffenen. Darüber hinaus können Apotheker*innen das Bewusstsein für psychische Gesundheit in der Öffentlichkeit fördern, indem sie Informationen bereitstellen und aktiv an Aufklärungskampagnen teilnehmen.
Wertschätzung für alle
Indem wir das Bewusstsein für und die Bedeutung von psychischer Gesundheit erhöhen, können wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen, unabhängig von psychischen Erkrankungen, gleichermaßen wertgeschätzt werden.
Daran können auch wir Pharmaziestudierenden und Jungpharmazeut*innen uns beteiligen. Das diesjährige PharmaWeekend des BPhD wird unter dem Motto „Wenn der Kopf anders tickt – Psychische Erkrankungen” vom 16. bis zum 18. Juni in Würzburg stattfinden. Der BPhD möchte damit das Bewusstsein für diese wichtige Thematik stärken und den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.
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