In einer kolumbianischen Großfamilie erkranken fast alle früher oder später an Alzheimer – bis auf eine Frau. Sie ist heute weit über 70 und gesund. Eine Genmutation schützt ihr Gehirn vor dem Niedergang. Das ist ein Glücksfall für die Alzheimerforschung: Es eröffnen sich ganz neue Therapieansätze.
Ein Familien-Clan in Kolumbien ist seit vielen Jahren das begehrte Forschungsobjekt von Wissenschaftlern, die der Alzheimer-Erkrankung auf die Spur kommen wollen. Erkrankt doch eine Mehrzahl der rund 6000 Mitglieder der weit verzweigten Großfamilie aus der Region Medellin schon in jungen Jahren an Alzheimer. Die häufigste Demenz-Form macht sich bei ihnen im Alter zwischen 40 und 50 bemerkbar. Seit Generationen geht das schon so.
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Genmutation ist schuld an frühzeitigem Alzheimer
Schuld an dem erblichen Alzheimer ist eine Mutation des Gens PSEN1. Bei einigen Familienangehörigen entdeckten die Forscher eine Genvariante, die den Ausbruch der Krankheit um acht bis zehn Jahre verzögerte. Verhindert wurde sie nie.
Nun hat ein Forscherteam um Joseph Arbodela-Velasquez von der Harvard Medical School 1200 Clan-Mitglieder neuerlich untersucht. Dabei stießen sie auf eine Familienangehörige, die das Rentenalter ohne jede Einschränkung erreichte.
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Keine Symptome, trotz Eiweiß-Plaques im Gehirn
Die Frau, deren Identität unbekannt bleiben soll, ist deutlich über 70 Jahre alt und zeigt keine Symptome von Alzheimer. Lediglich eine leicht verzögerte Hirnaktivität deutet auf die Krankheit hin, die bei ihr schon vor 30 Jahren hätte ausbrechen müssen.
Denn die Frau trägt dieselbe Genmutation wie ihre Verwandten in sich. Auch zeigt ihr Gehirn beträchtliche Mengen der typischen Amyloid-Plaques, welche die Denkfähigkeit und die Erinnerung der Betroffenen allmählich auslöschen. Und dennoch scheint die Rentnerin immun gegen die gefürchteten Krankheitssymptome zu sein.
Der Alzheimerschutz liegt in den Genen
Die außergewöhnliche Resistenz gegen die Demenz sehen die Forscher ebenfalls in einer Genmutation begründet. Die APOE3-Variante, auch unter dem Namen Christchurch-Mutation bekannt, scheint die Wirkung von PSEN1 aufzugeben, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Medicine“ schreiben. Die Frau besaß als einzige Probandin eine zweifache Kopie dieser Genmutation.
Die Entdeckung des körpereigenen Alzheimerschutzes auf genetischer Ebene könnte nun die Basis für völlig neue Therapieansätze gegen Alzheimer werden, so die Hoffnung der Forscher.
Therapiehoffnung der Zukunft für Millionen
Bevor ein therapeutischer Nutzen möglich ist, muss erst einmal erforscht werden, wie genau die schützende Genmutation funktioniert. Die Beobachtung ist bisher ja nur an einer einzigen Person gemacht worden.
Für die rund 1,7 Millionen Menschen in Deutschland, die laut Alzheimer Gesellschaft derzeit von Demenz betroffen sind, die meisten von ihnen haben Alzheimer, kommt dieser Forschungserfolg vermutlich zu spät. Aber nachdem jedes Jahr 300.000 Menschen hierzulande neu erkranken, stellt die Entdeckung in Kolumbien einen echten Durchbruch dar.
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