Trotz Lockdown sinken die Infektionszahlen in Deutschland kaum. Experten wie Karl Lauterbach fordern daher weitere Maßnahmen. Der Epidemiologe macht drei Vorschläge, mit denen sich die Pandemie seiner Ansicht nach stoppen ließe.
„Wir verlieren einfach nur Zeit“ – so lautet das Fazit des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach in Bezug auf den gegenwärtigen Lockdown und die Pandemiebekämpfung. Im Gespräch mit der „Welt“ erklärt der Epidemiologe, was ihm bei den gegenwärtigen Maßnahmen fehlt.
Er spricht sich für einen kurzen, harten Lockdown aus. Verlangt außerdem, über kurzfristig umsetzbare Verschärfungen nachzudenken.
Die Vorschläge, die gemacht werden müssten, lägen ja bereits auf dem Tisch. Um die Pandemie erfolgreich einzudämmen, sind laut SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach drei Maßnahmen notwendig.
1. Ausgangsbeschränkungen
Ausgangssperren, bevorzugt nach 20 Uhr seien notwendig, „weil die haben sich bei der Bekämpfung von B.1.1.7, der Mutation, mit der wir hier ringen, als wirksam erwiesen“, erklärt der Gesundheitsexperte. Auch Epidemiologe und Virologe Klaus Stöhr sprach sich bereits für Ausgangsbeschränkungen aus. Da die meisten Infektionen innerhalb von Familien erfolgten, wären tiefergreifende Corona-Maßnahmen dort am ehesten erfolgreich, sagte Stöhr im Podcast „Die Wochentester“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Redaktions-Netzwerks Deutschland (RND)“.
„Man möchte die heiße Kartoffel nicht anfassen, in die Familien einzugreifen. In Frankreich hat man es gemacht. Wenn man tatsächlich kausal arbeiten würde, müsste man diese unliebsame Ausgangsbeschränkung nochmal erwägen und vielleicht auch besser kommunizieren.“
Und auch Virologe Martin Stürmer erklärte im Gespräch mit FOCUS Online: „Eine Ausgangssperre ist ein sehr aggressives, aber effektives Mittel, um die Infektionen zu kontrollieren“. Der Leiter eines Frankfurter Labors für interdisziplinäre Medizin und Diagnostik zog ebenfalls den Vergleich zu Großbritannien: „Die Zahlen sind in Großbritannien und Irland astronomisch in die Höhe geschossen. Die Folge: Das öffentliche Leben wurde konsequent heruntergefahren. Es wurden massive Einschränkungen verhängt, auch strikte Ausgangssperren. Daraufhin sind die Zahlen wieder deutlich gesunken.“
Effektiv ist die Ausgangssperre laut Stürmer aber nur unter einer Bedingung: Sie muss konsequent umgesetzt werden. Das Vorhaben, eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen, sieht der Virologe demnach eher skeptisch. „Wenn wir Begegnungen zwischen 20 und 5 Uhr verhindern, bringt das kaum etwas. Es finden ja abends ohnehin keine Veranstaltungen statt. Das einzige, was passiert, sind private Treffen – und die werden in den meisten Fällen dann eben einfach vorgezogen.“
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2. Testpflicht in Schulen und Betrieben
Zudem ist es laut Lauterbach notwendig, dass in Schulen und Betrieben flächendeckend auf Sars-CoV-2 getestet wird. Das Bundesland Niedersachsen führt nach den Osterferien eine solche Pflicht ein. Schüler und Beschäftigte sollen sich selbst vor Unterrichtsbeginn an Präsenztagen zu Hause testen, kündigte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) am Donnerstag in Hannover an. Ohne negatives Testergebnis ist der Besuch des Unterrichts nicht möglich.
Vorangegangen war in Niedersachsen in der vergangenen Woche eine Testwoche, bei der teils in den Schulen und teils zu Hause sogenannte Laienselbsttests ausprobiert wurden. Die Rückmeldungen seien überwiegend positiv gewesen, bevorzugt wurden aber der Eigentest zu Hause, sagte Tonne. Denn das Abholen von Schülern aus der Schule, bei denen ein Test positiv ausfällt, sei sehr aufwendig. In der Regel sollen künftig zwei Tests pro Woche vorgenommen werden, erläuterte der Minister.
Auch Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen haben eine Testpflicht an Schulen für die Zeit nach Ostern bereits beschlossen, in anderen Bundesländern wird darüber diskutiert.
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3. Homeoffice-Pflicht
An letzter Stelle spricht sich Lauterbach für eine Homeoffice-Pflicht aus. Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten zum Schutz vor Corona Homeoffice ermöglichen müssen. Diese Regel wurde von der Bundesregierung im März im Rahmen der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung bis zum 30. April verlängert. Allerdings enthält sich auf die Klausel, die Pflicht gelte – „sofern nicht zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen.“ Damit können Betriebe also weiterhin bei voller Besetzung arbeiten.
Berlin geht nun einen Schritt weiter. Der Berliner Senat hatte etwa in der vergangenen Woche eine Homeoffice-Pflicht beschlossen, nach der Unternehmen künftig 50 Prozent ihrer Büroarbeitsplätze im Homeoffice anbieten müssen. Ausnahmen gebe es nur, wenn die Reduzierung der Präsenz nicht „zweckmäßig“ sei oder die Sicherheit gefährde, etwa bei den Leitstellen von Polizei und Feuerwehr sowie Arbeitsplätze, an denen Notrufe oder Störungsmeldungen einlaufen.
Lauterbach: Drei Maßnahmen – dann hätte Pandemiebekämpfung Erfolg
„Mit diesen drei Maßnahmen käme man schon sehr weit“, resümiert Lauterbach. Um den R-Wert unter eins zu bekommen und „quasi aus dem exponentiellen Wachstum herauszukommen“, seien diese Schritte notwendig – zusätzlich zu den gegenwärtigen Einschränkungen. „Dann hätte der Lockdown Erfolg“, so der Gesundheitsexperte.
Als wichtigste Voraussetzung für den Erfolg nennt er „stabil sinkende Fallzahlen“. „Und das wird uns umso besser gelingen und umso früher gelingen und umso sicherer gelingen, je früher wir damit anfangen“, sagt Lauterbach. Je mehr dieser Punkt sich verzögere, umso schwerer werde es, den R-Wert zu senken.
Zudem würden sich so in den kommenden Wochen noch viele weitere Menschen anstecken, noch viele weitere Menschen auf Intensivstationen versorgt werden – „und darüber hinaus auch zu einem nicht unerheblichen Teil sterben müssen“.
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