Keine Corona-Impfungen für alle Kinder? Impfkommission tendiert wohl gegen generelle Empfehlung

In der Diskussion um die mögliche Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen das Coronavirus tendiert die Ständige Impfkommission (Stiko) einem Bericht zufolge dazu, von einer generellen Impfempfehlung abzusehen. Stattdessen werde es wahrscheinlich nur eine Impfempfehlung für Zwölf- bis 15-Jährige mit bestimmten chronischen Erkrankungen geben, berichteten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Mittwochsausgaben) unter Berufung auf "informierte Kreise".

„Nichts“ über Nebenwirkungen bei Kindern bekannt

Der Grund für dieses Vorgehen sei unter anderem eine unbefriedigende Datenlage, um die Folgen einer Corona-Erkrankung für diese Altersgruppe und mögliche Risiken durch eine Impfung miteinander abwägen zu können, schrieben die Zeitungen weiter. 

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Ein Mitglied der Stiko hat sich skeptisch zu möglichen Massenimpfungen von Kindern und Jugendlichen geäußert. Eine allgemeine Impfempfehlung der Stiko für Kinder und Jugendliche halte er für unwahrscheinlich, sagte Kommissionsmitglied Rüdiger von Kries am Dienstagabend in der Sendung "rbb-"Spezial". Grund dafür sei das unklare Risiko einer Corona-Impfung bei Kindern.

"Die Stiko ist ein autonomes Organ, wir arbeiten nicht auf Zuruf des Ministeriums, wir treffen unsere Entscheidungen nach Bewertungen der Risiken und des Nutzens", sagt von Kries. Momentan sei "nichts" über die Nebenwirkungen von Corona-Impfungen bei Kindern bekannt. "Bei unklarem Risiko kann ich zurzeit noch nicht vorhersehen, dass es eine Impfempfehlung für eine generelle Impfung geben wird."

Impfungen nur für Kinder mit schweren Krankheiten?

Das Ziel der Herdenimmunität sei zwar weiterhin vorhanden, erklärte Kries, der eines der 18 Stiko-Mitglieder und in München Professor für Kinderepidemiologie ist. Aber Herdenimmunität dürfe nicht das primäre Ziel für Impfungen von Kindern sein: "Kinderimpfungen macht man, damit die Kinder davon profitieren können, damit den Kindern schwere Krankheiten erspart bleiben, ohne dass sie ein Risiko eingehen." Man könne Herdenimmunität viel besser erreichen, wenn man sich um die 40 Millionen kümmere, die noch nicht geimpft seien. Diese würden zudem sehr viel mehr von den Impfungen profitieren als die Kinder. 

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Der Berlin-Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid sagte dem RBB dazu: "Wer zwei und zwei zusammenzählen kann, rechnet damit, dass es keine allgemeine Impfempfehlung von der Stiko für diese Altersgruppe geben wird." Die derzeitigen Pläne von Massenimpfungen würden dadurch zerschlagen. Vielmehr werde es vermutlich eine Indikationsimpfung geben, bei der nur schwer kranke Kinder je nach individuellem Risiko geimpft würden.

Bas: Schulöffnungen nicht von Impfungen abhängig machen

SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas sagte den Blättern des RND: "Ich gehe davon aus, dass die Stiko eine Liste von Krankheiten erstellen wird, bei denen sie die Impfung für Kinder empfiehlt."

Kinder mit diesen Krankheiten müssten dann zuerst geimpft werden, forderte Bas. "Dies muss nun trotz der Aufhebung der Priorisierung sichergestellt sein." Bas stellte zugleich klar, dass auch ohne eine generelle Empfehlung der Stiko eine Impfung von Kindern und Jugendliche im Rahmen der Zulassung möglich sein werde.

Schulöffnungen sollten nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Kinder geimpft werden, fügte Bas hinzu. "Es ging ja immer auch darum, die Übertragung auf Eltern und insbesondere Großeltern zu verhindern." Wenn nach den Sommerferien alle Erwachsenen ein Impfangebot bekommen hätten, dann falle diese Begründung für Schulschließungen weg. 

