Spahns Puzzle ist komplett

Rauchzeichen aus Brüssel: EU-Kommissar Thierry Breton lässt keine Einwände gegen die von Gesundheitsminister Jens Spahn geplante Apothekenreform erkennen. Mehr als ein Jahr wartete man auf eine Reaktion – nun liegt sie vor, in Form eines kurzen Schreibens. Bretons Sätze lassen zwar vieles offen und doch bieten sie Spahn die langersehnte Vorlage für seinen finalen Torschuss, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat.

„Lieber Jens, bitte halte mich auf dem Laufenden“, so lässt sich der knappe Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zusammenfassen. Nur im allerletzten Absatz seines Schreibens geht Breton auf das von Spahn geplante Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) ein. Er glaube fest daran, dass die nun im Bundestag anstehenden Debatten um die geplante Apothekenreform zu einer Verbesserung des Zugangs von Patienten zu Arzneimitteln führen werden. Daher ist der EU-Kommissar äußert gespannt darauf, wie der legislative Prozess wohl ausgehen wird.

Keine Absage, keine Androhung eines weiteren Vertragsverletzungsverfahrens – die gefürchtete Drohkulisse baut Breton nicht auf. Vielleicht befürwortet er tatsächlich das Rx-Boni-Verbot. Vielleicht weiß er aber auch nur zu gut, dass am Ende – auch in der EU – die Gerichte entscheiden werden, egal, wie man es als Gesetzgeber dreht und wendet.

Nein, Breton hat keinen Freibrief verfasst. Die Worte klingen eher nach einem Schulterklopfen zwischen Duzfreunden. Für Spahn ist diese Reaktion aber genau das langersehnte, fehlende Teil in seinem Apothekenreform-Puzzle, das er seit seinem Amtsantritt 2018 zusammensetzt. Von Anfang an stemmte er sich gegen das im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Rx-Versandverbot. Kämpfte erfolgreich gegen Widerstände in den eigenen Reihen und in der Apothekerschaft. Ignorierte die Gutachten und Analysen namhafter Juristen, ignorierte Hunderttausende Unterschriften für Petitionen. Zwischenzeitlich drohte er sogar mit Arbeitsverweigerung, sollte die Standesvertretung seinen eingeschlagenen Weg verlassen. Was für ein perfides Spiel mit vermeintlicher Macht und Dominanz!

Seine Überzeugungsarbeit leistet der Minister in drei Akten: Beim Deutschen Apothekertag 2018 stimmte er alle Anwesenden auf seine geplanten Veränderungen im Gesundheitswesen ein („Ich kann mir Impfungen in der Apotheke durchaus vorstellen“). Ein Jahr später fühlte sich das Apothekerparlament nach Spahns Friss-oder-stirb-Auftritt gezwungen, per Leitantrag das VOASG „kritisch-konstruktiv“ abzunicken. Und 2020 wird nun das große Finale eingeläutet: Getrieben von (standes-)politischem Rückenwind beziehungsweise fehlendem Gegenwind, ausgerüstet mit IGES-Gutachten und Breton-Schreiben, nimmt der Minister Anlauf zum finalen Torschuss. Doch statt eines Apothekertages muss sich der Berufsstand im aktuellen Corona-Jahr mit einem aufgezeichneten Interview am heutigen Abend begnügen. Die beste Inszenierung für Spahn und sein nun komplettes VOASG-Puzzle…

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