„Bei der Digitalisierung geht es auch um die Selbstbehauptung Europas“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) drückt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens weiter aufs Tempo. Im Rahmen des Deutsch-Estnischen Zukunftsforums 2020 zum Thema E-Health erklärte Spahn am gestrigen Mittwochabend in Berlin, dass er es für wichtig halte, dass Deutschland in Kooperation mit anderen EU-Ländern die Digitalisierung selbst vorantreibe, sonst würden es ausländische Großkonzerne tun. Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken gab einige spannende neue Einblicke in die Entwicklung des E-Rezeptes.

In der estnischen Botschaft in Berlin wurde am gestrigen Mittwochabend das neue E-Rezept-Projekt in Hessen vorgestellt, an dem Ärzte, Apotheker, Kassen und einige Privatunternehmen beteiligt sind. Das Projekt hat kürzlich das grüne Licht des hessischen Datenschutzbeauftragten bekommen und kann somit demnächst starten. Dabei können sich Patienten zunächst außerhalb der Sprechstundenzeiten vom Ärztlichen Bereitschaftsdienst online beraten lassen. Die E-Rezepte werden dann vom Arzt auf ein zentrales Portal gestellt, auf das der Patient mithilfe eines Schlüssels zugreifen kann, um sein E-Rezept an eine teilnehmende Apotheke weiterzuleiten. Apotheken, die Awinta-Software nutzen, haben jetzt schon eine Schnittstelle zu dem System, andere Apotheken könnten direkt auf das E-Rezept-Portal zugreifen. Der Hessische Apothekerverband will seine Mitglieder in Kürze über die Teilnahmemöglichkeiten informieren.

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Bei dem Projekt wird teilweise estnische Technologie benutzt: Das estnische Unternehmen Nortal war an der Konzeption beteiligt und hatte zuvor schon in Estland Digitalisierungstechnologien entwickelt. Zur Erklärung: Das estnische Gesundheitssystem gilt als eines der fortschrittlichsten Systeme Europas. Die Versorgungsprozesse und deren Dokumentation sind größtenteils digitalisiert, Patienten können E-Rezepte und andere digitalisierte Gesundheitsinformationen auf einer E-Patientenakte einsehen.

Spahn: Wir können viel von Estland lernen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte bei der Vorstellung des Konzeptes, dass er sich sehr über den Besuch einer estnischen Delegation bei ihm im Gesundheitsministerium gefreut habe. „Wir konnten viel lernen von Ihrem Besuch. Estland beeindruckt bei der Digitalisierung wie wenige andere Länder in Europa und auf der Welt.“ Er warb dafür, dass größere und kleinere Länder gemeinsam arbeiten, um solche Prozesse voranzutreiben.

Erneut richtete er mahnende Worte an Digitalisierungsskeptiker: „Wir hören ja noch oft Sätze wie ‚Online-Sprechstunde und E-Rezept, das brauche ich nicht‘. Ich kann dazu nur sagen, dass wir das selbst gestalten oder erleiden können. Denn mir ist es lieber, wir machen es selbst als dass große ausländische Konzerne wie Google oder Apple das machen. Da geht es für mich auch um die Selbstbehauptung Europas. Ein Überwachungskapitalismus ist nicht unsere Vorstellung.“ Spahn warnte auch davor, beim Thema Datenschutz zu viel Angst walten zu lassen. „Wir wollten Behandlungsdaten anonymisiert und pseudonymisiert nutzen lassen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Und das war ein großer Skandal. Zeitgleich vertrauen Millionen von Menschen ihre persönlichsten Daten Google und Apple in mehreren Handy-Apps an. Dieses Grundvertrauen verstehe ich nicht ganz“, so der Minister.

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