Spahn will Kinder und Jugendliche zügig impfen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) hatten zuletzt für eine zügige Impfung von Kindern und Jugendlichen geworben, um eine Rückkehr zum regulären Unterricht zu ermöglichen. In der "Bild am Sonntag" gab Spahn als Ziel aus, dass die Länder minderjährigen Schülerinnen und Schülern bis Ende August ein Impfangebot machten.

Auch die Gesundheitsminister von Bund und Ländern streben an, Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren bis Ende August ein Impfangebot zu machen – über die Umsetzung wollen am Donnerstag auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten beraten. Der Hersteller Biontech/Pfizer hat eine Zulassung seines Präparats ab zwölf Jahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) beantragt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) behält sich aber eigene Klärungen für eine mögliche Impfempfehlung vor. 

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Spahn spricht sich aber dafür aus, Kinder und Jugendliche auch ohne eine allgemeine Impfempfehlung der Stiko in die Impfkampagne einzubinden. Die Kommission gebe eine Empfehlung, so Spahn in der Sendung "Frühstart" bei RTL/ntv. "Im Lichte dieser Empfehlung können dann die Eltern mit ihren Kindern, den Ärztinnen und Ärzten die konkrete Entscheidungen treffen, ob jemand geimpft wird oder nicht." Dies sei eine individuelle Entscheidung. Es gebe natürlich bei jungen Menschen seltener schwere Krankheitsverläufe, aber eben auch Fälle von Long Covid. Eine Frage sei auch, wie viel mehr Alltag möglich werde mit einer Impfung.

Er verwies zudem auf die mögliche Zulassung des Biontech-Impfstoffs für Kinder über zwölf Jahren. "Der Impfstoff wäre dann, wenn die Europäische Arzneimittelagentur das macht, ein zugelassener Impfstoff auch für diese Altersgruppe." Er rechne mit einer Entscheidung der EMA um den Monatswechsel herum, sagte Spahn. 

Spahn lehnt Impfung als Voraussetzung für Präsenzunterricht ab

Spahn zeigte sich zuversichtlich, dass schon vor Beginn der Sommerferien die ersten Kinder und Jugendlichen in Deutschland geimpft werden. "Wenn die Zulassung da ist, werden wir dann nach und nach – nicht allen auf einmal – Kindern und Jugendlichen über zwölf Jahren ein Angebot machen, sich impfen zu lassen. Den ersten wahrscheinlich auch schon vor den Ferien." Bis Ende August sollen dann alle Kinder und Jugendlichen geimpft werden können, die wollen. Ihn erreichten viele Nachrichten von Eltern und Jugendlichen, die sich eine Impfung wünschten, so der Minister.

Eine Impfung als Voraussetzung zur Teilnahme am Präsenzunterricht lehnt Spahn ab. "Ich sehe nicht, dass wir eine verpflichtende Impfung haben werden für den Schulbesuch." Eine Pflicht habe er immer abgelehnt. "Schule geht auch mit einem Teil der Kinder und Jugendlichen, die geimpft sind und ein Teil, die noch nicht geimpft sind." 

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„Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar“

Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung bewertet den Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) allerdings kritisch, Biontech-Impfdosen für Schüler zu reservieren. "Der Vorstoß ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar", sagte Institutschef Dominik Stillfried dem "Handelsblatt" (Mittwoch). "Ein Zurückhalten des Biontech-Vakzins für Jüngere würde die Impfkampagne rechnerisch um rund zwei Wochen zurückwerfen."

Kritisch sei das deswegen, weil Schülerinnen und Schüler ein niedrigeres Risiko hätten, an Corona schwer zu erkranken als die Impfgruppen, die noch ausstehen, sagte Stillfried. Diese Gruppen würden dann erst bis Mitte September eine Erstimpfung erhalten haben, sofern nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) geimpft würde. Die hatte entschieden, nur die Mittel von Biontech und Moderna für die unter 60-Jährigen zu empfehlen.

"Sollte die Stiko den Impfstoff für Jüngere nur eingeschränkt oder gar nicht empfehlen, könnte dies zu erneuter Verunsicherung führen – so, wie wir es in der Debatte um den Impfstoff von Astrazeneca erlebt haben", sagte Stillfried.

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