Libidoverlust kann unterschiedlichste Ursachen haben: psychogene, altersbedingte, hormonelle, aber auch schlicht iatrogene. Welche Substanzen Last oder Lust bereiten, war ein Aspekt des Interpharm-Vortrags des Kieler Pharmakologen Professor Thomas Herdegen.
Dass Hormonspiegel Auswirkungen unter anderem auf das Lustempfinden und Lustverlangen haben, kennen Frauen (und Männer) vom Verlauf des weiblichen Monatszyklus. Estrogen wirkt pan-zyklisch Lust-steigernd, mit einem Höhepunkt um den Zeitpunkt des Eisprungs – eine natürliche Rhythmik, die bei Einnahme der Antibabypille aufgehoben wird.
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Ist „Lustverlust“ eine Krankheit?
Einen klaren Einfluss hat jedoch auch bei Frauen das Testosteron, es spielt auch im zentralen Nervensystem eine bedeutende Rolle. Sinkende Testosteronwerte können zur Abnahme der Libido und der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit führen, Testosteronmangel kann die allgemeine Stimmungslage und das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen. Bei Frauen wie Männern besteht eine Korrelation zwischen Testosteronlevel und Aggressivität.
Nicht nur Estrogen ist relevant
Dementsprechend wird Testosteron auch zur Behandlung der Hypoactice Sexual Desire Disorder (ICD-10 F 52.0) eingesetzt, bei dem Korrelationen mit mangelndem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen bestehen, erläuterte Herdegen. Das Androgen sei bei dieser Indikation wirksamer als die Behandlung mit Wirkstoffen wie Bupropion, Buspriron und Flibanserin, welche die Neurotransmittersysteme von Serotonin und Dopamin beeinflussen.
Auch bei Frauen mit Libidoverlust in der Peri- und Postmenopause kann laut Leitlinien gynäkologischer Fachgesellschaften (DGGG 2020, AWMF-Nr.015-602) eine Testosterontherapie erwogen werden – sofern eine Hormonersatztherapie mit Estrogen und/oder Progesteron (HRT) nicht geholfen hat. Allerdings: Es fehlt ein in adäquater Dosis für Frauen zugelassenes Testosteronpräparat. Einen Ausweg böten Magistralrezepturen, zum Beispiel 3 mg/Hub mikronisisertes Testosteron.
Kompliziertes Testosteron
Bei Männern entwickelt sich die „Andropause“ mit abfallenden Hormonspiegeln 15 bis 20 Jahre später als die weibliche Menopause. Sie verläuft variabler und weniger markant. Die Studienlage zur Androgensubstitution mit Testosteron, Dehydroepiandrosteron (DHEA, Vorläufer für Testosteron und Estrogen) und Dihydrotestosteron ist widersprüchlich, eine klare Indikation für Testosteron ergebe sich allein beim Hypogonadismus, stellte Herdegen klar. Dessen klinische Kennzeichen sind neben dem Libidoverlust die Abnahme von Muskelmasse und -kraft und ein „verweiblichter“ adipöser Habitus. „Für beide Geschlechter gilt: Sexualstörungen per se lassen sich oftmals nicht einfach nur monokausal durch Testosteron beheben,“ hielt der Pharmakologe fest.
Medikamentöse Lustkiller
In der Apotheke lässt sich anhand des Medikationsplans so mancher iatrogene Auslöser sexueller Dysfunktion identifizieren. Klassische Lustkiller sind etwa Dauertherapien mit Glukokortikoiden und Opioiden. Libidomindernd können Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) und Neuroleptika (durch Dopaminblockade und Prolaktinerhöhung) wirken. Weiterhin nannte Herdegen vasokonstriktorische Substanzen wie Noradrenalin, Thiazide und Beta-2-blocker. Gewisse Drogen wie THC/Dronabinol oder Alkohol können eine luststeigernde Wirkung entfalten, doch andererseits gilt: „Alcohol increases desire, but inhibits performance!“
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