Weizen macht dick? Analyse zerlegt weltweiten Diät-Mythos

Er gehört zu den beliebtesten Getreidesorten: Weizen. Dennoch gilt er vielen als „böse“. Gerade Abnehmwillige streichen den vermeintlichen Dickmacher gern aus dem Speiseplan. Dabei zeigt eine aktuelle Analyse, dass zu viele Kilos nicht mit verzehrtem Weizen und Gluten zusammenhängen.

Es begegnet uns in Brot, Nudeln oder Gebäck: Getreide – häufig in Form von Weizen. Darin steckt viel Gesundes. Doch viele verteufeln Weizen, insbesondere das enthaltene Gluten, das sogenannte Klebereiweiß.

Als eine Art Freispruch fürs Gluten lässt sich eine Analyse erschienen im „ Nutrition Bulletin “ verstehen. Es macht nicht dick, ist also nicht verantwortlich für einen hohen Body Mass Index (BMI).

„Konsum von Gluten und Weizen führt nicht zu Dickleibigkeit“, fasst Friedrich Longin den Überblick auf Twitter zusammen . „BMI und Menge des verzehrten Weizens hängt global gesehen auch nicht zusammen.“ Der Professor ist Getreideforscher und Leiter der Arbeitsgruppe Weizen an der Landes-Saatzucht-Anstalt der Universität Hohenheim. Schon seit Jahren hat Longin sich der Ehrenrettung des umstrittenen Getreides verschrieben.

So stellt denn auch die Analyse von Fred Brouns , School for Nutrition and Translational Research in Metabolism, Maastricht University, und Peter R. Shewry , Rothamsted Research, UK, fest: Beobachtungsstudien zur Glutenaufnahme in sehr großen Kohorten zeigen, dass die Glutenaufnahme nicht mit der täglichen Energieaufnahme, dem Körpergewicht und dem BMI zusammenhängt. Vielmehr empfehlen nationale und internationale Gesundheitsbehörden den Verzehr von Vollkornprodukten, von denen die meisten erhebliche Mengen an Gluten enthalten. Das verbessere die Qualität der Ernährung und verringere das Auftreten ernährungsbedingter chronischer Krankheiten.

Warum Gluten dick machen soll…

Wie kamen der Weizen und das darin enthaltene Gluten überhaupt zu seinem schlechten Ruf als Dickmacher? Dafür blicken die Wissenschaftler tief in den Kern des Getreides und analysieren, was auf molekularer Ebene geschieht.

Es gab Beobachtungen aus der Tier- und Laborforschung sowie anekdotische Beweise. Sie führten zur Vermutung, dass der Verzehr von Gluten die Gewichtszunahme stimuliert, weil darin Peptide vorhanden sind, die wiederum wie Opioide agieren. Sprich, als Glücklichmacher werden sie immer wieder vom Körper verlangt – so die Theorie. Manche nennen Gluten auch das „Opium im Weizen“.

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  • Ein weiterer denkbarer Mechanismus ist, dass Glutenpeptide den Energieverbrauch im Ruhezustand verringern, was zu einer positiven Energiebilanz führt.

    Peptid: Ein Peptid ist ein kleines Protein. Als organische Verbindung ist es aus einer Verknüpfung mehrerer Aminosäuren entstanden. Im Körper erfüllen Peptide zahlreiche Funktionen. Sie können beispielsweise schmerzlindernd, entzündungshemmend oder hormonell wirken. Einige regulieren Stoffwechselvorgänge.

    Um solche Wirkungen im Menschen hervorzurufen, müssen allerdings mehrere Bedingungen erfüllt werden, heißt es in der Analyse:

    • intakte Nahrungspeptide müssten in ausreichenden Mengen im Körper aufgenommen werden,
    • für eine ausreichende Zeit im Blut intakt bleiben, um eine langanhaltende biologische Aktivität zu erreichen,
    • und an Rezeptoren binden, die an Appetit, Sättigung und Energieregulation beteiligt sind.

    Das allerdings scheint wenig plausibel.

