Die ersten Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit der Impfstoffe gegen Omikron liefern ernüchternde Ergebnisse: Offenbar kann die Variante Impf-Antikörper vollständig aushebeln. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen und erklären, was Geimpfte und Impfwillige jetzt wissen sollten.
Die Ergebnisse, welche die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek am Mittwoch zur Wirksamkeit der zugelassenen Impfstoffe gegen Omikron verkündete, sind ernüchternd. Demnach schützen uns die Antikörper, die durch die Impfstoffe im Körper gebildet werden, nicht vor einer Infektion mit Omikron. Keine guten Nachrichten also, zumal sich die Variante bereits weltweit ausbreitet und auch schon in Deutschland zahlreiche Fälle bestätigt worden sind.
Neue Daten zur Impfwirkung bei Omikron
Da Omikron zudem deutlich infektiöser als Delta zu sein scheint, gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass sie innerhalb der nächsten Monate weltweit das Infektionsgeschehen dominieren könnte und Delta verdrängt. Was bedeutet das nun für die Impfung? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
1. Sollte ich mich jetzt überhaupt noch impfen lassen?
Ja! Noch dominiert Delta das Infektionsgeschehen in Deutschland. Die Impfungen bieten also einen guten Schutz vor schweren Verläufen – auch wenn eine Infektion trotzdem möglich ist. Deshalb ist die Impfung nach wie vor das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Pandemie.
Dasselbe gilt auch für Omikron. Auch hier bietet die Impfung einen gewissen Schutz. Die Daten von Sandra Ciesek deuten lediglich darauf hin, dass eine zweifache Impfung möglicherweise nicht ausreicht, die Variante unschädlich zu machen. Der Grund: Die durch die Zweifach-Impfung gebildeten Antikörper können die neue Variante nicht neutralisieren.
Ihre Ergebnisse zeigen Folgendes: Wer zweimal mit Biontech, zweimal mit Moderna oder mit Astrazeneca und Biontech kreuzgeimpft ist, hat nach sechs Monaten keinerlei Immunschutz durch die Antikörper mehr gegen die neue Variante. Das heißt, die Impfung schützt dann nicht mehr vor Ansteckung. Das heißt aber nicht, dass kein Schutz gegen Erkrankung besteht. Denn eine Immunantwort setzt sich aus vielen zellulären Komponenten zusammen und beruht nicht nur auf Antikörpern.
2. Brauche ich eine Booster-Impfung?
Ja! Da die Schutzwirkung nach der vollständigen Impfung (zwei Dosen) gegen Delta nachlässt, ist es wichtig, sich spätestens nach sechs Monaten boostern zu lassen. Im Kampf gegen Omikron bietet die Drittimpfung ebenfalls einen besseren Schutz als die doppelte Impfung.
Laut Ciesek neutralisiert der Booster drei Monate nach der Impfung Omikron zumindest noch zu 25 Prozent. Bei Delta dagegen neutralisiert der Booster das Coronavirus zu 95 Prozent. Das heißt Ciesek zufolge: Der Schutz durch den Booster gegen Omikron lässt im Vergleich zu Delta um den Faktor 37 nach.
Auch Biontech/Pfizer veröffentlichte mittlerweile Daten aus eigenen Studien dazu. Sie zeigen ebenfalls, dass eine zweifache Impfung weniger schützt als eine dreifache. Die neutralisierenden Antikörpertiter gegen Omikron waren bei der Drittimpfung im Vergleich zur Zweitimpfung um das 25-Fache erhöht.
