Zwei Studien aus den USA und Norwegen untersuchten Auswirkungen einer Covid-19-Impfung auf den weiblichen Zyklus
Für viele Frauen ist es normal, für andere ein Grund, nervös zu werden: Die Periode setzt früher oder später ein als erwartet, Zwischenblutungen treten auf oder die Menstruation bleibt ganz aus. Der weibliche Zyklus reagiert oft sensibel auf Einflussfaktoren wie Stress, zu wenig Schlaf oder Krankheiten und gibt unter Umständen Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt.
Umso beunruhigter waren einige Frauen, als sie nach der Impfung gegen Covid-19 eine Veränderung ihres Zyklus beobachteten. In sozialen Medien teilten sie Berichte darüber, dass die Periode stärker als sonst sei, bei vielen setzte sie später ein als gewöhnlich. In den Impfstoffstudien wurden keine Daten bezüglich des weiblichen Zyklus erhoben, doch die Meldungen über derlei Nebenwirkungen wurden mehr.
Auch dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für die Überwachung der Covid-19-Impfstoffe zuständig ist, wurden Zyklusstörungen gemeldet. Im Sicherheitsbericht vom vergangenen August geht das Institut näher auf die gemeldeten Beschwerden ein. In den aktuelleren Sicherheitsberichten taucht die Thematik allerdings nicht mehr auf.
Bis zum 31. Juli 2021 gaben demnach insgesamt 310 Frauen an, nach ihrer Coronaimpfung Unregelmäßigkeiten bei ihrer Menstruation bemerkt zu haben. Das PEI schrieb im August: »Unter Berücksichtigung der Anzahl geimpfter Frauen in den relevanten Altersgruppen und der Häufigkeit von Zyklusstörungen erscheint die Zahl der Meldungen nicht ungewöhnlich hoch zu sein, wenngleich davon auszugehen ist, dass viele, insbesondere vorübergehende Zyklusstörungen, nicht berichtet werden.« Mögliche Erklärungen dafür sind, dass viele Menschen nicht wissen, dass sie Impfreaktionen selbständig beim PEI melden können (und zwar hier) – oder die Frauen ihren Zyklus gar nicht in Zusammenhang mit der Impfung brachten.
Zwei aktuelle Beobachtungsstudien sind nun zu dem Ergebnis gekommen, dass tatsächliche viele Frauen nach der Covid-19-Impfung Menstruationsstörungen haben, diese jedoch nur von kurzer Dauer sind und es sich verglichen mit natürlichen Zyklusschwankungen um kleinere Abweichungen handelt, die einmalig nach der Impfung auftreten können.
In einer US-Kohortenstudie wurden die Daten von 3959 Frauen zwischen 18 und 45 Jahren verglichen, die ihren Zyklus mit der App »Natural Cycles« aufzeichneten. Die Daten wurden zwischen Oktober 2020 und September 2021 erhoben. Von den Teilnehmerinnen waren 2403 geimpft und 1556 nicht geimpft. 55 Prozent der Geimpften hatten den Impfstoff von Biontech/Pfizer erhalten, 35 Prozent den von Moderna und sieben Prozent das Johnson & Johnson-Präparat. Frauen, die mit dem Mittel von AstraZeneca geimpft wurden, wurden nicht in die Studie eingeschlossen.
Verspätung der Menstruation um etwa einen Tag
Die Frauen zeichneten vor ihrer ersten Impfung über drei Monate hinweg eine normale Zykluslänge zwischen 24 und 38 Tagen auf. Danach wurden weitere drei Zyklen beobachtet, bei den Ungeimpften wurden insgesamt ebenfalls sechs Zyklen mit einbezogen.
In der Impfgruppe stellte sich heraus, dass der Zyklus der Frauen nach der Impfung um etwas weniger als einen Tag verschoben war: Nach der ersten Dosis ergab sich eine Verspätung der Menstruation um durchschnittlich 0,7 Tage, nach der zweiten Impfung um 0,9 Tage. Die ungeimpften Teilnehmenden hingegen bemerkten keine Veränderungen im Vergleich zu ihren vorherigen drei Zyklen. Bei der Menstruationslänge gab es in beiden Gruppen keine relevanten Veränderungen.
358 Frauen erhielten ihre zweite Impfdosis noch im selben Zyklus wie die erste. Bei ihnen setzte die Periode mehr als zwei Tage später ein als in den vorhergehenden Zyklen. Bei rund zehn Prozent von ihnen verschob sich die Menstruation sogar um mindestens acht Tage. Im sechsten Beobachtungszyklus hatten sich die Störungen jedoch wieder eingependelt – es gab keine Unterschiede mehr zur Gruppe der Ungeimpften.