    …aber die Analyse zeigt, dass Gluten nicht dick macht

    Denn auch wenn Peptide aus Lebensmitteln in äußerst geringen Mengen vom Darm in das Blut gelangen können, werden sie im Allgemeinen schnell abgebaut. Das heißt, es bleibt nur eine sehr kurze Zeit, damit die erwähnten Prozesse ablaufen könnten. Bisher seien keine Glutenpeptidsequenzen identifiziert, die Regulatoren des Energiestoffwechsels beeinflussen. Darüber hinaus fehlten auch Daten, schreiben Fred Brouns und Peter R. Shewry : dazu, wie viele Glutenpeptide in die Blutbahn aufgenommen werden, wie stabil sie dort sind und wie dauerhaft ihre Bioaktivität ist. Daher gebe es keine Hinweise darauf, dass sie sich im Gehirn auf die Steigerung des Appetits oder auf den Energieverbrauch und die Gewichtszunahme auswirkten.

    Darüber hinaus scheint das in verschiedenen Ländern beobachtete Übergewichtsniveau unabhängig von der Höhe des Weizenverzehrs zu sein, wie die Autoren erläutern. Zahlreiche Beobachtungsdaten beim Menschen zeigten, dass die Höhe des Glutenverzehrs weder mit der täglichen Kalorienaufnahme noch mit dem BMI zusammenhänge. Es bleibt also nichts übrig vom Diät-Mythos, dass Weizen dick macht.

    Was alles in Weizen steckt

    Stattdessen kann Getreide wichtige Nährstoffe liefern. In allen Getreidearten finden sich Ballaststoffe in den Randschichten, Fettsäuren, dabei auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe und verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe.

    Im Weizen stecken (alle Angaben pro 100 Gramm im Durchschnitt für Weißmehl):

    • Kalorien 330 kcal
    • Eiweiß 10 g
    • Fett 1,8 g
    • Kohlenhydrate 60 g
    • Ballaststoffe 4 g
    • Mineralstoffe 1,6 g
    • Besonderheit: Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Kalium, Phosphor, Eisen, Zink und Mangan
    • B-Vitamine, Vitamin E und das Klebereiweiß Gluten, auf das Menschen mit Zöliakie reagieren

    Wie Weizen zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen kann

    Grundsätzlich ist Getreide eines unserer wichtigsten Lebensmittel – abgesehen von den etwa fünf Prozent der Bevölkerung, die wegen Zöliakie oder anderer Unverträglichkeiten auf die meisten Getreidearten wie Weizen verzichten sollten.

    Allerdings könnten manche der leichteren Sensitivitäten auf Getreideprodukte auch daran liegen, dass sich die Herstellung der Getreideprodukte in den letzten Jahren verändert hat. Auch die Brotproduktion ist immer schneller geworden, um immer kostengünstiger zu sein. „Vorgefertigte Produkte werden mit vielen Hilfsstoffen hergestellt, damit zeitaufwändige Teigführung wegfällt“, berichtete Bernhard Watzl, Direktor des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung, Max-Rubner-Institut , im Gespräch mit FOCUS Online schon vor einiger Zeit. Dabei wäre vor allem das lange Gären wichtig, früher dauerte das bis zu 24 Stunden. In dieser Zeit baut die Hefe etwa FODMAPs ab – das Brot wird für Menschen, die auf diese Zucker empfindlich reagieren, bekömmlicher. Die Abkürzung steht für fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole, das sind blähende Zuckerarten, die Bestandteil der Kohlenhydrate und Ballaststoffe sind. 

    Wer außerdem darauf achtet, Getreide als Vollkornprodukte zu verzehren, liefert dem Körper viele wichtige Ballaststoffe. Davon sollte jeder Erwachsene täglich mindestens 30 Gramm essen. Auch Watzl stellte klar: „Für mindestens 95 Prozent der Bevölkerung ist Brot ein wichtiges und gesundheitsförderndes Lebensmittel.“

    Damit Weizen und Gluten nicht dick machen, ist letztlich der komplette Speiseplan entscheidend. Der sollte abwechslungsreich, mit viel Gemüse und Obst sein. Nicht rauchen, wenig Alkohol und regelmäßige Bewegung ergänzen das Gesundheitsprogramm.

    „Rothamsted Research“ erhält strategische Mittel vom Biotechnology and Biological Sciences Research Council (BBSRC), und die Arbeit ist Teil des strategischen Programms „Designing Future Wheat“ (BB/P016855/1).

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