Robbie Williams hat über zehn Kilo abgenommen. Offenbar mit Hilfe einer Abnehmspritze, wie er nun verriet. Welche Mittel in Deutschland zugelassen sind, wie sie wirken und welche Nebenwirkungen es gibt.
„Babe, ich bin auf Ozempic … Na ja, so etwas wie Ozempic.“ Das berichtet der britische Popstar Robbie Williams jüngst im „ Times “-Interview. Mehr als zehn Kilo hat der 49-Jährige nach eigenen Angaben bereits abgenommen. Auch Bilder in den sozialen Medien zeigen den Unterschied.
Williams ist nicht der erste Promi, der vom Abnehmerfolg durch die Spritze berichtet. Zuvor hatten bereits Tesla-Gründer Elon Musk oder Reality-TV-Star Kim Kardashian einen regelrechten Hype ausgelöst – boomende Aktienkurse und Lieferengpässe inklusive. Mediziner sehen das kritisch, denn verschreibungspflichtige Medikamente werden so schnell zum Lifestyle-Produkt verklärt. Dabei benötige die Behandlung dringend ärztliche Aufklärung. Antworten auf die drängendsten Fragen.
1. Für wen sind die Abnehmspritzen geeignet?
Abnehmspritzen sind kein Wundermittel. Sie sollten stets in Kombination mit der sogenannten Basistherapie, also einer Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensumstellung, angewandt werden.
Und: „Es handelt sich um ein Medikament. Man sollte es also nur einnehmen, wenn man eine Erkrankung hat“, betont Sylvia Weiner, Leiterin der Klinik für Adipositas Chirurgie und Metabolische Chirurgie am Sana Klinikum in Offenbach, im Interview mit FOCUS online .
Die in Deutschland zugelassenen Medikamente zur Gewichtsreduktion sind für Menschen mit
- Übergewicht (BMI ab 27) und mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung wie Diabetes Typ 2 oder
- Adipositas (BMI ab 30).
Bei einer sehr schweren Adipositas, also einem BMI über 40, wird dagegen eine operative Behandlung, etwa eine Magenverkleinerung, empfohlen.
2. Welche Abnehmmittel gibt es und wie unterscheiden sie sich?
In Deutschland sind aktuell zur Gewichtsreduktion
- Wirkstoff Orlistat (Kapseln, dreimal täglich), Produktname Xenical,
- Wirkstoff Liraglutid (Abnehmspritze, täglich), Produktname Saxenda
- Wirkstoff Semaglutid (Abnehmspritze, wöchentlich), Produktname Wegovy
zugelassen. Sie alle sind verschreibungspflichtig.
Wirkweise: Liraglutid und Semaglutid sind sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten und bereits aus der Diabetesbehandlung bekannt. Sie ahmen die Wirkung des körpereigenen Dünndarmhormons GLP-1 nach. Wie genau es auf die Gewichtsreduktion wirkt, ist noch nicht abschließend verstanden, es scheint jedoch unter anderem den Appetit zu regulieren, indem das Sättigungsgefühl gesteigert und das Hungergefühl verringert wird.
Anders als die Wirkstoffe in den Abnehmspritzen wirkt Orlistat nicht appetitzügelnd. Stattdessen blockiert Orlistat gastrointestinale Lipasen (Enzyme, die Fett verdauen). Dadurch gelangt etwa 30 Prozent des durch Nahrung aufgenommene Fetts unverdaut durch den Darm, wo es anschließend ausgeschieden wird.
Nutzen laut Studienlage: Laut Europäischer Arzneimittelbehörde EMA haben Patienten mit Xenical nach einem Jahr durchschnittlich 6,1 Kilo abgenommen, verglichen mit 2,6 Kilo bei Patienten mit Placebo. Patienten, die Saxenda in der empfohlenen Höchstdosis spritzten, konnten ihr Körpergewicht um 7,5 Prozent reduzieren, Patienten mit Placebo lediglich um 2,3 Prozent. Patienten mit Adipositas, die mit Wegovy behandelt wurden, haben nach eineinhalb Jahren etwa 15 Prozent ihres Körpergewichts verloren, verglichen mit zwei bis sechs Prozent bei Patienten mit Placebo.
