Kann ein Arzt dafür haftbar gemacht werden, dass er einendementen Patienten durch künstliche Ernährung am Leben erhält? Der Sohn einessolchen Patienten, der knapp zwei Jahre nur über eine Magensonde ernährt wurde,meinte, der betreuende Arzt habe seinen Vater sinnlos leiden lassen. Erverlangte als Erbe seines Vaters Schmerzensgeld sowie Ersatz für Behandlungs-und Pflegeaufwendungen. Der Bundesgerichtshof wies die Klage jedoch am heutigenDienstag zurück.
Ärzte haften grundsätzlich nicht mit Geld, wenn sie einenPatienten länger als medizinischsinnvoll am Leben erhalten und damit sein Leiden verlängern. Es verbiete sichgenerell, ein Weiterleben als Schaden anzusehen, entschied der Bundesgerichtshof am heutigen Dienstag.
Worum ging es?
Geklagt hatte ein in den USA lebender Mann: Als Erbe machte er Ansprüche seines im Oktober 2011 verstorbenen Vaters gegen dessen behandelnden Arzt geltend.
Er hält es für einen Behandlungsfehler, dasssein dementer, kommunikations- und bewegungsunfähiger Vater ohne jede Aussicht aufBesserung jahrelang mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt wurde.
In denletzten beiden Jahren seines Lebens litt dieser zudem an Lungen-entzündungen undeiner Gallenblasenentzündung. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. EinePatientenverfügung gab es jedoch nicht.
Der Sohn meint, die im September 2006 begonnene künstliche Ernährung habe spätestensseit Anfang 2010 nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung deskrankheitsbedingten Leidens seines Vaters geführt. Der Arzt sei verpflichtetgewesen, das Therapieziel zu ändern: Er hätte das Sterben zulassen und dafür die lebenserhaltenden Maßnahmen beenden müssen. Der Sohn verlangtevon dem Arzt mindestens 100.000 EuroSchmerzensgeld und überdies mehr als 52.000 Euro für Behandlungs- undPflegekosten.
Oberlandesgericht sprach 40.000 Euro Schadenersatz zu
Das Landgericht hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen.Auf die Berufung des Klägers sprach dann das Oberlandesgericht München diesemein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro zu. Der Grund: Der beklagte Arzthätte angesichts bestehender Aufklärungspflichten mit dem Betreuer eingehend erörtern müssen, ob die Sondenernährung fortgeführt oder beendet werden sollte. Dieswar jedoch nicht geschehen. Die aus dieser Pflichtverletzung resultierendeLebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Patienten stelle einenersatzfähigen Schaden dar. Gegen dieses Urteil gingen sowohl der klagende Sohnwie auch der beklagte Arzt in Revision – und landeten damit vor demBundesgerichtshof.
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