Drosten spricht von Missverständnis: Isolierung und Quarantäne geraten durcheinander

In Deutschland wird über eine kürzere Quarantänezeit bei Corona-Verdachtsfällen diskutiert. Während Gesundheitspolitiker für eine Verkürzung plädierten, zeigte sich die Bundesregierung am Freitag zurückhaltend. Der Virologe Christian Drosten stellte derweil klar, dass er keine Verkürzung der Quarantänezeit von 14 auf fünf Tage vorgeschlagen habe. Er fühlt sich missverstanden.

Drosten bezog seinen Vorschlag demnach auf die Isolation von Infektionsclustern. Seine Äußerungen waren auch ein Auslöser für die Debatte um kürzere Quarantänezeiten. "Ich halte es für sehr sinnvoll, die Quarantänezeit auf fünf Tage zu begrenzen", sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der Zeitung "Welt". Es sei bekannt, dass die allermeisten Menschen fünf Tage nach Beginn der Symptome nicht mehr ansteckend sind, auch wenn der Corona-Test noch ein positives Ergebnis ausweise.

"Wenn wir die Quarantänezeit auf fünf Tage begrenzten, wäre die gesellschaftliche Akzeptanz für die Maßnahme deutlich höher", sagte Lauterbach. Das ganze Leben wäre weniger unterbrochen, weil Menschen schneller an den Arbeitsplatz und in die Schulen zurückkehren könnten. 

"Sollte es neue Ergebnisse bezüglich der Infektiosität geben, muss die aktuelle Politik reagieren", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus. Das bedeute konkret, "dass beim Auftreten von Symptomen lediglich eine fünftägige Quarantäne völlig ausreichend ist".

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche sieht das ähnlich: Bei Verdacht auf einen Kontakt mit einem Infizierten könnte es für viele Menschen sinnvoll sein, zunächst "in eine verkürzte Quarantäne zu gehen und diese mit einem negativen Test abzuschließen".

Drosten rückt Meinung auf Twitter zurecht

Der Berliner Virologe Drosten, auf den sich Politiker in der Debatte zum Teil bezogen, stellte im Kurzbotschaftendienst Twitter klar: "Isolierung und Quarantäne geraten durcheinander." Sein Vorschlag sei eine Reduktion der Isolierungszeit bei sogenannten Clustern von Infizierten auf zum Beispiel fünf Tage. "Wenn man Cluster als Ganzes isoliert, dann kurz und mit Freitestung auf Restinfektiosität", schreibt der Virologe.

Grundsätzlich gilt eine Quarantäne für Menschen, die Kontakt zu Infizierten hatten. Dadurch soll nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums vermieden werden, dass diese Menschen während der Inkubationszeit ungewollt andere infizieren. Eine Isolierung gilt für Corona-Infizierte. Diese dauert bislang zehn Tage. Drosten regte an, unter bestimmten Bedingungen diese Zeit auf fünf Tage zu verkürzen und provozierte jede Menge Resonanz.

Die Bundesregierung reagierte zunächst zurückhaltend auf die Diskussion. Es sei wichtig, dass es diese Debatten gebe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das Robert-Koch-Institut (RKI) nehme sie wahr und daran teil. Es sei ein "Weg des ständigen Lernens". Derzeit gelte für die Bundesregierung die RKI-Empfehlung einer 14-tägigen Quarantäne. Neue Empfehlungen würden ebenfalls vom RKI ausgehen.

Spahn will über Drostens "steile These" diskutieren

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen des EU-Ministerrats am Freitag in Berlin auf Drosten angesprochen:  „Der Wissenschaftler, der das behauptet hat, hat das selbst als ‚steile These‘ bezeichnet.“ Aber darüber könne man diskutieren. Eine Modellrechnung des Robert-Koch-Instituts besage, dass bei 14 Tagen Quarantäne zwei von 100 Infizierten nicht herausgefiltert würden – bei zehn Tagen Quarantäne seien dies vier. dpa Berlin: Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, äußert sich bei einer Pressekonferenz nach der Videokonferenz der EU-Gesundheitsminister.

Aus der Wirtschaft kam Zustimmung für eine Verkürzung der Quarantänezeit. "Die deutsche Industrie unterstützt den Vorschlag für eine Begrenzung der Quarantänepflicht für Corona-Verdachtsfälle auf fünf Tage", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. Ziel müsse es sein, wirtschaftliche Aktivität auf maximal möglichem Niveau zuzulassen. Auch eine verkürzte Quarantänezeit bleibe für die Wirtschaft eine große Herausforderung.

