Mpox – Wie sich ein etabliertes Antibiotikum als Virostatikum nutzen lässt

Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt am Main und der britischen Universität Kent haben gemeinsam die antivirale Wirkung des seit den 60er-Jahren etablierten Antibiotikums Nitroxolin auf den Erreger der Mpox (aka „Affenpocken“) untersucht. Ihre vielversprechenden Ergebnisse haben sie jetzt im „Journal of Medical Virology“ veröffentlicht. 

Die „Affenpocken“ sind seit Mai 2022 zu einem weltweiten Problem geworden. Das Monkeypox Virus (MPXV) aus der Gattung der Orthopoxviren verursacht zwar in der Regel nur milde Mpox-Erkrankungen – dennoch gibt es auch schwere Verläufe und Todesfälle. Sorge bereitet den Forschern weltweit dabei, dass das Virus, das als zoonotischer Krankheitserreger gilt, mittlerweile von Mensch zu Mensch übertragen wird und in immer mehr Ländern weltweit nachgewiesen wird. 

Nach einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO wurde die Erkrankung „Affenpocken“ beziehungsweise „Monkeypox“ übrigens in Mpox umbenannt, um den von manchen als rassistisch und stigmatisierend empfundenen Charakter des Namens zu vermeiden.

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Zwar ist die Krankheit in den meisten Fällen selbstlimitierend und in der Regel mild, dennoch suchen Forscher weltweit nach Möglichkeiten der Behandlung – auch, um den aktuell grassierenden pandemischen Ausbruch einzudämmen. Die meisten Therapeutika sind allerdings nur gegen die Symptome gerichtet. Mit Tecovirimat gibt es zwar einen speziell gegen Orthopoxviren gerichteten Wirkstoff – der insbesondere gegen die mit den Mpox verwandten „echten Pocken“ entwickelt wurde (etwa als Prävention von Bioterrorismus). Obwohl Tecovirimat, welches das p37-Protein der Orthopoxviren hemmt, erst selten eingesetzt wurde, gibt es aber bereits bekannte Resistenzen gegen den Wirkstoff.

Nitroxolin hat auch eine virale Komponente

Forscher der Goethe-Universität Frankfurt am Main und der britischen Universität Kent haben jetzt einen weiteren sehr vielversprechenden Wirkstoff-Kandidaten gefunden, der den großen Vorteil hat, bereits zugelassen zu sein. Allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Antibiotikum und Antimykotikum: Nitroxolin, ein Antibiotikum aus der Klasse der Hydrochinone, zeigt den Arbeiten der Forscher um Professor Jindrich Cinatl vom Institut für Medizinische Virologie der Goethe-Universität Frankfurt und Professor Martin Michaelis von der „School of Biosciences“ der „University of Kent“ zufolge Wirkung gegen den Erreger der Mpox. Ihre Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt im Fachmagazin „Journal of Medical Virology“. 

Bislang wenden Mediziner das Antibiotikum vor allem bei akuten und chronischen Infektionen der Harnwege mit Bakterien oder Pilzen an. Dabei bindet Nitroxolin als Chelatbildner zweiwertige Kationen wie etwa Magnesium, Mangan oder Eisen und hemmt so das Bakterienwachstum. Die so vermittelte selektive Hemmung etwa der RNA-Polymerase der Bakterien sowie der Pilze wird als Wirkmechanismus angenommen. Dass das Antibiotikum aber auch eine antivirale Wirkung haben könnte, schlossen die Forscher unter anderem aus einer Arbeit, in der Nitroxolin eine solche Wirkung gegen das japanische Enzephalitisvirus zeigte.  

Die Forschungsgruppen von Cinatl und Michaelis untersuchten daher in Zellkulturmodellen und Gewebekulturen menschlicher Haut die Wirkung von Nitroxolin auf die Vermehrung des MPX-Virus. Dabei fanden sie eine effektive Hemmung bei zwölf Virusisolaten aus dem aktuellen Ausbruch bei normalen therapeutischen Wirkstoffkonzentrationen. Außerdem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der Wirkstoff auch bei den Virusstämmen Wirkung zeigt, die gegen Tecovirimat resistent sind. 

Könnte Nitroxolin auch topisch angewendet werden?

Die Wirkung gegen die Viren müsse dabei aber einem anderen Wirkmechanismus folgen als gegen Bakterien und Pilze. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Nitroxolin Wirtszellsignalwege hemmt, die das Mpox-Virus zur Replikation nutzt“, erklärt Michaelis. Diese Wege sind die „PI3K/AKT“- und „RAF/MEK/ERK“-Wege.  
Michaelis kann sich vorstellen, dass Nitroxolin therapeutisch sowohl lokal an den virusbedingten Hautläsionen einsetzbar ist als auch systemisch. „Beides ist denkbar. Allerdings wird insbesondere für ernste Fälle vermutlich eine systemische Anwendung notwendig sein“, sagt er. 

„Die Wirkung muss klinisch bestätigt werden. Da Nitroxolin ein etablierter Wirkstoff ist, der seit langem am Menschen angewendet wird, sollte dies vergleichsweise einfach möglich sein, insbesondere da eine Knappheit an spezifischen Wirkstoffen zur Behandlung der Mpox besteht“, sagt der Forscher über die nächsten Forschungsschritte auf dem Weg zum Therapeutikum. 

Ein Vorteil sei dabei, dass Nitroxolin die breite Wirkung gegen das Virus, aber auch gegen viele Bakterien habe, die bei einer Mpox-Infektion oft für zusätzliche Entzündungen und Verschlechterung des Krankheitsverlaufs sorgen. Darüber hinaus sei der Wirkstoff gut verträglich. 

„Die Entstehung von resistenten Virusstämmen gibt Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Daher ist die Wirkung von Nitroxolin gegenüber tecovirimatresistenten Viren besonders vielversprechend“, sagt Cinatl. „Je mehr unterschiedliche Medikamente zur Behandlung von viralen Erkrankungen zur Verfügung stehen, umso besser. Wir hoffen, dass Nitroxolin zur effektiven Behandlung von Mpox-Patienten beitragen wird“, sagt Michaelis. 


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