Die Studienautoren merken an, dass die Frauen ihren Zyklus aufgrund der Impfung aufmerksamer beobachtet haben könnten als sonst. Natürliche Zyklusschwankungen könnten so als besorgniserregend wahrgenommen worden sein, obwohl sie nur zufällig nach der Impfung aufgetreten waren. Dennoch betont das Forscherteam, dass durch die Analyse klinisch relevante Veränderungen vor allem in der Gruppe der Frauen bemerkt wurden, die beide Impfdosen innerhalb eines Zyklus erhalten haben.
Als mögliche Erklärung für die Menstruationsschwankungen nennen die Wissenschaftler, dass mRNA-Impfstoffe eine starke Immunantwort provozieren. »Dadurch könnte vorübergehend die Hypothalamus-Hypophysen-Eierstock-Achse beeinträchtigt sein«, schreiben sie in der Studie. Diese Achse zwischen bestimmten Regionen im Gehirn, im zentralen Nervensystem und den Eierstöcken steuert die weiblichen Hormone, die den monatlichen Zyklus bedingen. Wurde die Impfung in der ersten Zyklusphase einer Frau verabreicht – während der Follikelreifung – könnte die dadurch verursachte, erwünschte Immunreaktion als Stressfaktor den Zyklus leicht durcheinander gebracht haben.
»Im Gegensatz dazu könnte eine akute, schwere Krankheit mit oder ohne Sepsis, wie etwa Covid-19, katastrophale Auswirkungen auf die Funktion der Hypothalamus-Hypophysen-Eierstock-Achse haben«, schreiben die Autoren – »manchmal dauerhaft.«
Eine zweite Studie aus Norwegen, die als Preprint veröffentlicht wurde, kam zu ähnlichen Ergebnissen. 5688 Frauen zwischen 18 und 30 Jahren wurden befragt, ob sie Menstruationsveränderungen vor und nach jeder Impfung bemerkt hatten. Dass Zyklusstörungen durchaus normal sind, zeigte die hohe Zahl an Frauen, die bereits vor der ersten Impfung von Schwankungen berichtete: 38 Prozent der Teilnehmenden meldeten mindestens eine Unregelmäßigkeit im Zyklus vor der Coronaimpfung. Nach der ersten Dosis gaben 39 Prozent der Frauen an, Schwankungen bemerkt zu haben, nach der zweiten Impfung waren es 41 Prozent.
Die meisten Frauen berichteten von einer stärkeren Blutung als sonst. Zwei von drei Frauen, die nach der ersten Impfung eine stärkere Periodenblutung beobachteten, berichteten dies auch nach der zweiten Dosis. Im Gegensatz zur US-amerikanischen Studie nahmen rund 60 Prozent der befragten Frauen in der norwegischen Studie hormonelle Verhütungsmittel ein. Diese können sich ebenfalls auf den weiblichen Zyklus auswirken, normalerweise sorgen sie dafür, dass dieser etwas regelmäßiger ist als ohne die Einnahme von Hormonen. Auch bei den in Norwegen Befragten regulierte sich der Zyklus bald wieder – spätestens nach zwei Monaten.
Nach Covidinfektion: Anzahl und Qualität der Spermien reduziert
Victoria Male, Expertin für Reproduktionsmedizin am Imperial College London, kommentiert die Studienergebnisse im Fachmagazin »British Medical Journal«. Sie merkt an, dass die britische Zulassungsbehörde MHRA – ähnlich wie das PEI – derzeit keine Kenntnisse über einen Zusammenhang von Covid-19-Impfungen und Zyklusstörungen sieht. »Aus Sicht der Wissenschaft ist es nun wichtig, die Mechanismen zu betrachten, die für die Zyklusstörungen nach der Impfung verantwortlich sind«, schreibt Male in einem Paper. Weiterhin müsse man herausfinden, ob bestimmte Gruppen ein erhöhtes Risiko hätten, von den Menstruationsstörungen betroffen zu sein.
»Vielen macht diese Thematik vor allem deshalb Sorgen, weil weiterhin Fehlinformationen umgehen, dass die Impfung unfruchtbar machen kann«, sagt Male. Es gebe bereits Daten, die bewiesen, dass dies nicht der Fall sei. Dennoch benötige man weitere Studien zu diesem Thema. »Diese sollten auch beinhalten, dass es bereits Daten dazu gibt, dass die Anzahl und die Qualität der Spermien nach einer Covid-19-Infektion reduziert sein kann«, so Male. Insgesamt bräuchte man noch ein tieferes Verständnis davon, wie sich sowohl die Impfungen als auch eine Erkrankung an Covid-19 auf die Fruchtbarkeit auswirken können.
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