Die Corona-Krise machte aus Deutschland eine Nation von Hobby-Virologen. Ähnliches gilt für die erstaunlich hohe Zahl an Fußball-Bundestrainern. Aber auch beim Thema Autofahren überschätzen die meisten Menschen ihre Fähigkeiten und halten sich für ausgesprochene Könner. Dahinter steckt der Dunning-Kruger-Effekt, bei dem insbesondere inkompetente Menschen die Grenzen ihrer Kompetenz nicht erkennen.
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt ein Alltagsphänomen, dem die amerikanischen Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger Ende der 1990er-Jahre auf den Grund gingen. Die von ihnen durchgeführten Experimente und Studien legen nahe, dass weniger kompetente Menschen im betreffenden Bereich tendenziell das eigene Wissen und Können eher überschätzen. Dazu kommt, dass sie dazu neigen, die Fähigkeiten und das Wissen anderer, tatsächlich kompetenterer, zu unterschätzen. Grund für diese falschen Wahrnehmungen ist eine kognitive Selbstwahrnehmungsverzerrung. Bedingt durch ihre fehlende Kompetenz können sie – laut Dunning und Kruger – ihre eigene Inkompetenz nicht erkennen beziehungsweise richtig einordnen im Vergleich zu anderen. Interessanterweise führt gerade ihre fehlende Kompetenz zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein – und zu Problemen, die eigenen Kompetenzen zu steigern. Es mangelt letztlich an echter Selbstreflexion. Inkompetenz und Ignoranz gehen hierbei meist Hand in Hand. Es kann auch von einer Ignoranz gegenüber der eigenen Inkompetenz gesprochen werden.
„Dr. Google-Bildung“ kann in der Apotheke problematisch sein
Auch in der Apotheke kann uns entsprechendes Verhalten begegnen. Beispielsweise in Person eines Kollegen, der (leider) weniger weiß, als ihm selbst bewusst ist. Insbesondere Berufsanfängern passiert es schnell, dass sie ihre tatsächlichen Kompetenzen falsch einschätzen. Ist dieses Verhalten deutlich ausgeprägt, kann es zu Konflikten innerhalb des Teams kommen. Auch der durch Dr. Google „vorgebildete“ Kunde ist manchmal ein Problem. Entsprechende Kunden sind in der Folge schwerer zu beraten. Ihrem angegoogelten „Wissen“ muss dann mit Fingerspitzengefühl begegnet werden. Ein notwendiges Beratungsgespräch zu führen, ohne belehrend zu wirken, ist nicht immer einfach.
„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Das könnte ein guter Anfang zur Selbsterkenntnis sein – und zur Vermeidung eines Dunning-Kruger-Effekts führen. Leider heißt es jedoch oft: „Ahnungslos, ohne es zu wissen.“ Die Situation ist allerdings nicht hoffnungslos. Ehrliches und konstruktives Feedback kann den vom Dunning-Kruger-Effekt Betroffenen helfen. Diese benötigen zudem die Bereitschaft, sich einer echten Selbstreflexion zu unterziehen.
Wie Sie bei der Arbeit in der Apotheke – und auch sonst im Leben – mit diesem Phänomen umgehen können, erklärt AZ-Autorin Inken Rutz in der aktuellen AZ 2020, Nr. 39, S. 6
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