COVID-19-Pneumonie ist „wie ein Flächenbrand“ in der Lunge
Ein internationales Forschungsteam mit über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fand den Grund dafür, warum Lungenentzündungen, die im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung auftreten, nicht nur länger andauern, sondern auch mehr Schaden anrichten als eine typische Pneumonie. COVID-19-Pneumonien breiten sich demnach „wie ein Flächenbrand“ in der Lunge aus und hinterlassen zerstörtes Lungengewebe.
Forschende der Northwestern University in Illinois (USA) entschlüsselten, was COVID-19-Pneumonien von anderen bekannten Lungenentzündungen abgrenzt. Die Forschungsergebnisse seien ein Durchbruch in der COVID-19-Forschung, da gleichzeitig wichtige Angriffspunkte zur Behandlung der COVID-Pneumonie identifiziert wurden. Das Team hat sich zum Ziel gesetzt, COVID-19 mithilfe neuartiger Medikamente in einen harmlosen Schnupfen zu verwandeln. Die Ergebnisse wurden in dem renommierten Fachjournal „Nature“ präsentiert.
COVID-19-Pneumonie: Keine normale Lungenentzündung
Lungenentzündungen können als Komplikation bei zahlreichen Krankheiten auftreten, die von Viren oder Bakterien ausgelöst werden. Besonders häufig werden COVID-19-Pneumonien mit Lungenentzündungen verglichen, die während einer echten Grippe (Influenza) auftreten. Typische Pneumonien werden auf Intensivstationen in der Regel mit Antibiotika (im Falle von Bakterien) oder durch die Unterstützung des eigenen Immunsystems (im Falle von Viren) behandelt. Bei COVID-19-Lungenentzündgen schlagen herkömmliche Methoden jedoch oft fehl.
Was die COVID-19-Pneumonie von anderen Lungenentzündungen unterscheidet
Typische Lungenentzündungen infizieren in kurzer Zeit große Bereiche der Lunge. Coronaviren vom Typ SARS-CoV-2 siedeln sich der Studie zufolge zunächst in mehreren kleinen Bereichen der Lunge an. Dort kapern die Viren die lungeneigenen Immunzellen und nutzen diese, um sich über einen längeren Zeitraum ungehindert in der Lunge auszubreiten. Die Forschenden vergleichen die Ausbreitung mit einem Waldbrand, der sich mit mehreren Herden langsam ausdehnt und dabei immer mehr Flächen zerstört.
Während sich die Infektion ausbreitet, kommt es bei den Betroffenen zu immer schwerwiegenderen Symptomen wie kontinuierlichem Fieber, niedrigem Blutdruck und Schäden an weiteren Organen wie Nieren, Gehirn und Herz. Eine COVID-19-Pneumonie ist dabie laut der Studie im Gegensatz zu typischen Lungenentzündungen ein eher schleichender Prozess, der zunächst unbemerkt große Schäden anrichten kann.
Erste Studie dieser Art
Die Forschenden betonen, dass dies die erste Studie weltweit ist, in der Immunzellen aus den Lungen von COVID-19-Betroffenen systematisch mit denen von Betroffenen verglichen wurden, die eine Lungenentzündung während anderen Erkrankungen entwickelten. Durch den Vergleich zeigten sich neue und vielversprechende Angriffspunkte zur Behandlung von schweren COVID-19-Verläufen.
Vom Flächenbrand zum Schnupfen
Die neu entdeckten Angriffspunkte könnten von entscheidender Bedeutung in der Behandlung von COVID-19-Pneumonien sein und die tödliche Krankheit in einen „harmlosen Schnupfen“ verwandeln. Im Fokus der Therapie stehen die Immunzellen der Lunge, genauer gesagt die Makrophagen und T-Zellen. Diese Zellen sind normalerweise für den Schutz der Lunge zuständig. Bei SARS-CoV-2-Infektionen machen sie jedoch genau das Gegenteil und tragen zur Ausbreitung der Erkrankung bei.
Neue Hoffnung auf medikamentöse Behandlung
Anfang des Jahres 2021 startet das Forschungsteam der Northwestern University eine klinische Studie mit einem neuen experimentellen Medikament zur Behandlung von COVID-19-Lungenentzündungen. Das neue Medikament zielt auf Entzündungsreaktion der Lungen-Immunzellen ab und soll heilende Reparaturprozesse in der verletzten Lunge in Gang setzen.
„Unser Ziel ist es, COVID-19 mild statt schwer zu machen, so dass es vergleichbar mit einer Erkältung wird“, erläutert Studien-Co-Autor Dr. Scott Budinger, Chef der Lungenintensivstation an der Northwestern University.
COVID-19 wird wahrscheinlich nicht vollständig verschwinden
Die Forschenden weisen darauf hin, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass COVID-19 ähnlich wie Grippe nicht verschwinden wird, sondern in regelmäßigen Schüben zurückkehrt – selbst wenn sich ein Großteil der Weltbevölkerung impfen lässt. Deshalb seien Medikamente zur Behandlung von COVID-19 dringend erforderlich. „Diese Studie wird uns helfen, Behandlungen zu entwickeln, um den Schweregrad von COVID-19 zu reduzieren“, unterstreicht Dr. Ben Singer, ein weiterer Co-Autor der Forschungsarbeit.
Bessere Heilungschancen bei COVID-19-Pneunomie
Ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen COVID-19-Lungenentzündungen und einer typischen Pneunomie sei die Erkrankungsdauer und die Sterblichkeit an Beatmungsgeräten. So seien die Heilungschancen besser bei COVID-19-Betroffenen als bei anderen anderen Erkrankungen, wenn die Patientinnen und Patienten im Zuge der Behandlung an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden müssen. Gleichzeitig müssen COVID-19-Betroffene aber wesentlich länger an der Lungenmaschine angeschlossen bleiben. Diejenigen, die eine COVID-19-Pneumonie entwickeln, sind lange Zeit krank, aber die Entzündung in der Lunge ist nicht so stark wie bei einer regulären Lungenentzündung, fassen die Forschenden zusammen.
„Wenn Patienten mit COVID-19 sorgfältig behandelt werden und das Gesundheitssystem nicht überfordert ist, könne man sie durchbringen“, so Budinger. Es dauere zwar sehr lange, bis sich die Betroffenen wieder erholen, doch wenn man genügend Intensivbetten mit entsprechender Versorgung parat habe, können rund 80 Prozent der kritischen COVID-19-Fälle die Krankheit überleben. Bei überlastetem Gesundheitssystem sei die Sterblichkeitsrate verdoppelt. (vb)
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