Auch Christian Drosten betont bezüglich der Ergebnisse, die Ciesek veröffentlicht hat, die Bedeutung der Booster-Impfung in einer Twittermitteilung. „Der reale Immunitätsverlust ist viel geringer. Im Moment ist die Dreifachimpfung der beste Schutz.“ Sein Appell daher: „Nicht warten, sondern boostern.“
Wie wichtig eine Booster-Impfung in Bezug auf Omikron ist, erklärt auch der Immunologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie: „Die Ergebnisse zeigen ganz klar, dass auch die neutralisierenden Antikörper von Geimpften in der Lage sind, Omikron zu binden und zu neutralisieren.“ Sie müssten dafür nur höher sein. Dafür brauche es die Booster-Impfung. Erst danach oder nach der Kombination aus Infektion plus zweifacher Impfung seien die Antikörperspiegel ausreichend hoch, um das Virus unschädlich zu machen.
3. Kann ich trotz Impfung an Omikron erkranken?
Ob eine Impfung plus Booster auch vor einem schweren Verlauf schützt, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. Auch Sandra Ciesek betonte, dass dies aus ihrer Auswertung, nicht herauszulesen sei. Denn zu einer Immunantwort gehören viele Facetten – unter anderem auch die T-Zellen.
Mit den Neutralisationstests, die Ciesek durchgeführt hat, lässt sich lediglich feststellen, wie viele Antikörper benötigt werden, um eine Variante zu neutralisieren. Der tatsächliche Schutz von Geimpften kann nur durch klinische Studien mit Tausenden Teilnehmern bestimmt werden und durch genaue Auswertungen des aktuellen Infektionsgeschehens.
Immunologe Watzl befürchtet aber, dass Omikron zu noch mehr Durchbruchsinfektionen als Delta führen könnte. Das heißt, dass Geimpfte sich infizieren und auch Symptome entwickeln. Das muss aber nicht zwangsläufig auch zu mehr schweren Verläufen führen.
„Da dieser Schutz nicht nur auf den Antikörpern beruht, gehe ich aktuell davon aus, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung auch bei Omikron noch vergleichsweise hoch ist“, so der Immunologe. Das könne auch erklären, warum man in Südafrika eher milde Verläufe sehe. Allerdings könnte das auch daran liegen, dass ein Großteil der Infizierten in Südafrika noch jung ist.
4. Soll ich auf einen für Omikron angepassten Impfstoff warten?
Schon im Vorfeld rechneten die Hersteller damit, dass die Impfstoffe möglicherweise irgendwann auf neue Varianten angepasst werden müssten. So erklärte Moderna-Chef, Stéphane Bancel, bereits Ende November, dass er von einer erheblichen Abnahme der Schutzwirkung in Bezug auf Omikron ausgehe. Auch der Biontech/Chef Ugur Sahin äußerte sich ähnlich, obwohl er glaubt, dass der Impfstoff auch bei Omikron gegen schwere Verläufe schützt.
Aufgrund der neuen Daten will Biontech/Pfizer die Entwicklung eines auf Omikron angepassten Impfstoffs weiter vorantreiben. Nach Angaben des Unternehmens soll dieser bis Ende März bereitgestellt werden. Allerdings nur „sofern eine Anpassung des Impfstoffs für einen höheren sowie langanhaltenderen Schutz notwendig sein sollte“, schrieb das Unternehmen in seiner Mitteilung vom Dienstag.
Auch Immunologe Watzl geht davon aus, dass dies nötig sein wird. „Wenn Omikron die Delta-Variante weltweit komplett verdrängt, werden die aktuellen Impfstoffe alle durch neue Versionen ersetzt werden müssen“, so Watzl. Das ginge bei mRNA-Impfstoffen vergleichsweise schnell, bei den anderen Impfstoffen könne es aber deutlich länger dauern.
Ein Booster mit einem angepassten Impfstoff würde genau die Gedächtniszellen stimulieren, die Antikörper produzieren, die auch Omikron neutralisieren könnten. „Daher würde ein Booster mit einem angepassten Impfstoff sicherlich auch einen guten Schutz gegen Omikron vermitteln“, erklärt er. Dennoch sollte niemand warten bis diese Impfstoffe verfügbar sind: Geimpfte sollten sich boostern und Umgeimpfte schnell impfen lassen, empfiehlt er.
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