Abends einfach mal abschalten, die Arbeit hinter sich lassen – das fällt vielen schwer. Helfen kann ein kleines Ritual, das die Tür zur Arbeit schließt und neue Energie für den Abend schenkt. Wie ein solches Ritual aussehen kann, beschreibt Pater Anselm Grün.
Rituale schließen eine Tür und öffnen eine Tür. Viele schließen die Tür der Arbeit nicht zu. Daher kann die Tür des Feierabends, die Tür zum eigenen Haus, zur eigenen Familie nicht aufgehen. Sie stehen gleichsam immer im Durchzug. Doch das tut weder der Seele noch dem Leib gut.
Sie bringen die Probleme von der Arbeit mit nach Hause. So sind sie nicht wirklich präsent. Die Kinder erkennen das sofort, ob der Vater oder die Mutter die Tür der Arbeit geschlossen hat. Wenn sie nicht geschlossen ist, dann quengeln die Kinder. Denn sie merken, dass die Eltern nicht wirklich da sind für sie und sich nicht auf sie einlassen können. Wenn die Tür der Arbeit geschlossen ist, dann spüren das die Kinder. Sie freuen sich auf die Eltern. Aber nach kurzer Zeit lassen sie sie wieder los.
Über den Gastautor
Anselm Grün wurde 1945 geboren. Er ist Mönch der Benediktinerabteil Münsterschwarzach und Buchautor. Die zahlreichen Publikationen des Theologen erscheinen weltweit in mehr als 30 Sprachen. Themen seiner Schriften sind unter anderem Spiritualität, Psychologie, Glück und Lebenslust.
5 Ideen: Feierabend-Rituale können unterschiedlich aussehen
imago/epd Pater Anselm Grün im Hof des Benediktinerklosters in Münsterschwarzach. Wenn wir die Tür der Arbeit nicht schließen, dann kostet es uns Energie. Wir sind dann unfähig, uns zu erholen. Die Spannung von der Arbeit bleibt auch daheim und hindert uns am Entspannen. Die Frage ist, wie so ein Feierabend-Ritual aussehen kann.
Einer bleibt noch ein paar Minuten in seinem Büro sitzen und sagt sich: „Alles, was heute hier war, das bleibt in diesem Raum. Ich gehe jetzt heim, in eine andere Welt, eine Welt, die mir guttut.“ Ein anderer nimmt den Weg von der Arbeit als Ritual, um die Arbeit hinter sich zu lassen. Ein anderer läuft sich von den Problemen der Arbeit frei.
Ein anderer macht bewusst langsam die Haustür auf und sagt sich: Alles andere bleibt jetzt draußen. Ich gehe in mein Haus, das mir gehört. Da erteile ich den Problemen von der Arbeit und den Menschen, die mich aufgeregt haben, Hausverbot. Ich lasse mein Abendessen nicht von meinem Chef stören und meine Stimmung nicht bestimmen von dem, was heute schiefgelaufen ist.
Rituale spenden Kraft
Nach dem Psychiater Carl Gustav Jung sind Rituale Kraftspender. Warum? Sie bringen mich in Berührung mit den inneren Quellen des Unbewussten. Und sie sind der Ort, Gefühle auszudrücken, die sonst nicht ausgedrückt werden. Gefühle oder Emotionen – das Wort kommt von „movere“, bewegen – sind Kräfte, die mich in Bewegung bringen, die mir Energie geben. Und Rituale geben mir meine Identität. Sie bringen mich in Berührung mit meinem wahren Selbst.
Viele Menschen sind nicht in Berührung mit sich selbst. Sie spielen nur Rollen. Und mit ihren Rollen erfüllen sie die Erwartungen anderer. Doch das kostet Energie. Wenn ich aus der inneren Quelle heraus wirke, dann kann ich daraus immer schöpfen, ohne erschöpft zu sein.
Manche können am Abend nicht abschalten, weil sie ständig nachgrübeln: „Hätte ich doch besser anders entschieden! Wäre ich doch im Gespräch mit dem Mitarbeiter, mit dem Kunden achtsamer und freundlicher gewesen! Hätte ich doch bloß diesen Satz nicht gesagt!“ Vor lauter „Hätte“ und „Wäre“ kommen sie nicht zur Ruhe. Doch der Arbeitstag ist vorbei. Den kann ich nicht mehr ändern.
Nicht bewerten, was passiert ist
Aber Gott kann das Vergangene, auch das nicht optimal geführte Gespräch, auch die nicht perfekte Entscheidung, noch in Segen verwandeln. Daher ist ein gutes Ritual zu Beginn des Feierabends, meine Hände in Form einer Schale zu formen und meinen Tag Gott hinzuhalten mit allem, was war. Ich bewerte nicht, was war. Es ist so, wie es ist. Aber ich vertraue, dass Gott alles in Segen verwandelt für mich und für die Menschen, mit denen ich zusammen war. Dann kann ich den Tag gut loslassen und mich ganz auf das einlassen, was mich daheim erwartet.
An Ritualen konsequent festhalten
Jeder soll sein eigenes Ritual entwickeln, wie er die Tür der Arbeit schließen möchte und wie er die Tür des Feierabends öffnet. Wenn er sein Ritual gefunden hat, das für ihn passt, dann braucht es auch Disziplin, es auch zu praktizieren. Manche nehmen sich ein Ritual vor. Aber dann vergessen sie es wieder. Dann sind sie enttäuscht und suchen die Schuld bei ihrer mangelnden Disziplin. Doch ob ich das Ritual konsequent lebe, ist nicht allein Sache der Disziplin, sondern auch der Klugheit.
Wenn ich das Ritual immer wieder vergesse, dann ist es vielleicht nicht mein Ritual. Dann sollte ich ein Ritual suchen, auf das ich mich jeden Tag freuen kann. Die wahre Disziplin – so sagt Hildegard von Bingen – ist die Kunst, sich immer freuen zu können. Wenn ich mich jeden Abend auf mein Ritual freue, dann werde ich es auch praktizieren. Und dann habe ich das Gefühl: Das ist mein Tag. Ich gestalte meinen Tag so, wie es für mich gut ist. Ich gebe meinem Tag eine Form, weil – wie die Griechen sagen – mein Leben ein Fest ist.
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