Stent-Einlagen oder Bypass-OPs gehören zu den häufigsten invasiven Verfahren, um Erkrankungen der Herzkranzgefäße zu behandeln. Doch ob sie immer nötig sind, ist unklar.
US-amerikanische Forscher haben nun in einer groß angelegten Studie herausgefunden, dass Patienten mit stabilen koronaren Herzerkrankungen oft gar nicht von den Eingriffen profitieren: Eine medikamentöse Therapie und allgemeine Anpassungen des Lebensstils können für sie genauso effektiv sein wie operative Maßnahmen.
Engstellen in einem oder mehreren Herzkranzgefäßen entstehen häufig durch Arteriosklerose und können zu Sauerstoffmangel in Teilen des Herzens führen. Mediziner sprechen von koronaren oder ischämischen Herzkrankheiten (KHK). Diese gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen. Gefährliche Folgen sind außerdem Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche oder ein Infarkt.
Neben Vorbeugung durch gesunde Ernährung, Verzicht auf Zigaretten und ausreichend Bewegung können Medikamente helfen, die die Blutgefäße erweitern und die Sauerstoffnutzung verbessern. Auch die effektive Behandlung eines Bluthochdrucks oder eines Diabetes mellitus gehören zu einer umfassenden Therapie.
Neben diesen Behandlungsmöglichkeiten können die Gefäße auch durch das Einsetzen von Stents offengehalten werden. Stents sind kleine Gitterschläuche, die über einen Herzkatheter in die verengten Herzkranzgefäße gelegt werden. Neuere beschichtete Stents geben zudem Medikamente ab, die verhindern sollen, dass die Gefäße wieder zuwuchern. Ihr Nutzen ist umstritten, da sich Patienten häufig nach der Intervention einem erneuten Eingriff unterziehen müssen. Bei einer Bypass-OP am offenen Herzen werden ein oder mehrere Kranzgefäße durch Venen aus den Beinen oder Arterien aus der Brustwand ersetzt (Lesen Sie hier mehr zur Kritik an Stents).
Bei Brustschmerzen können Stents helfen
Die International Study of Comparative Health Effectiveness With Medical and Invasive Approaches (ISCHEMIA), die vom NYU Langone Health Center in New York finanziert wurde, kam nun zu folgenden Ergebnissen:
- Stents oder Bypass-OPs schützen nicht besser vor Herzinfarkten oder Todesfällen durch Herzstillstand als Medikamente.
- Die Eingriffe verschaffen Patienten mit Brustschmerzen jedoch nachweislich Linderung.
- Bei Menschen ohne Brustschmerzen haben sie keinen Vorteil gegenüber einer medikamentösen Therapie.
An der Studie nahmen 5179 Menschen teil, die unter verengten Arterien litten, sich jedoch nicht in einer gesundheitlichen Notsituation befanden. Jeder fünfte von ihnen klagte über regelmäßige Brustschmerzen. Die Behandlungsmethoden der Patienten wurden per Zufallsprinzip ausgewählt: eine alleinige medikamentöse Therapie, das Einsetzen von Stents oder eine Bypass-OP.
145 Patienten mit Stent oder Bypass starben, 276 von ihnen erlitten einen Herzinfarkt. Von den Patienten, die lediglich Medikamente einnahmen, starben 144 und 314 erlitten einen Herzinfarkt. Die Forscher, die ihre Ergebnisse bei einem Treffen der American Heart Association am Wochenende vorstellten, schließen daraus, dass es auf mehrere Jahre betrachtet bei stabilen koronaren Herzkrankheiten keinen großen Unterschied zwischen invasiven und medikamentösen Therapien gibt – außer bezüglich der Linderung der Brustschmerzen.
Frühere Studien lückenhaft
Die Ergebnisse scheinen auch Ärzte überzeugt zu haben: „Die Studienergebnisse werden unser klinisches Denken verändern“, sagte Alice Jacobs, Kardiologin an der Boston-Universität, der „New York Times“.
Schon lange wird kontrovers diskutiert, ob die Stent-Implantation für Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit im Vergleich zur medikamentösen Therapie die bessere Lösung ist. 2007 hatte eine Studie bereits nahegelegt, dass Stents nicht wirksamer sind als Herz-Medikamente. Daraufhin war jedoch nur eine Debatte um die richtige Verwendung von Stents entbrannt – die Studie wurde von Ärzten für nicht schlüssig gehalten und das Studiendesign für fehlerhaft befunden.
Insgesamt legen die Ergebnisse der ISCHEMIA-Studie nahe, dass Stents und Bypass-Operationen bei Patienten mit stabilen Herzerkrankungen sparsamer eingesetzt werden sollten. Die Entscheidung zu invasiven Verfahren sollte zudem weniger überstürzt erfolgen. Patienten mit regelmäßigen Brustschmerzen könnten die invasiven Maßnahmen dennoch Linderung verschaffen.
Zusammengefasst: US-amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Operationen bei stabilen koronaren Herzkrankheiten oft überflüssig sind: Eine Vergleichsgruppe, die lediglich mit Medikamenten therapiert wurde, erlitt nicht häufiger einen Herzinfarkt oder starb an der Erkrankung als diejenigen, die Stent-Einlagen oder einen Bypass erhielten. Einzig: Invasive Verfahren können Linderung bei Brustschmerzen verschaffen, die durch Medikamente allein nicht herbeigeführt werden kann. Die Studie unterstreicht damit frühere Studienergebnisse, die jedoch wegen des Studiendesigns von Ärzten angezweifelt wurden.
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