Das sagt das RKI zu den Reisebeschränkungen

Am Nachmittag blickt die Republik nach Berlin. Im Kanzleramt trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder, um über das weitere Vorgehen in der Coronavirus-Pandemie zu sprechen.

Ein Punkt auf der Tagesordnung sind die Reisebeschränkungen, die die Bundesländer verhängt haben. Sie stehen gleich aus zwei Gründen in der Kritik: Zum einen seien die Regeln für die Bürgerinnen und Bürger nur schwer verständlich, da jedes Land sein eigenes Süppchen kocht. Dürfen Hoteliers Gäste aus besonders von der Pandemie betroffenen Regionen Deutschlands ohne Weiteres aufnehmen? Müssen Urlauber nach der Ankunft in Quarantäne? 16 Länder und fast ebenso viele Vorschriften machen das Thema unübersichtlich und mitunter nur schwer nachvollziehbar. Zuletzt forderte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ein einheitliches Vorgehen der Länder. "Das Problem beim Beherbergungsverbot ist ja, dass viele Bürger die Regeln nicht verstehen und sie die Akzeptanz eher schwächen, weil Unklarheit ist", sagte er im "Morgenmagazin" der ARD.

Beherbergungsverbot in der Kritik

Aber die Reisebeschränkungen werden auch aus einem anderen Grund kritisch gesehen: schlicht, weil ihr Nutzen in Frage gestellt wird. Nun hat sich auch das Robert-Koch-Institut (RKI), das die Bundesregierung in Sachen Pandemie-Bekämpfung berät, zu dem Thema zu Wort gemeldet. Und auch dessen Expertinnen und Experten sehen das Reisen grundsätzlich nicht als große Gefahr an.

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In seinem jüngsten Strategiepapier, das die Ziele und Instrumente für den Infektionsschutz der kommenden Monate aufführt, schreibt das RKI zur nationalen und grenzübergreifenden Reisetätigkeiten zwar: "erhöhte Mobilität bedeutet erweitertes Risiko", aber auch: "Dieses Risiko (ist) nicht primär an den Ort der Reise oder ein spezifisches Gebiet gebunden, sondern hängt wesentlich von dem Verhalten des Einzelnen in einem Gebiet mit Virusübertragungen ab."

Nicht das Reisen als solches ist nach Auffassung des RKI also eine Gefahr, sondern es komme darauf an, dass sich Reisende an ihrem Ziel und auch nach der Rückkehr verantwortlich verhalten. "Risikobehaftetes Verhalten muss bekannt sein, so dass es vermieden werden kann", resümieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Für Reisende müssen Kommunikationsmittel in unterschiedlichen Sprachen vorgehalten werden, damit diese über Test, Quarantäne und Isolation informiert werden." Unter anderem stützt sich das Berliner Institut dabei auf das Ergebnis einer Untersuchung, die das internationale Forschungsnetzwerk Cochrane im September veröffentlichte.

Kommt ein einheitliches Vorgehen zum Coronavirus?

Das RKI folgt mit seiner Einschätzung zahlreichen Virologen, die den Nutzen der innerdeutschen Reisebeschränkungen und Beherbergungsverbote ebenfalls in Frage stellen. So sagte der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit zu dem Thema zur ARD-"Tagesschau": "Das Beherbergungsverbot ist kein geeignetes Mittel, weil die Corona-Lage viel zu dynamisch ist. Damit ist dieses Mittel nicht zielgerichtet, nicht effektiv und letztendlich realitätsfremd. Denn es kann gar nicht realistisch umgesetzt werden. Erschwerend hinzu kommt: Es werden dadurch Ressourcen vergeudet. Denn innerdeutsche Reisende sind nicht der Hauptgrund für den Anstieg der Inzidenz."

Ob das RKI hingegen beim Treffen der Bundeskanzlerin mit ihren Länderkolleginnen und -Kollegen gehört wird und die Politik sich tatsächlich zumindest zu einer Vereinheitlichung der Reiseregeln oder gar zur Abschaffung des Beherbergungsverbotes durchringen kann, ist offen. Das letzte Wort haben – wie so oft – die Länder, und nicht das RKI.

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