Dauerhafte Rückenschmerzen: Psyche spielt eine entscheidende Rolle
Rückenschmerzen kennt wohl jeder Mensch. Bei dem Großteil der Betroffenen gehen die Beschwerden binnen einiger Wochen vorbei. Doch bei manchen halten die Schmerzen länger an und werden chronisch. Manche Menschen sind hier gefährdeter als andere.
Fachleuten zufolge leiden fast 80 Prozent aller Deutschen immer mal wieder unter Rückenschmerzen. Bei vielen von ihnen sind die Schmerzen chronisch. Das Leben der Betroffenen wird enorm beeinträchtigt. Wie in einer Mitteilung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) erklärt wird, spielt die Psyche eine entscheidende Rolle, wenn aus akuten Schmerzen andauernde werden.
Auch ein psychologisches Phänomen
Bei rund 35 bis 40 Prozent aller Rückenschmerzpatientinnen und -patienten sind die Beschwerden von Dauer. Die Art und Weise, wie die Schmerzen empfunden werden und wie sehr sie in der Folge das eigene Leben beeinträchtigen, kann jedoch von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein.
Prof. Dr. Monika Hasenbring beschäftigt sich schon seit langem mit der Frage, welche Bedeutung die individuelle Schmerzverarbeitung für die Entwicklung chronischer Beschwerden hat.
Die Leiterin der Abteilung für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) weiß, dass diese kein rein medizinisches, sondern auch ein psychologisches Phänomen sind.
Verschiedene Risikogruppen
Die Expertin hat bereits vor Jahren ein Modell der Schmerzverarbeitung entwickelt, bei dem sie Patientinnen und Patienten einer von vier Risikogruppen zuordnen kann. Dieses Modell helfe dabei, geeignete Diagnose- und Therapieformen auf die verschiedenen Risikogruppen abzustimmen.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, reagiert die erste Gruppe sehr ängstlich auf Schmerz und deutet ihn typischerweise als Symptom einer schweren Erkrankung.
In der Folge vermeiden diese Personen alle möglichen Situationen, die eventuell den Schmerz auslösen könnten. Inaktivität und Muskelschwäche sind mögliche Folgen, welche wiederum Schmerzen und die negative Stimmung begünstigen.
Durchhalteparolen verschlimmern die Beschwerden
Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, die ihre Schmerzen unterdrücken – sowohl gedanklich als auch in ihrem Verhalten. Sie zwingen sich selbst mit Leitsätzen wie „Stell dich nicht so an“ oder „Denk nicht an den Schmerz“ zum Durchhalten.
Laut der RUB eine Strategie, die sich nicht unbedingt positiv auswirkt, denn diese Personen legen keine entspannungsfördernden Pausen ein. So kann es hier ebenfalls zu einer Verstärkung der Schmerzen kommen.
In der dritten Gruppe finden sich Patientinnen und Patienten, die sich vom Schmerz ablenken können. Diese Personen schaffen es, eine positive Stimmung aufrechtzuerhalten. Weil sie aber auch dazu neigen, ihren Körper nicht zu schonen, kommt es bei ihnen ebenfalls oft zu einer Verschlimmerung der Beschwerden.
Richtige Balance finden
Einzig diejenigen Betroffenen, die sich der vierten Gruppe zuordnen lassen, schaffen es durch ihre Einstellung und ihr Verhalten, ihre Schmerzen zu reduzieren.
„Diese Menschen reagieren recht flexibel auf den Schmerz“, sagt Monika Hasenbring. „Sie finden eine Balance zwischen Be- und Entlastung und legen auch mal Pausen ein, meiden Bewegungen aber nicht“, erläutert die Wissenschaftlerin.
Rückenschmerzen auch bei Leistungssportlern
Frau Hasenbring beschäftigt sich aktuell mit der Frage, ob dieses Modell auch auf Leistungssportlerinnen und Leistungssportler mit Rückenschmerzen anzuwenden ist.
Im Rahmen des bundesweiten interdisziplinären Forschungsnetzwerks Medicine in Spine Exercise, welches unter dem Label „Ran Rücken“ vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert wurde, verglich die Wissenschaftlerin Daten aus der Allgemeinbevölkerung mit denen von 200 Sportlerinnen und Sportlern, die angaben, unter Rückenschmerzen zu leiden.
Das Ergebnis der Befragungen: Obwohl man denken könnte, dass Leistungssportlerinnen und Leistungssportler ein besonderes Verhältnis zu ihrem Körper haben, sind sie hinsichtlich ihrer Risikofaktoren für die Chronifizierung von Rückenschmerzen der Allgemeinbevölkerung sehr ähnlich und passen in dasselbe Modell.
„Unsere Erkenntnisse können den Betroffenen helfen, denn die kognitive Einstellung zum Schmerz ist etwas, was wir durch Psychotherapie ändern können“, so Hasenbring.
„Wenn wir den Patientinnen und Patienten klarmachen können, in welchem Kreislauf aus Gedanken und Schmerzverstärkung sie sich befinden, können wir ihnen auch Lösungen aufzeigen, besser mit der Situation umzugehen.“ (ad)
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