Doch was hat Drosten ursprünglich überhaupt gesagt, was so missverstanden werden konnte?

Die Stelle aus dem Podcast im Wortlaut (Quelle: NDR):

Christian Drosten: (…) Da muss man einfach sagen, wenn so ein Quellcluster erkannt ist, dann muss das sofort ohne weiteres Hinsehen, zu Hause isoliert werden, jeder Einzelne von denen muss zu Hause bleiben. Und das machen die Gesundheitsämter auch heute schon, wenn sie können. Zum Beispiel wenn ein zusätzlicher Fall noch mal aufgefallen ist oder wenn immerhin schon Symptome bestehen, dann haben Amtsärzte die Möglichkeit, gleich zu sagen: „Okay, alle hier in diesem Kurs, von dieser Familienfeier, alle erst mal in die Heimisolation oder Quarantäne.“ Eigentlich ist es dann eine Quarantäne und dadurch mischen sich die Begrifflichkeiten. Ich habe das dann, weil es eine Mischung aus Isolierung und Quarantäne ist, da sind erkannte Fälle dabei und das sind mögliche Fälle dabei, nenne ich das mal eine Abklingzeit für dieses Cluster. Man lässt das Cluster abklingen, indem man die alle zu Hause vereinzelt.

Korinna Hennig Aber nicht 14 Tage lang? So wie es jetzt praktiziert wird?

Christian Drosten: Da kommen wir jetzt gleich dazu. Das Problem, auf das der Amtsarzt hier aber immer stößt, ist nun in der Realität – und ich weiß das, weil ich mit vielen, vielen, vielen Vertretern von Gesundheitsämtern aus ganz Deutschland immer wieder telefoniere, die rufen hier an, weil wir ein Konsiliarlabor sind und die reden mit mir häufig auch mal Tacheles und beschweren sich über die Regularien und reden mit mir Klartext. Die sagen in so einer Situation: „Ich weiß, ich müsste die Leute eigentlich isolieren. Aber wenn ich das mache, dann ruft der Landrat bei meinem Chef an, dann kriege ich Ärger. Oder dann ruft der Arbeitgeber an beim Politiker und der Politiker, der ist dann bei mir am Handy und faltet mich zusammen.“ Und deswegen gibt es da immer solche Kompromisssituationen. Deswegen hat der Amtsarzt im Prinzip schon einen starken Verdacht, da ist ein Quellcluster, aber er muss sich darauf einlassen, erst mal testen zu lassen, um doch mehr Evidenz zu kriegen. Nicht nur zwei Fälle, sondern vielleicht drei oder vier Fälle. Und irgendwann ist es nicht mehr von der Hand zu weisen und dann wird isoliert. Und dann ist aber schon einiges an Übertragung weitergegangen. Und diese Quellcluster haben auch die Eigenschaft, dass sie sehr stark synchron laufen und einfach explosiv sind. Da haben sich viele Leute zu einem Zeitpunkt infiziert und sind jetzt infektiös. Und die muss ich jetzt erwischen und nicht in einer Woche, dann sind die alle schon nicht mehr infektiös.

Und die Infektion ist aber durch diese losen Verbindungen zu anderen nächsten Clustern weitergetragen worden. Und da sind wir wieder im vollkommen unbekannten Bereich. Das können wir nicht verfolgen, dafür fehlt die Kraft. Dafür fehlen die Manpower und die Telefonkapazität. Und jetzt mache ich einen Vorschlag. Der basiert auf den neuen Daten, die wir haben zur Infektionskinetik. Und zwar ganz einfach gesagt: Wir wissen inzwischen, wer diagnostiziert wird per PCR, der ist praktisch in dem Moment, wo das Ergebnis zurückkommt, gar nicht mehr infektiös. Warum ist das so? Weil heute auch weiterhin vor allem symptomgerichtet diagnostiziert wird, was ich übrigens richtig finde weiterhin in der deutschen Situation, in der amerikanischen Situation ist das anders, aber einer deutschen finde ich das richtig, in der jetzigen Inzidenz. Wenn ich getestet werde, dann braucht das Labor drei, vier Tage realistisch. Auch wenn Labore eine Turnaround-Time von 24-Stunden haben, die Realität sagt was anderes.

