Ein Hoffnungsträger der Impfkampagne in Deutschland musste einen herben Rückschlag publik machen: Im Rennen um die Markteinführung eines weiteren hochwirksamen Corona-Impfstoffs hat die Tübinger Biopharmafirma Curevac am späten Mittwochabend in einer Pflichtbörsenmitteilung eingeräumt, dass der eigene Impfstoffkandidat CVnCoV in einer Zwischenanalyse nur eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Corona-Erkrankung "jeglichen Schweregrades" erzielt habe. Damit habe er die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erfüllt.
Der Curevac-Impfstoffkandidat befindet sich schon seit Dezember – also seit rund einem halben Jahr – in der finalen und damit zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Nach Angaben von Curevac hatten rund 40.000 Probanden in zehn Ländern in Europa und Lateinamerika an der Studie teilgenommen. Für die Zwischenanalyse wurden demnach 134 Covid-19-Fälle untersucht. Davon seien 124 sequenziert worden, um die Virus-Varianten zu identifizieren, welche die Infektionen ausgelöst hatten. Mindestens 13 verschiedene Varianten seien dabei festgestellt worden. Nur in einem Fall handelte es sich laut Curevac dabei um die ursprüngliche Form des Virus Sars-CoV-2.
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Für Spahn eine „der größeren Enttäuschungen“
Während zahlreiche Konkurrenten ihre Vakzine längst auf den Markt gebracht haben, sammelt Curevac nach wie vor Daten. Ob Curevac nun überhaupt absehbar – und wenn ja, wann – liefern kann, bleibt vorerst unklar.
Für die laufende Impfkampagne in Deutschland ist das Curevac-Präparat laut einem Medienbericht nicht mehr eingeplant. Das habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seinen Amtskollegen der Bundesländer während der vergangenen Ministerkonferenz gesagt, berichtete der "Mannheimer Morgen" vor einer Woche. Demnach sprach Spahn von einer "der größeren Enttäuschungen".
Die Bundesregierung hatte den Curevac-Impfstoff Berichten zufolge lange für die zweite Jahreshälfte eingeplant, auf der jüngst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste der Impfstoff-Lieferplanungen fehlte das Unternehmen bereits. Zuletzt hatte die Plattform "Business Insider" berichtet, es habe noch Ende Mai in internen Lieferprognosen der Bundesregierung geheißen, dass von Curevac bis Jahresende eine zweistellige Millionenmenge an Impfstoffdosen erwartet werde.
Curevac-Börsenkurs stürzt ab
Angesichts der massiven Zeitverzögerung hatte die Firma zuletzt nicht nur ihre Aktionäre immer wieder vertröstet. Bis Anfang Juni hatte es geheißen, das Unternehmen erwarte – abhängig von den klinischen Studiendaten – die Zulassung seines Impfstoffkandidaten in der EU zumindest noch im zweiten Quartal. Doch kurz darauf wurde bekannt, dass sich das Verfahren weiter verzögern werde.
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Zuletzt war darüber spekuliert worden, der Curevac-Impfstoff könne möglicherweise im August in der EU zugelassen werden. Auch diese Aussichten könnten sich nach Bekanntwerden der neuen Daten erledigt haben. Die Anleger reagierten zeitweise panisch: Der Curevac-Börsenkurs sackte im nachbörslichen US-Handel am Mittwoch um mehr als die Hälfte ab.
Wie geht es weiter mit dem Curevac-Impfstoff?
Zur Frage, wie es mit dem bisherigen Impfstoffkandidaten nun weitergehen soll, äußerte sich Curevac in der Mitteilung nicht im Detail. Allerdings lud das Unternehmen "interessierte Parteien" für Donnerstag (14 Uhr) zu einer Telefonkonferenz ein.
Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas teilte mit, man habe auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft. Allerdings habe seine Firma erkannt, dass es bei der "beispiellosen Bandbreite" an Virus-Varianten eine Herausforderung darstelle, eine hohe Wirksamkeit zu erzielen. Und ein bisschen Hoffnung gibt es dann doch: Man wolle die laufende Studie dennoch bis zur finalen Analyse fortsetzen. "Die endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern." SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb auf Twitter: "Schade, das Team aus Tübingen hätte Erfolg verdient gehabt."
Der Impfstoffkandidat von Curevac basiert – ebenso wie beispielsweise das bereits länger in der EU zugelassene Vakzin des Mainzer Konkurrenten Biontech – auf sogenannter "messenger RNA" (Boten-RNA) und unterscheidet sich damit von herkömmlichen Vektorimpfstoffen wie etwa jenem von Astrazeneca.
Trotz der deutlich geringeren Wirksamkeit gegenüber den bereits eingesetzten Konkurrenzprodukten betont Curevac die Vorteile seines Präparates. So kann das Curevac-Mittel in Kühlschränken mit normalen Temperaturen gelagert werden, während die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna bei extrem niedrigen Temperaturen aufbewahrt werden müssen. Auch kann das Curevac-Mittel in niedrigeren Dosierungen angewendet werden als die anderen Impfstoffe.
Wirkung gegen Delta-Variante „dürfte noch niedriger sein“
Der Epidemiologie Lauterbach folgerte aus den von Curevac bekanntgegebenen Daten: "Verschiedene Varianten waren betroffen. Damit dürfte die Wirkung gegen die Delta-Variante alleine noch niedriger sein." Nach Ansicht vieler Virologen ist diese zuerst in Indien bekanntgewordene Virus-Variante deutlich ansteckender und verursacht schwerere Krankheitsverläufe.
Curevac hatte sich im vergangenen Jahr über einen Börsengang in New York sowie mehrmals über Kapitalerhöhungen frisches Geld verschafft und zudem eine Partnerschaft mit dem Leverkusener Pharmariesen Bayer vereinbart. Historisch noch enger verzahnt ist Curevac allerdings mit dem SAP-Mitbegründer und Investor Dietmar Hopp, der nach wie vor einen Großteil der Anteile an dem Unternehmen hält. Hopp sorgte zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 für Schlagzeilen, als er überraschend und öffentlichkeitswirksam verkündete, Curevac könne möglicherweise schon im Herbst 2020 einen Corona-Impfstoff liefern. Das blieb ein unerfüllter Wunsch.
Sehen Sie im Video: Ab dem 7. Juni können nun auch Kinder und Jugendliche geimpft werden. Vorausgesetzt der Impfstoff von Biontech wird von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA ab zwölf Jahren zugelassen. Aber wie sinnvoll ist eine Corona-Impfung für diese Altersgruppe wirklich?
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