Ein negativer Antigen-Schnelltest in der Tasche, schon geht es unbekümmert zum Friseur oder zu den Großeltern. Doch die Tests schlagen nicht immer an. Eine Rechnung verdeutlicht, wie niedrig ihre Erfolgsquote tatsächlich ist.
Max Mustermann braucht einen neuen Haarschnitt. Dafür macht er einen Antigen-Schnelltest, der negativ ausfällt. Mit dem Nachweis geht er zum Friseur. Max hat mit dem negativen Ergebnis bereits gerechnet, schließlich hat er keinerlei Anzeichen für eine Erkrankung. Doch er hat sich gestern mit Corona infiziert. Übermorgen wird er mit Fieber im Bett liegen. Doch davon weiß er heute noch nichts.
Zum Testzeitpunkt war die Viruslast, also die Menge an aktiven Viren in seinem Körper, noch gering. Ein PCR-Test, der auch kleinste Virusmengen erkennt, hätte an diesem Tag bereits angeschlagen und ein positives Testergebnis geliefert. Der Antigen-Schnelltest hat die geringe Viruslast nicht erkannt. Am nächsten Tag, wenn sich die Viren in Max' Körper vermehrt haben, würde auch der Schnelltest ein positives Ergebnis zeigen.
Das Risiko, dass sich andere beim Friseur bei Max anstecken, ist zwar gering (aufgrund der geringen Viruslast) – es ist aber nicht gleich Null. Vielleicht ist Max an diesem Tag auch etwas nachlässiger, weil er ein negatives Ergebnis erhalten hat und davon ausgeht, dass er gesund ist. Mit dem Händewaschen und Abstandhalten nimmt er es heute mal nicht so genau. Und seine Maske sitzt beim Haareschneiden relativ locker, weil angenehmer.
Negatives Antigentest-Ergebnis schließt Sars-CoV-2-Infektion nicht aus
Weil Schnelltests weniger empfindlich sind, erkennen sie ein Ansteckungspotenzial nur, wenn viele Viren in der Probe stecken. Eine frühe Infektion mit noch geringer Viruslast entdeckt der Test nicht. Auf dieses Problem hat auch Virologe Christian Drosten in seinem NDR-Podcast bereits hingewiesen. Es bestehe eine "Nachweislücke" in der Frühphase der Antigen-Testung und somit in diesem Zeitraum eine trügerische Sicherheit.
"Schnelltests sind wohl weniger zuverlässig als gedacht", sagt Drosten. Er schätzt: Zwischen 40 Prozent und 60 Prozent der Infektionen werden bei Schnelltests übersehen.
Wie aussagekräftig sind Schnelltests dann überhaupt? Schließlich kommt zur "Nachweislücke" noch ein gewisses Risiko, dass Tests falsch-positiv oder falsch-negativ ausfallen. Hersteller geben hierfür die Sensitivität beziehungsweise Spezifität an:
- Die Sensitivität zeigt an, wie häufig ein Test eine Infektion korrekt nachweist. Je höher die Sensitivität eines Tests ist, desto zuverlässiger erfasst er die Erkrankung mit einem Positiv-Ergebnis.
- Die Spezifität gibt an, wie wahrscheinlich ein Gesunder als solcher erkannt wird. Das Ergebnis ist dann negativ.
Eine 100-prozentige Sicherheit versprechen Hersteller nicht. Bei den meisten Tests ist eine Sensititivät zwischen 92,2 Prozent und 97,3 Prozent angegeben.
FOCUS Online rechnet nach
Angenommen, ein symptomatisch Erkrankter ist zehn Tage lang ansteckend. Ein asymptomatisch Erkrankter ist auch ansteckend, nach aktuellem Kenntnisstand aber für eine kürzere Dauer, circa sieben Tage. Beide sind bereits drei Tage vor dem ersten symptomatischen Tag ansteckend, während die Viruslast in ihrem Körper allerdings noch sehr gering ist.
Ein Schnelltest würde dann im ersten Fall an sieben von zehn Tagen anschlagen, im zweiten Fall an vier von sieben Tagen. Das Robert-Koch-Institut vermutet, dass sechsmal so viele Menschen asymptomatisch erkrankt sind wie symptomatisch.
Um herauszufinden, welche Chance ein Antigen-Schnelltests überhaupt hat, eine Infektion zu entdecken, lautet die Rechnung also folgendermaßen: (7/10 * 1 + 4/7 * 6) / 7 = 0,59
Das heißt: In nur 59 Prozent der Fälle kann ein Antigen-Schnelltest eine Infektion entdecken – sofern die Sensitivität des Tests bei 100 Prozent liegt. Bei einem Test, dessen Sensitivität zum Beispiel mit 95,4 Prozent angegeben ist, sind es am Ende nur noch 56,3 Prozent aller Fälle. Das ist nur etwas mehr als die Hälfte.
- Lesetipp: Eine Studie der "Cochrane Collaboration" kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Antigentests würden gerade einmal 58 Prozent der Infizierten erkennen. Hier lesen Sie mehr zur Studie.
Schnelltests trotzdem sinnvoll
Statistikerin und FOCUS-Online-Expertin Katharina Schüller plädiert dennoch für die Verwendung von Antigen-Schnelltests: Sie haben einen Nutzen, betont sie in einem Gastbeitrag auf FOCUS Online, denn sie erkennen zuverlässig jene Infizierte, die eine besonders große Gefahr für andere darstellen, weil sie viele aktive Viren in sich tragen.
"Im medizinisch-diagnostischen Bereich kommt es vor allem auf hohe Sensitivität an, weshalb dort PCR-Tests für die individuelle medizinische Diagnose einer Erkrankung verwendet werden", schreibt Schüller. "Im nicht-medizinischen Bereich geht es vielmehr um die Eindämmung der Pandemie und im weiteren Verlauf um die Wiederaufnahme des gesellschaftlichen Lebens. Daher sind Faktoren wie die Schnelligkeit des Testergebnisses, leichte Anwendbarkeit und hohe Verfügbarkeit maßgeblich. Die diagnostische Frage ,Habe ich Corona?' kann nur mit einem PCR-Test zuverlässig mit ,Ja' beantwortet werden." Weiter schreibt Schüller: "Die Frage ,Bin ich eine Gefahr für andere?' lässt sich auch per Schnelltest mit ziemlich hoher Sicherheit mit ,Nein' beantworten."
Schnelltests sollten aber möglichst von geschultem Personal durchgeführt werden, um Anwendungsfehler zu vermeiden, empfiehlt die Statistikerin. "Bei den Selbsttests hingegen, die es seit Kurzem etwa bei manchen Discountern gibt, muss man etwas vorsichtiger sein – auch wenn es sich dabei ebenfalls um Antigen-Tests handeln. Auf dem Papier sind sie zwar praktisch genauso sensitiv und spezifisch wie die Schnelltests, die in speziellen Zentren oder zukünftig auch von Ärzten, Apothekern und eventuell von Hilfsorganisationen angeboten werden. Aber bei falscher Anwendung gibt es eben auch ein höheres Risiko, dass sie falsche Ergebnisse liefern."
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