Da sind Probentransporte dabei, da geht ein Fax verloren, weil kein Anschluss unter dieser Nummer gewählt wurde und nicht die richtige Faxnummer für die Übertragung des Befundergebnisses angegeben wurde. Da wiegelt irgendjemand, vielleicht ein Arzt, ab und sagt: „Das kann doch gar nicht sein, das haben wir hier doch Stand gar nicht, die Krankheit. Gehen Sie erst noch einmal nach Hause. Das wird schon wieder besser.“ Solche Sachen passieren einfach in der Wirklichkeit, ohne dass man da irgendjemandem einen Vorwurf machen muss. Solche Sachen sind menschlich und das führt dazu, dass es in Wirklichkeit meistens drei, vier Tage dauert, bis jemand sein Befundergebnis wirklich hat, nachdem er getestet wurde, und das gerechnet vom Symptombeginn. Aber die infektiöse Zeit beginnt zwei Tage vor Symptombeginn und endet, realistisch betrachtet, vier, fünf Tage nach Symptombeginn. Das heißt, der Tag der Befundübermittlung ist meistens schon der letzte oder vorletzte Tag, wo man überhaupt noch infektiös wäre. Und auch da ist die Viruslast schon ganz schön gering.

Und unter dieser Prämisse ist es fast müßig, diesem Menschen zu sagen: „14 Tage zu Hause bleiben.“ Der ist fast schon gar nicht mehr infektiös. Umso wichtiger ist es, diesen Rückblick zu machen. Und hier kommen wir zu einer interessanten Kompromissüberlegung. Wenn wir jetzt doch wissen, es ist schmerzhaft für den Arbeitgeber, für den Landrat, für ich weiß nicht wen, für einen Lokalpolitiker, dass dieses Quellcluster unter Quarantäne gesetzt wird. Da wird versucht, mit dem Amtsarzt zu verhandeln. Da ist es doch gut, wenn der Amtsarzt jetzt etwas entgegnen kann, was neu ist und was einen Ausweg bietet, nämlich wenn der Amtsarzt sagen kann: „Lieber Herr Landrat, wir machen aber nur fünf Tage. Wir machen nicht 14 Tage, nur fünf Tage. Wir machen eine kurze Quarantäne. Und in diesen fünf Tagen ist außerdem auch das Wochenende drin. Das heißt, eigentlich sind es nur drei verlorene Arbeitstage.“

Korinna Hennig: Das heißt, die Belastung für alle, für jeden Einzelnen und auch die wirtschaftliche Belastung wäre geringer. Trotzdem, von 14 Tagen auf fünf Tage runterschrauben, reicht das aus, um weitere Ansteckungen weitestgehend zu verhindern? Oder müssen wir da mit einem Restrisiko leben?

Christian Drosten: Also in diesem Vorschlag, den ich da mache mit fünf Tagen, gehe ich bis an die Schmerzgrenze der Epidemiologie. Das ist schon, sagen wir mal, eine steile These, dass man sagt, nach fünf Tagen ist eigentlich die Infektiosität vorbei. Aber dennoch es ist von mir auch einfach eine Überlegung, was kann man denn in der Realität machen, damit man nicht ein De-facto-Lockdown hat? Es nützt nichts, wenn man alle möglichen Schulklassen, alle möglichen Arbeitsstätten unter wochenlanger Quarantäne hat. Es muss kurz sein.

Und jetzt biete ich da noch etwas an als Abmilderung dieser Situation für die Epidemiologen, nämlich die Freitestung. Mein Vorschlag ist, dass man diese fünf Tage nicht verschwendet für eine Testung, sondern dass man erst testet, wenn die fünf Tage abgelaufen sind. Am Ende, mit der Frage, nicht nur, ob denn jetzt das auch stimmte, dass die alle infiziert sind, ist in diesem Quellcluster. Oder wir wollen mal wissen, ob es für alle oder nur ein paar infiziert waren, sondern wir wollen noch was Weiteres wissen von der Diagnostik. Wir wollen wissen, ob sie am Ende dieser fünf Tage noch infektiös sind. Also dieser Unterschied Testung auf Infektiosität versus Testung auf Vorliegen der Infektion, das ist mir wichtig.

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