Mein liebes Tagebuch

Lockerungen der Bundesnotbremse sind in Sicht. Kein Wunder, es wird geimpft, in Impfzentren, in Arzt- und Betriebsarztpraxen. Und sogar einen Impfmarathon gibt es. Die Impfstofflieferungen von den Apotheken an die Praxen laufen – auch wenn die Apotheken bei dieser Aufgabe „dramatisch unterfinanziert“ sind – laut ABDA-Berechnungen müsste die Vergütung rund dreimal so hoch sein. Verdruss auch bei den Pharma-Privat-Großhändlern: Das BMG schließt sie von den Impfstofflieferungen an Betriebsarztpraxen aus – das kann man nicht verstehen. Ein Lichtblick: Das dritte Digitalisierungsgesetz kommt und mit ihm ein Makelverbot für E-Rezepte und E-Token. Sicher! 

25. Mai 2021

Immer wieder erstaunlich, was man auf die Beine stellen kann, wenn, ja wenn man Ideen hat, wenn man gut vernetzt ist und vor allem, wenn man will. Apotheker Dr. Björn Schittenhelm ist so ein Apotheker, auf den dies wohl zutrifft. Der Pharmazeut aus Holzgerlingen im Landkreis Böblingen, unweit von Stuttgart, gehört zu den ersten Apothekerinnen und Apothekern im Land, die ein Schnelltestzentrum organisierten. Bereits Ende Dezember 2020 führte er professionelle Nasen-Rachen-Abstriche durch. Mittlerweile hat er sogar mehrere solcher Zentren ins Leben gerufen bzw. konnte Starthilfe für andere Kolleginnen und Kollegen geben, die solche Testzentren aufgebaut haben. Bundesweit bekannt wurde Schittenhelm, als er zusammen mit seinem zuständigen Landrat eine Teststrategie für seinen Heimatkreis entwickelt und dazu beiträgt, dass der Landkreis Böblingen mit niedrigen Inzidenzen glänzen kann. Für das Böblinger Modell und Schittenhelm interessierten sich sogar Spiegel, Stern und das Fernsehen. Mitte Mai ist Schittenhelm wieder mit einer neuen Aktion in der Pandemiebekämpfung engagiert: als Mitorganisator eines „Impfmarathons“. Dieses Mal rufen Schittenhelms Gemeinderatskollege Dr. Failenschmid, der als Arzt im Kreisimpfzentrum arbeitet, Apotheker Schittenhelm und der Holzgerlinger Bürgermeister Ionannis Delakos gemeinsam zu einem Impfmarathon auf: Es wird ein voller Erfolg. Mit rund 250 Helfern, u. a. vom Deutschen Roten Kreuz, mit 17 Hausärzten aus fünf Praxen und mit Apotheker Schittenhelm, der die digitale Terminvergabe bereitstellt und bei der Impfstoffbeschaffung mithilft, werden bei diesem Marathon 4802 Impfungen in 20 Stunden durchgeführt. Bei der Organisation der Impfstoffe fügt es sich, dass ein Großhändler 400 Dosen anbietet, die bisher keiner abgerufen hat und Ende des Monats verfallen wären. Mein liebes Tagebuch, schon klar, solche tollen Aktionen sind natürlich nicht überall möglich, da muss sich einiges zusammenfinden und zusammenpassen, aber man muss solche Gelegenheiten auch erkennen, sie dann nutzen – und machen. Und das hat die Holzgerlinger Crew beim Impfmarathon hervorragend gemeistert. Mitte Juli gibt es dann die Fortsetzung bei der Zweitimpfung.

 

COVID-19-Impfstoff-Bestellungen für Betriebsärzte sollen nur über die vier großen Großhändler erfolgen können: Noweda, Sanacorp, Gehe und Phoenix, ließ das Bundesgesundheitsministerium wissen. Der Grund: Das betriebsärztliche System sei anders organisiert als das vertragsärztliche und daher sei bei den Großhandlungen eine bundesweite Vertriebsstruktur notwendig. Das bedeutet: Alle anderen Großhandlungen sind bei der Versorgung der Betriebsarztpraxen außen vor, also z. B. alle sechs Großhandlungen, die in der Pharma-Privat-Kooperation (Otto Geilenkirchen, Kehr, Max Jenne, Krieger und Hageda Stumpf) zusammenarbeiten, ebenso AEP als Nicht-Phagro-Mitglied. Für Pharma Privat ist das nicht nachvollziehbar. Und, mein liebes Tagebuch, vollkommen zurecht. Wie Pharma Privat in einer Pressemitteilung erklärt, seien diese sechs Großhandlungen in kürzester Zeit in der Lage gewesen, auch die ultra-tiefgekühlten Impfstoffe in die Apotheke zu bringen. Ja, es ist wirklich nicht zu verstehen, warum diese Großhandlungen nun ausgeschlossen sein sollen, warum für Betriebsärzte nur bei Großhändlern bestellt werden darf, die bundesweit tätig sind. Wie von Pharma Privat zu hören war, gibt man sich mit dieser Regelung nicht zufrieden, man hoffe, „dass diese unsinnige und diskriminierende Regelung bald herausgenommen wird, denn Betriebsärzte haben zu einem extrem hohen Prozentsatz regionale Strukturen.“ Mein liebes Tagebuch, wo der tiefe Sinn der BMG-Anordnung liegt, bleibt im Verborgenen.

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