3. Welche Nebenwirkungen gibt es?
Die EMA nennt als jeweils häufigste Nebenwirkungen (können mehr als eine von zehn Personen treffen):
- Orlistat/ Xenical: Influenza, niedriger Blutzuckerspiegel, Kopfschmerzen, Erkältungen, Bauchschmerzen oder Unwohlsein, Blähungen mit Ausfluss, Stuhldrang, fett- oder ölhaltige Stühle, Blähungen, flüssige oder ölhaltige Stühle
- Liraglutid/ Saxenda: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Verstopfung
- Semaglutid/ Wegovy: Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung und Bauchschmerzen
Der dänische Pharmahersteller Novo Nordisk, der unter anderem Wegovy und Ozempic vertreibt, nennt auf seiner Webseite zudem weitere Nebenwirkungen wie Bauchspeicheldrüsen-Entzündungen, Gallensteine, ein Risiko für niedrigen Blutzucker und Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern.
Der Sicherheitsausschuss der EMA prüft zudem gerade Daten über das Risiko von Selbstmordgedanken und Gedanken an Selbstverletzung. Allerdings ist laut EMA noch nicht klar, ob die gemeldeten Fälle mit den Arzneimitteln selbst oder mit den Grunderkrankungen der Patienten oder anderen Faktoren zusammenhängen.
3. Und was ist mit Ozempic?
Ozempic enthält zwar ebenfalls den Wirkstoff Semaglutid, ist jedoch ausschließlich als Diabetes-Medikament zugelassen. Weil es allerdings deutlich günstiger ist (und von Promis als Wundermittel angepriesen wird), wird es zunehmend als Abnehmmittel verwendet. Als Folge kam es bereits zu Lieferengpässen. Auch der Deutsche Apothekerverband schlug Alarm, dass die Versorgung von Menschen mit Diabetes gefährdet sei.
Zudem warnen Experten vor Fälschungen. Laut EMA sind falsche „Ozempic“-Diabetes-Pens mit Labeln in deutscher Sprache im Umlauf. In Österreich mussten mehrere Menschen sogar in einer Klinik behandel werden. Die gefälschten Spritzen hätten „ohne sofortige ärztliche Behandlung zum Tode“ führen können, warnten die österreichischen Behörden.
4. Wie viel kosten die Abnehmmittel?
Die Xenical-Kapseln kosten gut 80 Euro, die Abnehmspritzen Saxenda und Wegovy gut 300 Euro im Monat. Betroffene müssen sie aus eigener Tasche bezahlen.
„Adipositas ist zwar über die WHO schon lange als Krankheit anerkannt. Im deutschen Sozialgesetzbuch fallen Abnehmmittel allerdings unter Lifestyle-Produkte und die sind von einer Erstattung ausgeschlossen“, kritisiert Weiner. „Das ist schade, denn es wäre lohnender, das Übergewicht jetzt zu bekämpfen als dann später die Folgeerkrankungen wie Fettleber oder Diabetes.“
5. Muss ich das Medikament dauerhaft einnehmen?
Experten empfehlen, das Medikament dauerhaft einzunehmen. „Es macht keinen Sinn, ein paar Wochen zu spritzen und dann aufzuhören“, sagt auch Weiner. Sie erklärt das damit, dass Adipositas eine chronische Stoffwechselstörung ist, die durch die Spritzen behandelt wird. Auch Studien zeigen: Sobald Versuchsteilnehmende das Medikament absetzten, nahmen sie schnell fast das gesamte verlorene Gewicht wieder zu.
6. Ein paar Kilo zu viel, kann ich mich einfach schlankspritzen?
Davon raten Experten ab. „Bei Übergewichtigen ist etwas im Stoffwechsel gestört, bei Gesunden nicht. Ich würde sogar behaupten, dass man sich damit vielleicht sogar ein Risiko anspritzen kann, später einmal übergewichtig zu werden“, so Weiner. „Das kennen wir ja von kurzfristigen Diäten. Wenn ich den Stoffwechsel falsch steuere, provoziere ich falsche Anpassungsmechanismen.“
Daneben gebe es derzeit keine Datenlage, wie das Medikament bei Normalgewichtigen wirkt. „Ich kann also nur dringend davon abraten, die Spritze als Lifestyle-Produkt zu sehen.“
Mehr Informationen:
- EMA über Xenical/ Orlistat
- EMA über Liraglutid/ Saxenda
- EMA über Semaglutid/ Wegovy
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