Die Wuhan-Exposition: Hätte China früher reagiert, wäre die Welt heute eine andere

Durch ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens und Grenzschließungen versuchen Deutschland und andere europäische Länder die schnelle Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Zwei Studien über Wuhan zeigen, wie wichtig dabei der Faktor Zeit ist, um die Ausbreitungsrate zu verlangsamen – und Corona zu stoppen.

Das Corona-Virus breitet sich weltweit rasant aus. In Italien ist die Zahl der Infizierten auf fast 28.000 angestiegen, in Spanien auf über 9000 und in Frankreich auf über 5000. In Deutschland liegt sie laut Robert-Koch-Institut derzeit bei über 7600 Fälle.

Ringsrum verhängen die Länder Ein- und Ausreisesperren. In Italien, Spanien und seit heute auch in Frankreich wurden Ausgangssperren verhängt: Das heißt Bürger dürfen nur noch in dringend notwendigen Fällen wie zu Arztbesuchen und Einkäufen ihre Wohnung verlassen.

Auch in Deutschland wird in Abstimmung mit den einzelnen Bundesländern das öffentliche Leben komplett heruntergefahren: Alle Schulen und Kitas sind geschlossen. Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen, Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen, Messen, Ausstellungen, Kinos, Freizeit- und Tierparks sowie Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen) müssen den Betrieb einstellen.

Das gilt auch für Sporteinrichtungen, Fitnessstudios, Schwimm- und Spaßbäder sowie Spielplätze und Läden. Nur Geschäfte zur täglichen Grundversorgung bleiben geöffnet. Bayern hat sogar den Katastrophenfall ausgerufen – eine Ausgangssperre liegt auch hier im Bereich des Möglichen.  
 

Nur das Vermeiden sozialer Kontakte durchbricht die Infektionskette

Da es bisher keinen Impfstoff gegen das Virus gibt, bietet das Vermeiden sozialer Kontakte derzeit die einzige Chance im Kampf gegen die Corona-Ausbreitung. Wie wichtig deshalb die Methode der Kontaktreduktion ist, um die Ausbreitungskette zu unterbrechen zeigen zwei neue Studien aus England, die im Lancet und MedRxiv veröffentlicht wurden.

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Beide Studien weisen darauf hin, dass China das Ausmaß der Infektionen unterschätzt habe. So soll es laut des Mathematikers Adam Kucharski von der London School of Hygiene & Tropical Medicine, Ende Januar zehn Mal mehr Erkrankungen gegeben haben als offiziell bestätigt. Andere Experten sprechen von 40 Mal mehr Erkrankungen.

Jedenfalls stieg die Zahl der Infizierten wochenlang an. Ende Januar lag die Zahl der Personen, die ein einzelner Infizierter ansteckt, noch bei 2,35 – erst im Februar ging sie auf 1,05 zurück.

China hat Corona-Höhepunkt überschritten

Der Rückgang soll laut Studie interessanterweise schon vor der Absperrung von Wuhan am 23. Januar stattgefunden haben – die Infektionszahlen in der Provinz Hubei lagen zu diesem Zeitpunkt offiziell bei circa 2500. Kucharski mutmaßt, dass dies also weniger mit den Reiserestriktionen als mit Quarantäne und dem vorsichtigen Verhalten der Bevölkerung zu tun haben könnte.

Tatsächlich scheint es mittlerweile so, als hätte China den Höhepunkt der Corona-Ausbreitung überschritten. Laut offiziellen Angaben liegt die Zahl der Neuinfektion auf niedrigem Niveau. Die Pekinger Gesundheitskommission teilte am Montag mit, dass es landesweit nur 16 neue Fälle gebe. Dabei handelte es sich in zwölf Fällen um Menschen, die nach ihrer Einreise nach China diagnostiziert und somit in der offiziellen Statistik als "importierte Fälle" geführt werden.

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Ein Infizierter reicht nicht aus, um einen Ausbruch auszulösen

Die Studienergebnisse des Mathematikers Kucharski zeigen auch, dass die häufigen Annahme, dass ein Infizierter reiche, um einen Ausbruch auszulösen, nicht stimmen. Die Wahrscheinlichkeit steige erst um 50 Prozent an, wenn vier infizierte Personen in eine Region einreisen.

Allerdings vermutet der Wissenschaftler auch, dass die Ansteckungsgefahr von Person zu Person variiere – auch wenn sogenannte Super-Spreader, also Menschen, die beispielsweise durch ihren Beruf besonders viele andere anstecken, wie es sie beim SARS-Ausbruch 2002/03 gab, bisher noch nicht gefunden wurden.  
 

Schnellere Maßnahmen hätten zu niedrigeren Infektionszahlen geführt

Die zweite Studie aus Southampton rund um den Geografie- und Umweltforscher Shengjie Lai kam zu dem Ergebnis, dass die chinesischen Regierung deutlich schneller hätte handeln müssen. Wären in Wuhan schneller Maßnahmen wie Kontaktsperren ergriffen worden, hätten sich viel weniger Menschen infiziert:

  • eine Woche früher hätte zu 66 Prozent weniger Infektionen geführt
  • zwei Wochen zu 86 Prozent weniger Infektionen
  • drei Wochen zu 95 Prozent weniger Infektionen

Ein spätere Ergreifung der Maßnahmen hätte dagegen eine Ausbreitung noch mehr beschleunigt:

  • eine Woche später um das 3-fache
  • zwei Wochen später um das 7-fache
  • drei Wochen später um das 18-fache  
     

Nur schnelles Handeln verlangsamt Ausbreitung

Das zeigt, dass ein schnelles Handeln und die schnelle Umsetzung von Maßnahmen die Ausbreitung des Virus verlangsamen können. Laut Studie sollten frühe und integrierte Strategien vorbereitet werden, um die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen in den betroffenen Ländern zu minimieren.

Auch wenn die Fallzahlen laut Studien in China deutlich höher gelegen haben sollen als offiziell bekannt, hat China bereits beim Stand von circa 2500 Infizierten Wuhan und andere Städte in der Provinz Hubei abgeriegelt. Im Vergleich dazu hat Deutschland mit den Einschränkungen im Reiseverkehr und des öffentlichen Lebens erst begonnen als die Fallzahlen schon über 5000 lagen – also im Prinzip schon viel zu spät.

Mit Material von dpa

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