Virologen prognostizieren, was uns nach der Omikron-Welle erwartet

Alpha, Beta, Gamma, Delta, Omikron: Im Moment listet die WHO diese Corona-Varianten als besorgniserregend auf. Doch der Erreger wird sich weiter verändern, darin sind sich Experten einig. Wie genau, ist unklar. Die jetzt erreichten Fortschritte in Sachen Immunität werden uns dann aber helfen.

Das Coronavirus Sars-CoV-2 dürfte sich über kurz oder lang weiterentwickeln – neue Varianten können entstehen. Über deren Eigenschaften lasse sich aber nur spekulieren, erklärte der Präsident der Gesellschaft für Virologie, Ralf Bartenschlager. "Die Erfahrung zeigt aber, dass mit der Anpassung eines Virus an seinen Wirt die Pathogenität in der Regel abnimmt."

Pathogenität meint die Fähigkeit, Krankheiten auszulösen. "Das bedeutet nicht, dass dieses angepasste Virus gar keine Erkrankung mehr macht, aber es ist in der Regel weniger krankmachend." So verbreitet sich die neue Variante Omikron zwar schneller in Deutschland als Delta, verursacht aber Forschern zufolge im Schnitt mildere Krankheitsverläufe.

Was kommt nach der Omikron-Welle?

Biophysiker und Virusvarianten-Experte Richard Neher von der Uni Basel betont, es gebe keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Schwere der Krankheit und Übertragbarkeit. Auch allgemeingültige Aussagen zur Evolution der Ansteckungsfähigkeit seien nicht möglich.

Dass sich das Coronavirus nach den bisher bekannten und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregend eingestuften Mutationen Alpha, Beta, Gamma, Delta und Omikron weiter entwickeln wird, gilt als ziemlich wahrscheinlich. Zumindest auf lange Sicht sei das durchaus möglich, erklärte Bartenschlager. Das Virus werde sicherlich endemisch und uns damit "erhalten bleiben".

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Virologe rechnet mit weiteren Immun-Escape-Varianten

Der wesentliche Selektionsdruck, dem neue Sars-CoV-2-Varianten jetzt unterliegen, sei die Ausbreitungseffizienz in einer größtenteils immunen Bevölkerung, erläuterte Klaus Überla vom Virologischen Institut am Universitätsklinikum Erlangen. Das heißt: Um zu überleben, muss das Virus Wege finden, dem Infektionsschutz seiner Wirte – also der Menschen – zu entkommen. Dieser Schutz entsteht sowohl durch Impfung als auch infolge einer Infektion.

Über Genveränderungen etwa am sogenannten Spike-Protein des Virus kann es hier neue Formen geben. Es sei zu erwarten, "dass weitere sogenannte Immun-Escape-Varianten entstehen", prognostiziert der Virologe.

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  • BA.2 könnte bisherige Omikron-Mutation verdrängen

    Eine stärkere Fähigkeit zur Immunflucht könnte möglicherweise auch bei der Ausbreitung der Omikron-Untervariante BA.2 eine Rolle spielen. "Weil man in verschiedenen Ländern beobachten kann, dass der Anteil an BA.2 zunimmt, wird vermutet, dass BA.2 einen Vorteil in der Übertragbarkeit gegenüber BA.1 hat", sagte Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie an der Frankfurter Uniklinik. So könne neben einer höheren Übertragbarkeit auch eine stärkere Immunflucht dazu führen, dass sich immer mehr Menschen mit BA.2 infizierten, erklärte Ciesek.

    Immunflucht bedeutet, dass eine durchgemachte Infektion oder eine Impfung weniger gut vor dem Erreger schützen. Dennoch ist es möglich, dass sie einen gewissen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten.

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    "Wir müssen die Entwicklung genau überwachen"

    Neher hält es auch für denkbar, dass die Delta-Variante zurückkommt. "Delta ist eine hochansteckende Variante, die nach einiger Zeit, wenn die Immunität abgenommen hat, gegenüber Omikron wieder einen Vorteil haben könnte", sagte er in einem Interview, das die Universität Basel veröffentlichte.

    Es könne aber auch eine neue Variante mit unbekannten Eigenschaften entstehen. "Wir müssen also die Entwicklung und Entstehung neuer Varianten weiterhin genau überwachen, damit wir neue Varianten frühzeitig entdecken und ihre Eigenschaften verstehen und nicht unvorbereitet in eine neue Welle reinrutschen." 

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    Ob die neuen Virusvarianten gefährlicher oder harmloser sind, ist auch nach Überlas Überzeugung nicht seriös vorherzusagen. "Ausbreitungseffizienz in der Bevölkerung und 'Gefährlichkeit' für den Infizierten sind verschiedene Eigenschaften von Viren, die sich unabhängig voneinander entwickeln können", teilte er mit.

    Infektiologe macht Hoffnung: "Wahrscheinlichkeit, dass wir zurück auf Null geworfen werden, ist sehr gering"

    Dass wir im Falle einer relevanten Mutation in puncto Immunität gegen Sars-CoV-2 jedoch noch einmal ganz von vorne beginnen müssen, bezweifelt Infektiologe Christoph Spinner. Er betonte im Gespräch mit FOCUS Online zuletzt zwar ebenfalls, dass es gerade bei so hohen Infektionszahlen wie derzeit immer wieder neue Varianten geben werde. Insgesamt sei es aber so, dass wenn in der Bevölkerung schon viele Menschen Kontakt mit dem Virus hatten – sei es durch die Impfung oder weil sie genesen sind – das Risiko einer Mutation sinke, die vollkommen neu ist und die Immunantwort komplett aushebelt.

    "Es gibt dann immer so etwas wie eine partielle Immunität und die reduziert wiederum die Krankheitsschwere. Also die Wahrscheinlichkeit, dass wir jetzt zurück auf Null geworfen werden, ist sehr gering", konstatiert der Oberarzt für Infektiologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität in München.

    Ähnlich lautet die Prognose von Virologe Ulf Dittmer. "Ich bin mir ziemlich sicher: Es gibt evolutionär keinen Weg zurück zu einem tödlicheren Virus", erklärte der Leiter der Virologie an der Universitätsklinik Essen Mitte Januar im Video-Format "19 – die Chefvisite".

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